BSG Wahlrecht Bedürftige header
Recht & Verwaltung06 April, 2021

BSG gibt Wahlrecht: Bedürftige können Sozialhilfe statt Wohngeld beantragen

Redaktion eGovPraxis Sozialhilfe

Sozialhilfe hat für bedürftige Personen mitunter erhebliche Vorteile: Daneben kann zum Beispiel oft noch ein vergünstigtes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr beantragt werden.

Wohngeldbezieher dagegen haben solche Vergünstigungen oft nicht. Das BSG hat nun einen Fall entschieden, in dem ein Rentner vor der Wahl stand: Wohngeld oder Sozialhilfe.

Der Fall

Ein Rentner aus Berlin bezog neben seinem niedrigen Ruhegeld auch noch Wohngeld. Dadurch waren seine Einkünfte so hoch, dass daneben kein Anspruch mehr auf ergänzende Sozialhilfe bestand. Deshalb ließ der Mann seinen Wohngeldanspruch auslaufen und beantragte stattdessen Sozialhilfe.

Als Bezieher von Sozialhilfe konnte der Rentner den so genannten „Berlin-Pass“ beantragen und unter anderem ein Monatsticket für den öffentlichen Personennahverkehr statt für regulär 86,00 Euro zum vergünstigten Preis in Höhe von 27,50 Euro erwerben.

Für Wohngeldbezieher bestand diese Möglichkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht. Doch das Land Berlin als Sozialhilfeträger lehnte den Antrag des Rentners mit der Begründung ab, dass Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII nur nachrangig bewilligt werden könne und riet ihm, erst wieder Wohngeld zu beantragen.

Die Entscheidung

Das BSG widersprach dem Sozialhilfeträger und räumte dem Rentner die Wahl ein, entweder nur Sozialhilfe oder erst auch Wohngeld zu beantragen.

Die Begründung: Der Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII ist keine isolierte Ausschlussnorm, sondern ein reiner „Programmsatz“, der keine Pflicht begründet auch Wohngeld zu beantragen.

Entgegen der Auffassung des Landes Berlin musste der Mann damit nicht zunächst Wohngeld beantragen, bevor er Sozialhilfe verlangen konnte.

Fazit

  1. Der Bedürftige kann die für ihn günstigere Leistungsform wählen.

  2. Die Entscheidung des BSG erlaubt es bedürftigen Personen nun auf einen Wohngeldantrag zu verzichten, um als Sozialhilfeberechtigter weitere finanzielle Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können, wie:
  • ein vergünstigtes ÖPNV-Monatsticket
  • kostenloser Eintritt zu Freizeiteinrichtungen
  • eine Befristung der Zuzahlung bei Arzneimitteln
  • die automatische Freistellung von der Zahlung des Rundfunkbeitrags.

Quelle: Urteil des BSG vom 23.03.2021 – B 8 SO 2/20 R

Expertenlösung
eGovPraxis Sozialhilfe

Praxisorientierte Rechtsinformationen für Ihre Fallbearbeitung in der Sozialverwaltung

Alle entscheidungsrelevanten Informationsquellen und das Wissen Ihrer Behörde auf einer digitalen Plattform gebündelt.

Back To Top