Gesundheit01 Januar, 2025

Aufbau von Partnerschaften zwischen Patienten und Behandlern für eine bessere Diabetesversorgung

Laut dem Diabetes-Atlas der International Diabetes Federation (IDF) sind aktuell 463 Millionen Erwachsene an Diabetes erkrankt und 10 % der Gesundheitskosten weltweit entfallen auf die Behandlung dieser Krankheit. Allein in Deutschland betragen die diabetesbezogenen Gesundheitsausgaben ca. 76,0 Mrd. Euro.

Diabetes zählt zu den Krankheiten, die sich weltweit am schnellsten verbreiten. Das Gesundheitswesen im 21. Jahrhundert stellt das vor erhebliche Herausforderungen. Über die letzten 20 Jahre hat sich die Anzahl von Diabetiker:innen im Erwachsenenalter um mehr als das Dreifache erhöht.1

Weiter verschärft wurde die Gesundheitskrise durch die Corona-Pandemie. Bei Typ-2-Diabetiker:innen werden häufiger schwere Krankheitsverläufe beobachtet, die Erkrankten müssen öfter auf der Intensivstation bzw. länger stationär behandelt werden und weisen generell eine höhere COVID-19-Sterblichkeitsrate auf.2

Angesichts der Komplexität dieser Problematik sollten Leistungserbringer, die ihre Diabetesprävention und -behandlung verbessern und gleichzeitig die Kosten sowie die Belastung klinischer Ressourcen senken möchten, einen evidenzbasierten, zielgerichteten Ansatz verfolgen, der die/den Patient:in direkt miteinbezieht.

Vermehrt wird festgestellt, dass Partnerschaften mit Patient:innen die Ergebnisse und die Wirksamkeit der Behandlung verbessern und die Zufriedenheit von Patient:innen und Leistungserbringern erhöhen können.3 Patient:innen sind heute besser informiert und stärker selbstbestimmt. Daher sind der Aufbau vertrauensvoller Patienten-Behandler-Partnerschaften und die aktive Beteiligung von Patient:innen an ihrer Behandlung eine logische Entwicklung in der Gesundheitsversorgung.

Die Diabetes-Risikofaktoren

für Erwachsene über 18 Jahren in den USA, bei denen Diabetes diagnostiziert wurde4:

  • 89% waren übergewichtig
  • 68% hatten Bluthochdruck
  • 43% hatten hohe Cholesterinwerte
  • 38% bewegten sich wenig
  • 15% waren Raucher:innen

Vertrauensvolle Partnerschaften mit Patient:innen führen zu optimierter Behandlung und besseren Ergebnissen

Eine verbesserte Diabetesbehandlung hat für Patient:innen und Leistungserbringer weitreichende Vorteile: Ein optimiertes Diabetesmanagement und eine gute Blutzuckereinstellung können das Risiko schwerer Komplikationen wie Herz-KreislaufErkrankungen, Erblinden, Nierenversagen, Amputation der unteren Gliedmaßen und Schlaganfall sowie deren Kosten deutlich verringern.

Der Gesundheitsausschuss für PatientenPartnerschaften des American College of Physicians hat Grundsätze entwickelt, die die/den Patient:in in den Mittelpunkt der Behandlung stellen. Gleichzeitig erkennen die Grundsätze die Bedeutung von Partnerschaften zwischen Behandlungsteam und Patient:innen für eine verbesserte Gesundheitsversorgung und die Reduzierung von Langzeitfolgen an. „Laut den Grundsätzen sollten Patient:innen und Angehörige mit Würde und Respekt behandelt werden. Sie sind aktive Partner bei allen Aspekten der Behandlung, tragen zur Entwicklung und Verbesserung von Gesundheitsleistungen bei und können als Partner bei der Ausbildung medizinischer Fachkräfte fungieren.“5

Respektvolle Kommunikation, Verständnis und Unterstützung sind wesentliche Komponenten einer wirksamen Diabetesversorgung. Leistungserbringer, die Partnerschaften, Ausbildung und Engagement fördern, sind besser in der Lage, langfristige, authentische und personalisierte Verbindungen zu schaffen, die:

  • zur Vertrauensbildung beitragen
  • die Abstimmung zwischen Patient:innen und Behandlungsteams fördern
  • Patient:innen befähigen, gemeinsam mit Behandelnden evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen

Patient:innen, die sich bei ihrer Behandlung nicht allein gelassen fühlen, sind eher bereit, die Behandlungsempfehlungen zu befolgen und ihre Lebensweise langfristig zu ändern. Das optimiert die Behandlungsergebnisse. Die Therapietreue kann das Risiko schwerwiegender Komplikationen sowie die damit verbundene Belastung der Gesundheitsressourcen verringern.

Für Erwachsene mit Problemen bei der Ernährung besteht das erhöhte Risiko, dass eine Diabeteserkrankung nicht diagnostiziert wird. Erkenntnisse aus der English Longitudinal Study of Aging legen nahe, dass man sich für die frühzeitige Diagnose von Diabetes bei älteren Erwachsenen insbesondere auf Menschen aus niedrigeren sozioökonomischen Schichten konzentrieren sollte.

Die Zahlen aus Deutschland zusammengefasst6:

  • 8,5 Mio. Menschen mit Typ-2-Diabetes
  • 32.000 Kinder und Jugendliche sowie 341.000 Erwachsene mit Typ-1-Diabetes
  • Für 2040 erwarten Expert:innen rund 11,5 Mio. Menschen mit Typ-2-Diabetes

Identifizierung von sozialen Faktoren und Hürden für Veränderungen

Die meisten Patient:innen wissen, dass sie sich gesünder ernähren und abnehmen sollten. Es fällt ihnen aber schwer, ihre Lebensweise und insbesondere Gewohnheiten zu verändern – und damit ihren Lebensstil. Diese Hindernisse müssen jedoch überwunden werden, da Übergewicht einen Hauptrisikofaktor für Diabetes darstellt. Daher sollten sowohl Kinder als auch Erwachsene zur Gewichtskontrolle angehalten werden. Eine Analyse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt, dass jeder US-Dollar, der für die Prävention von Adipositas ausgegeben wird, mehr als das Sechsfache an wirtschaftlichem Nutzen generiert.7

Dabei müssen jedoch die Lebensumstände jeder/jedes Patient:in berücksichtigt werden, die diese Faktoren und seine Fähigkeit zu Veränderungen beeinflussen. Bildungsniveau, finanzielle Situation, kultureller Hintergrund, Transportmöglichkeiten, Zugang zu erschwinglichem Wohnraum und gesunde Ernährung haben direkte Auswirkungen auf die Patientengesundheit und die Höhe der Gesundheitsausgaben.

Laut der International Diabetes Federation wird die Last der Diabetesbehandlung „zunehmend von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen getragen. Besonders stark betroffen sind ärmere, benachteiligte und anfällige Gruppen, darunter indigene Bevölkerungsteile und Minderheiten in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen.“8

Um diese Bevölkerungsgruppen besser zu schützen, müssen Patient:innen bei der Überwindung der bestehenden Hindernisse kreativer unterstützt werden. Wenn beispielsweise Geringverdiener oder ältere Patient:innen keine Möglichkeiten für Mobilität haben, werden ihnen in den USA von manchen Leistungserbringern Angebote für Mitfahrservices und öffentlichen Verkehr bereitgestellt, um Arzttermine wahrzunehmen. Für die gesunde Ernährung kann ein Vermittlungsdienst den Patient:innen bei Bedarf Programme zur Ernährungsumstellung anbieten. Patient:innen, die nicht für ihre Arzneimittelkosten aufkommen können, haben unter Umständen Anspruch auf entsprechende Unterstützungsprogramme.

UpToDate® [klinische Entscheidungshilfe] war uns eine große Hilfe bei der COVID-19-Pandemie, insbesondere für die Patienteneinbindung. Das Unterstützungssystem half uns dabei, Patient:innen mit unkontrolliertem Diabetes über die Risiken schwerer Infektionen, längerer stationärer Aufenthalte und der Aufnahme auf die Intensivstation zu informieren. UpToDate hat unsere Routine für die Behandlung von COVID-19 und Diabetes verändert. Mit der Ressource konnten wir uns über die Behandlungsänderungen auf dem Laufenden halten und Patientenfragen evidenzbasiert beantworten.
Dr Fatima Alsayyah, Facharzt für Endokrinologie Dubai Hospital (DHA)

An einer Partnerschaft sind immer zwei beteiligt: Behandelnde müssen sich über die neuesten Evidenzdaten und Therapien auf dem Laufenden halten

Behandelnde haben ebenfalls einen Beitrag zu einer erfolgreichen Patienten-Partnerschaft zu leisten. Sie können sich über die aktuelle Diabetesforschung und -evidenz sowie über neue Behandlungsmethoden auf dem Laufenden halten und berücksichtigen, dass die klinische Trägheit bei Diabetes sich nachteilig auf die Behandlung auswirken kann.

Neue Evidenzdaten

Die COVID-19-Pandemie hat Mediziner:innen verdeutlicht, dass sie mit der aktuellen DiabetesForschung in Krisenzeiten ebenso wie in ruhigeren Phasen Schritt halten müssen. DiabetesPatient:innen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung. Das Virus scheint zudem komplexe Erscheinungsformen von Diabetes wie diabetische Ketoazidose, hyperosmolarer hyperglykämischer Zustand und hohe Insulinresistenz zu begünstigen.

In einer retrospektiven Studie in den USA lag die Sterberate von Patient:innen mit Diabetes bei 14,8 Prozent und bei Patient:innen mit Diabetes oder unkontrollierter Hyperglykämie bei 28,8 Prozent gegenüber einer Sterberate von 6,2 Prozent bei Personen ohne diese Vorerkrankungen9

Mit einem evidenzbasierten Unterstützungssystem für klinische und arzneimittelbezogene Entscheidungen können Leistungserbringer hingegen sicher sein, dass ihre Diabetesversorgung auf den neuesten Erkenntnissen basiert.

Neue Behandlungsformen

Durch zugelassene Arzneimitteltherapien für Typ-2-Diabetes wurden in den letzten 20 Jahren die Anwendung vereinfacht, die Ergebnisse verbessert und die Nebenwirkungen verringert. Zudem sind effizientere Wirkstoffe verfügbar, die Funktionsstörungen bei Organen oder im Körpersystem beheben können.10

Biosimilar-Insulin, das seit einigen Jahren in vielen Ländern erhältlich ist, wurde nun auch in den USA zugelassen. Im Gegensatz zu Generika, die die gleiche chemische Zusammensetzung wie ihre Markenprodukte aufweisen, sind BiosimilarProdukte „hochgradig ähnliche“ Duplikate des Markenprodukts. Man geht davon aus, dass sie bei jeder/jedem Patient:inn das gleiche klinische Ergebnis sicherstellen.

Im Juli 2021 erteilte die U.S. Food and Drug Administration (FDA) die Zulassung für die erste austauschbare Biosimilar-Version von Insulin. Das Biosimilar-Insulin ist somit in der Apotheke anstelle des langwirksamen Markeninsulins erhältlich, ohne dass eine ärztliche Zustimmung eingeholt werden muss.11

In vielen Ländern durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, dass klinische Trägheit weit verbreitet ist.

Ein Beispiel:

  • Eine Kohortenstudie über Patient:innen mit Typ-2-Diabetes in der britischen Clinical Practice Research Datalink-Datenbank ergab, dass es mehr als drei Jahre dauerte, bis die Behandlung von einem oralen Antihyperglykämikum auf zwei orale Wirkstoffe bei Patienten mit einem HbA1cWert von über 7,0 % intensiviert wurde.
  • Laut einer Studie mit in Städten lebenden Afroamerikanern wurde die Diabetesbehandlung nur bei 50 % der Patientenbesuche intensiviert, obwohl das Behandlungsziel nicht erreicht worden war.
  • Im Rahmen der DAWN-Japan-Studie wurden von der Japanischen DiabetesGesellschaft zertifizierte sowie nicht zertifizierte Fachärzt:innen befragt, um zu erfahren, was Ärzt:innen davon abhält, eine Insulinbehandlung einzuleiten, wenn dies gerechtfertigt ist. Die Gründe wurden als klinisch unbedeutend eingestuft. Dazu zählen Bedenken hinsichtlich der Anwendung der Insulintherapie bei älteren Menschen und Schwierigkeiten bei der Anleitung und Aufklärung von Patient:innen hinsichtlich Insulininjektionen.

Infolge kostengünstigerer Biosimilar- und austauschbarer Insulin-Präparate haben nicht versicherte und unterversicherte Geringverdienende, die ihr Insulin wegen der hohen Kosten rationieren, einen besseren und kostengünstigeren Zugang zu Insulin. Damit wird der Therapieplan strenger und besser eingehalten. Eingehend gepflegte und häufig aktualisierte, evidenzbasierte klinische Arzneimittelinformationen können Ärzt:innen dabei helfen, über die neuesten Diabetes-Medikamente informiert zu bleiben. Sie können außerdem ihren Patient:innen das Konzept der Biosimilar-Präparate und der Austauschbarkeit erklären und etwaige Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit ausräumen.

Anpassung der Therapie durch Blutzuckerkontrolle — Klinische Trägheit ist definiert als die Unterlassung, eine Therapie angemessen zu intensivieren, wenn die Behandlungsziele nicht erreicht werden. Bei der Diabetesbehandlung bedeutet dies, dass der Therapieplan nur zögerlich ergänzt oder geändert wird, wenn der HbA1c-Wert eines Patienten auf eine unzureichende Blutzuckerkontrolle hinweist.

Klinische Diabetes-Trägheit hat viele Gründe,12 darunter:

  • Faktoren aufseiten des Behandelnden — Überschätzung der Behandlungsqualität, Überzeugung, dass eine Intensivierung der Behandlung nicht gerechtfertigt ist, oder Mangel an Material, Zeit und Qualifikationen, um die Therapie angemessen zu intensivieren.
  • Patientenbezogene Faktoren — Verleugnung der eigenen Diabeteserkrankung, Nichteinnahme von Medikamenten oder begrenzte Gesundheitskompetenz.
  • Faktoren aufseiten des Leistungserbringers — begrenzte Ressourcen für Nachuntersuchungen oder zu wenig Behandlungspersonal.

Die langfristigen Komplikationen einer klinischen Trägheit und der Verzögerung der Behandlung sind beträchtlich. Denn eine schlechte Blutzuckereinstellung kann zu diabetesbedingter Retinopathie und anderen mikrovaskulären Ereignissen, zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen Nierenversagen, Amputation der unteren Gliedmaßen, Schlaganfall und Sterblichkeit führen.

Trotz des Zusammenhangs, der zwischen guter glykämischer Kontrolle und der Prävention oder Verzögerung von Folgeerkrankungen besteht, legen Ärzt:innen mit ihren Patient:innen nur selten Ziele für Blutzucker, Blutdruck und Lipide fest. Doch selbst wenn solche Zielwerte vorliegen, wird die Therapie nicht unbedingt beim Verfehlen dieser Behandlungsziele intensiviert.

Mediziner:innen, die Zugriff auf eine aktuelle Diabetesevidenz haben, nehmen solche Anpassungen häufiger vor. Die Bereitstellung evidenzbasierter klinischer Entscheidungs- und Arzneimittelinformationen ist daher eine effiziente Strategie, um die Häufigkeit klinisch bedingter Trägheit und die damit verbundenen Komplikationen und Kosten bei Leistungserbringern zu verringern.

Ein wichtiger patientenbezogener Faktor für klinische Trägheit und die Erreichung des gewünschten Blutzuckerspiegels ist die Nichteinnahme der verschriebenen Medikation. Partnerschaften, die den offenen und ehrlichen Dialog zwischen Patient:innen und Behandelnde fördern, können eine erhöhte Medikamenten-Adhärenz bewirken.

Nachhaltige Programme ermöglichen das Herausführen der Patient:innen aus der Akutbehandlung

Verhaltenstherapeutische Hinweise und benutzerfreundliche Technologien in Programmen zur Patientenbeteiligung können es für Patient:innen einfach und sogar angenehm machen, ihre Behandlungspläne zu befolgen. Dank effizienter urteilsfreier und empathischer Programminhalte können Behandelnde besser auf wichtige Bedürfnisse der Patient:innen für eine erfolgreiche Selbstbehandlung eingehen, die sich auszeichnet durch:

  • Einnahme von Medikamenten gemäß Verschreibung
  • ausgewogene Ernährung und Gewichtsverlust
  • regelmäßige Bewegung
  • Vereinbarung, Einhaltung und Wahrnehmung von Arztterminen
  • Prüfen und Dokumentieren des Blutzuckerspiegels
  • Hinzuziehung von Behandelnden bei psychischen Gesundheitsproblemen
  • Stressmanagement

Mit solchen Programmen lassen sich hervorragende Ergebnisse erzielen. Im Rahmen des National Diabetes Prevention Program (2002) in den USA wurde beispielsweise festgestellt, dass Teilnehmer:innen an einer Initiative zur Lebensstiländerung das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, um 58 Prozent senken konnten.13 Die Vorteile der Diabetesprävention, die verbesserte Gesundheit und die geringeren Gesundheitskosten rechtfertigten weitgehend den Kostenaufwand des Programms.

Laut einer Folgestudie müssen Strategien für ein langfristiges Engagement entwickelt werden, insbesondere für Jugendliche oder Angehörige ethnischer Minderheiten sowie Personen, die wenig körperlich aktiv sind oder weniger schnell an Gewicht verlieren.14 „Als am wirksamsten haben sich Strategien erwiesen, die darauf abzielen, die Teilnehmer:innen nach der ersten Sitzung und während des Übergangs von wöchentlichen zu monatlichen Sitzungen weiter zu motivieren.“

Die Patienteneinbeziehung besteht aus der Schnittmenge von Aufklärung, Motivation und Zugang zu relevanten Informationen, die auf die Ressourcen und Werte der Patient:innen zugeschnitten sind. Sie werden kombiniert mit bewährten, personalisierten Methoden zur Handlungsaufforderung.

Moderne Technologien helfen, Patient:innen wirksam und konsequent einzubinden und dauerhafte Veränderungen zu erreichen, während zugleich die Leistungserbringer ihre Gesundheitsziele umsetzen können. Diese Technologien werden auch dazu beitragen, die Patient:innen durch die Höhen und Tiefen der Behandlung einer chronischen Erkrankung zu begleiten.

Sprachdialogsystem

Dank immer differenzierterer Kenntnisse zur Gestaltung von Sprachschnittstellen klingen automatisierte Anrufe natürlicher, sind weitgehend personalisierbar und auf individuelle Bedürfnisse und Verhaltensweisen zugeschnitten. Die bei den Gesprächen erfassten Daten werden an das Behandlungsteam weitergeleitet, um es darüber zu informieren, wie sich Patient:innen außerhalb des klinischen Umfelds entwickeln und ob sie unter Umständen mehr Unterstützung benötigen.

Ein wichtiges Thema bei der Diabetesversorgung ist beispielsweise die Einhaltung der Medikamenteneinnahme. Eine 2018 durchgeführte OCED-Studie15 zu Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck und Hyperlipidämie zeigte, dass 4 bis 31 Prozent der Patient:innen ihr erstes Rezept nie einlösten. Lediglich 50 bis 70 Prozent der Erkrankten nahmen ihre Medikamente regelmäßig ein. Nachfolgeanrufe durch Sprachdialogsysteme können auf diese Probleme hinweisen und Ärzt:innen veranlassen, Patient:innen telefonisch über die Risiken der Nichteinnahme von Medikamenten aufzuklären oder nachzufragen, ob die damit verbundenen Kosten das eigentliche Problem sind.

Interaktive Programme

Dank Cloud-basierter Programme können Patient:innen mit jedem internetfähigen Endgerät jederzeit und an jedem beliebigen Ort auf Informationen zugreifen. Sie können diese Informationen in ihrem eigenen Tempo verarbeiten, sich Notizen machen und Abschnitte zur Vertiefung nochmals durchlesen. Diese Programme stehen für eine Vielzahl von Geräten zur Verfügung, um den Präferenzen der Patient:innen gerecht zu werden.

Programme mit motivierenden gesprochenen Kommentaren, Animationen und klaren medizinischen Darstellungen vereinfachen komplexe Informationen und unterstützen Patient:innen bei ihrem Umgang mit der Erkrankung. Laut Forschungsergebnissen hat dieser Ansatz bei unterschiedlichen Zielgruppen Erfolg, und zwar unabhängig von sozioökonomischem Status, Bildungsniveau oder Lebensstil16. Die Kombination aus Animation und Begleitkommentaren ist besonders hilfreich, um Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz anzusprechen.

Krankenhaus in Ohio erzielt Ergebnisse mit Diabetes-Beteiligungsprogramm

Summa Health Systems in Akron, Ohio, USA, führte eine interaktive Anrufkampagne durch, um festzustellen, ob Diabetiker:innen eine Untersuchung der Augen in Bezug auf diabetische Retinopathie durchgeführt hatten. Die klinische Einrichtung stellte fest, dass 289 Diabetiker:innen eine „Behandlungsmöglichkeit“ hatten. Das bedeutete, dass entweder eine Untersuchung anstand oder bereits eine Augenuntersuchung durchgeführt wurde und die Patient:innen nur noch die Ergebnisse einreichen mussten. Eine sechswöchige Anrufkampagne führte zu folgenden Ergebnissen:

  • Bei 43 % der erreichten Patient:innen wurde eine Augenuntersuchung durchgeführt. In Folgeanrufen wurde den Patient:innen erklärt, wie sie ihre Ergebnisse an Summa senden konnten.
  • Danach wurden 23 % der Erkrankten aktiv und aktualisierten ihre Unterlagen.
  • In der Folge verbesserte der Leistungserbringer sein Perzentilin der HEDIS17-Rangliste um 13 %.

Umsetzung der Vorteile von Patienten-Partnerschaften: messbare Ergebnisse

Messbare Ergebnisse bei Prävention, Behandlung und Bewältigung von Diabetes können nur durch einen kooperativen Ansatz erzielt werden. Am besten gelingt dies, wenn sowohl Patient:in als auch Behandelnde sich aktiv als Partner in die Behandlung einbringen. Die Pflege von Partnerschaften, die evidenzbasierte klinische Entscheidungshilfen und Arzneimittelinformationen, Patientenaufklärung und Patienteneinbindung umfassen, bietet Leistungserbringern die Grundlage und den Rahmen für die Verbesserung der Behandlungsergebnisse.

Aufklärung und maßgeschneiderte, interaktive Programme können Patient:innen in den verschiedenen Stadien ihrer Diabeteserkrankung unterstützen – von der Diagnose über die erste Behandlung und die Änderung des Lebensstils bis hin zur Langzeitpflege. In Abstimmung mit Behandelnden und Heilplänen können diese Programme die Patient:innen einbinden und dazu anhalten, ihre Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und die Behandlungsergebnisse zu verbessern.

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UpToDate Lexidrug
  1. https://diabetesatlas.org/atlas/tenth-edition/
  2. https://www.uptodate.com/contents/covid-19-issues-related-to-diabetes-mellitus-in-adults?search=diabetes%20covid-19&source=search_%20result&selectedTitle=1~150&usage_type=default&display_rank=1#H1739524332
  3. Wendy K. Nickel, et al. "Principles for Patient and Family Partnership in Care: An American College of Physicians Position Paper“, Annals of Internal Medicine, Dez. 2018: 10,7326: M18-0018 https://www.acpjournals.org/doi/full/10.7326/M18-0018
  4. CDC: National Diabetes Statistics Report, 2020 (Risikofaktordaten 2013-2016)
  5. Nickel, “Principles for Patient and Family Partnership in Care: An American College of Physicians Position Paper”
  6. Quelle: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2022
  7. “The Heavy Burden of Obesity: The Economics of Prevention,” Executive summary. OECD-iLibrary. https://www.oecd-ilibrary.org/sites/67450d67-en/index.html?itemId=/content/publication/67450d67-en
  8. International Diabetes Federation: Rights and responsibilities of people with diabetes, Mai 2019 https://www.idf.org/52-about-diabetes/43-rights-and-responsibilities.html
  9. https://www.uptodate.com/contents/covid-19-issues-related-to-diabetes-mellitus-in-adults?search=diabetes%20covid-19&source=search_ result&selectedTitle=1~150&usage_type=default&display_rank=1#H1739524332
  10. Cassie Homer, “Diabetes drugs approved in past decade are game changers, with room to improve,” EndocrineToday, März 2017. https://www.healio.com/news/endocrinology/20170308/diabetes-drugs-approved-in-past-decade-are-game-changers-with-room-to-improve
  11. Mike Hoskins, „Hello Semglee: New Low-Priced ‘Interchangeable’ Insulin Is First of Its Kind“, Healthline.com, Diabetes Mine, Aug. 2021. https://www.healthline.com/diabetesmine/new-low-cost-interchangeable-semglee-insulin?c=925429413310
  12. Susan l. Karam, et al. „Overview of Therapeutic Inertia in Diabetes: Prevalence, Causes, and Consequences“, Diabetes Spectrum, Februar 2020; 33(1):8-15. https://spectrum.diabetesjournals.org/content/33/1/8
  13. The Diabetes Prevention Program (DPP) Research Group. „Description of lifestyle intervention.“ Diabetes Care, Dez. 2002; 25(12): 2165-2171. https://care.diabetesjournals.org/content/25/12/2165.long
  14. Michael J. Cannom, et al. „Retention Among Participants in the National Diabetes Prevention Program Lifestyle Change Program, 2012–2017,“ Diabetes Care, September 2020; 43(9): 2042-2049. https://care.diabetesjournals.org/content/43/9/2042
  15. Directorate for Employment, Labour and Social Affairs Health Committee, OEDC Health Working Paper Nr. 105, 22. Juni 2018. https://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=DELSA/HEA/WD/HWP(2018)2&docLanguage=En
  16. Meppelink C, et al. „The Effectiveness of Health Animations in Audiences with Different Health Literacy Levels: An Experimental Study.“ J Med Internet Res 2015;17(1): e11. https://www.jmir.org/2015/1/e11/
  17. Healthcare Effectiveness Data and Information Set (HEDIS) — eine umfassende in den USA verwendete Reihe von standardisierten Leistungskennziffern
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