Recht & Verwaltung30 November, 2025

Interview mit Dr. Gerhardt zur 13. Auflage des Handbuch Familienrecht

Acht Fragen an Dr. Peter Gerhardt zur bevorstehenden 13. Auflage seines Standardwerks „Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch Familienrecht“.

Acht Fragen an Dr. Peter Gerhardt zur bevorstehenden 13. Auflage seines Standardwerks „Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch Familienrecht“.

Herr Dr. Gerhardt, wie hat sich Ihrer Ansicht nach das Familienrecht während Ihrer Herausgeberschaft in den letzten Jahrzehnten verändert?

Dr. Peter Gerhardt: Leider haben sich die Konflikte im Sorge- und Umgangsrecht trotz aller Bemühungen des Gesetzgebers, alles zu vereinfachen, immer mehr verschärft. Im Alltag der Familiengerichte bindet dieser Teil der Streitigkeiten überproportional viel Arbeitszeit der Familiengerichte. Hintergrund sind m.E. vielfach nur finanzielle Fragen (Unterhalt für die Kinder) und ein Streit um das Rechthaben (wer hat die Trennung verursacht usw.). Außerdem besteht inzwischen die Tendenz, für Berechnungen nur noch Rechenprogramme zu verwenden mit der Gefahr, viele Probleme zu übersehen und vor allem bei Ermessensentscheidungen kein Ermessen mehr auszuüben.

Gab es bestimmte Gesetzesreformen oder Gerichtsurteile, die Sie als besonders prägend für das Familienrecht empfunden haben?

Dr. Peter Gerhardt: Gesetzesreformen: Unterhaltsreform 2008 mit der Stärkung der Eigenverantwortung im Unterhaltsrecht und dem Hinweis auf den Vereinfachungsgrundsatz. Gerichtsurteile: Gleichwertigkeit der Berufstätigkeit und Familienarbeit in der Ehe, BGH FamRZ 2001, 968 und BVerfG FamRZ 2002, 527; Urteil zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, BGH FamRZ 2004, 601.

Welche Herausforderungen oder Konflikte haben Sie bei der fachlichen Leitung bzw. Herausgeberschaft und Weiterentwicklung des Werks immer wieder beschäftigt?

Dr. Peter Gerhardt: Berücksichtigung der Gleichberechtigung; ausufernde Gesetzeslage; zu viel Theorie und zu wenig praktisches Denken.

Wie sehen Sie die Rolle von Fachliteratur und Kommentaren bei der Rechtsfortbildung im Familienrecht?

Dr. Peter Gerhardt: Fachliteratur hat einen großen Stellenwert, da bei dem großen Spektrum des Familienrechts auch Spezialisten nicht alle Probleme der einzelnen Gebiete einschließlich der dazu gehörenden umfangreichen Rechtsprechung beherrschen können.

Gibt es ein Kapitel oder Thema in Ihrem Werk, auf das Sie persönlich besonders stolz sind oder das Ihnen besonders am Herzen liegt?

Dr. Peter Gerhardt: Meine Laufbahn als Autor habe ich mit meinem Freund und Mitherausgeber Bernd von Heitschel-Heinegg 1988 mit der Herausgabe des JA-Buches „Materielles Scheidungsrecht“ begonnen. Wir hatten uns in Fischbachau auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaftsleiter kennengelernt und dabei festgestellt, dass es für das neue Prüfungsgebiet Familienrecht keine geeignete Literatur für die Referendare gibt. Ich übernahm in dem Buch das Unterhaltsrecht und habe neun Monate an meinem Teil jeden Samstag gearbeitet. Das Buch wurde sofort ein großer Erfolg und nicht nur von Referendaren, sondern auch von vielen Richtern und Rechtsanwälten zum Einstieg in das Familienrecht gekauft. Seither galt ich als Unterhaltsspezialist und wurde von der Anwaltskammer gebeten, als Referent in diesem Bereich tätig zu sein.

Dies verstärkte sich, als 1995 der Fachanwalt Familienrecht eingeführt wurde und ich daraufhin für die GJI (Gesellschaft für Juristen-Information) vorwiegend im Süden Referent im Unterhaltsrecht für Lehrgänge zum Fachanwalt wurde. Mit der Einführung des Fachanwalts beschlossen Bernd von Heitschel-Heinegg, Rechtsanwalt Michael Klein und ich, die JA-Hefte zu beenden und stattdessen das Handbuch Familienrecht herauszugeben, wobei ich in den ersten Auflagen das Herzstück des Buches, das Unterhaltsrecht, alleine bearbeitet habe.

Welche Impulse wünschen Sie sich für die zukünftige Entwicklung des Familienrechts in Deutschland?

Dr. Peter Gerhardt: Es müsste wieder mehr versucht werden, die Verfahren zu vereinfachen. Es ist vieles zu kompliziert geworden, zum Teil leider auch die obergerichtliche Rechtsprechung.

Was war für Sie die größte persönliche Motivation, dieses Werk über so viele Jahre hinweg zu begleiten und weiterzuentwickeln?

Dr. Peter Gerhardt: Ich war ab 1984 Familienrichter, zunächst am Familiengericht München und ab 1990 am Oberlandesgericht bis zu meiner Pensionierung 2006. Ab meiner Pensionierung war ich bis Ende 2024 als Schiedsrichter des Süddeutschen Familienschiedsgerichtes tätig. Bis 2020 war ich als Referent auf Fortbildungsveranstaltungen für Richter und Rechtsanwälte tätig. Seit 1984 war ich auf allen Familiengerichtstagen. Deshalb bin ich weiterhin an allen Entwicklungen und Reformen im Familienrecht sehr interessiert.

Mit der 13. Auflage endet Ihre Herausgeberschaft – was möchten Sie Ihren Nachfolgerinnen und Nachfolgern sowie der Leserschaft mit auf den Weg geben?

Dr. Peter Gerhardt: Familienrecht leben, nicht nur mit Rechenprogrammen und Theorie, sondern mit praktischem Blick und selbständigen Durchdenken der einzelnen Probleme und Ausübung des Ermessensspielraums; weniger Streitigkeiten um Sorge- und Umgangsrecht. Entwicklung einer Leidenschaft für die umfangreichen und auch menschlich immer interessanten Probleme im Familienrecht.

Bildnachweis: GettyImages/stock.adobe.com

Dr. Peter Gerhardt
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht a.D., Mitglied des Beirats der Zeitschrift FuR (Familie und Recht)

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