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Recht & Verwaltung27 Dezember, 2022

BAG: Ist Bezugspunkt der tariflichen Jahressonderzahlung allein das laufende Arbeitsverhältnis?

von Torsten Herbert, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands NRW

Woraus ergibt sich der Referenzzeitraum für die tarifliche Jahressonderzahlung?

Die Parteien streiten über die Höhe der Jahressonderzahlung für das Jahr 2019.

Die Klägerin war seit 2005 bei dem beklagten Land als Lehrkraft auf Grundlage des TV-L mit einem Stundenumfang von 21 Wochenstunden und einem Bruttomonatsentgelt von 5.408,60 Euro (Entgeltgruppe 13 TV-L) beschäftigt.

Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze mit dem 31.07.2019.

Unter dem 05.07.2019 schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 11.06.2020. Die Beschäftigung erfolgte im Umfang von vier Wochenstunden bei einem Bruttomonatsentgelt nach Entgeltgruppe 13 TV-L in den Monaten August und September 2019 iHv. 881,99 Euro.

Mit der Abrechnung für den Monat November 2019 erhielt die Klägerin eine Jahressonderzahlung iHv. 428,12 Euro brutto, die auf Grundlage des Bruttoentgelts der Monate August und September 2019 errechnet wurde. Eine höhere, unter Berücksichtigung auch des Bruttoentgelts des Monats Juli 2019 errechnete Sonderzahlung lehnte das beklagte Land ab.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin zum LAG blieb ebenso ohne Erfolg wie deren Revision zum BAG.

BAG entscheidet: Bemessungszeitraum bestimmt sich allein nach dem laufenden Arbeitsverhältnis

Die Klägerin hat für das Jahr 2019 keinen Anspruch auf eine höhere Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L. Der Bemessungszeitraum bestimmt sich allein nach dem anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis. Deshalb war nur das monatliche Entgelt aus der Zeit vom 01.08. bis zum 30.09.2019 zu berücksichtigen.

Nach § 20 Abs. 1 TV-L haben Beschäftigte Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, wenn sie am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen. Die Höhe der Jahressonderzahlung errechnet sich nach § 20 Abs. 2 Satz 1 TV-L aus dem Bemessungssatz, der mit der Bemessungsgrundlage multipliziert wird. Bemessungsgrundlage und Bemessungssatz werden in § 20 Abs. 3 TV-L bestimmt. § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L sieht vor, dass als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung nach § 20 Abs. 2 TV-L grundsätzlich auf das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt abzustellen ist.

Um diese Bemessungsgrundlage zu ermitteln, können als Bemessungszeitraum nur Zeiten des anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnisses herangezogen werden. Dessen Bedingungen sollen sich in der Höhe der Jahressonderzahlung abbilden. Zeiten einer früheren Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber sind grundsätzlich unerheblich.

Das vorhergehende Arbeitsverhältnis der Parteien hat nach § 33 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 44 Nr. 4 TV-L mit Ablauf des 31.07.2019 geendet; ein Hinausschieben der Altersgrenze nach § 41 Satz 3 SGB VI ist nicht erfolgt. Vielmehr schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 01.08.2019 einen neuen, befristeten Arbeitsvertrag zu veränderten Arbeitsbedingungen.

Damit handelt es sich nicht um eine bloße Abänderung und Fortführung des ursprünglichen Arbeitsvertrags, sondern um ein neues Arbeitsverhältnis im Tarifsinn. Für Zwecke der Bestimmung der zutreffenden Höhe der Jahressonderzahlung ist deshalb ausschließlich auf die Höhe des Bruttomonatsentgelts während des Laufs dieses Arbeitsverhältnisses abzustellen.

Ob zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang bestand, ist für die Anwendung des § 20 TV-L unerheblich.

Soweit die Revision zuletzt meint, das beklagte Land habe die Klägerin getäuscht und seine Fürsorgepflicht verletzt, kann sich daraus kein anderes Verständnis des § 20 TV-L und kein höherer Anspruch auf eine Jahressonderzahlung ergeben. Andere Ansprüche sind nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Praktische Bedeutung des BAG Urteils vom 27.04.2022 – 10 AZR 4000/20 –

Mit dem vorstehenden Urteil stellt das BAG klar, dass es für die Berechnung der Höhe der tariflichen Jahressonderzahlung allein auf das laufende Arbeitsverhältnis ankommt – nicht auf ein ggf. unmittelbar vorhergehendes, rechtlich jedoch beendetes Arbeitsverhältnis – auch wenn dieses sich noch auf einen tariflichen Referenzmonat für die Berechnung erstreckt (vgl. hierzu die Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 TV-L bzw. zu § 20 Abs. 2 TVöD).

Die Entscheidung ist zwar zum Anwendungsbereich des TV-L ergangen – wegen der insoweit wortgleichen Regelungen jedoch auch auf denjenigen des TVöD anzuwenden.
Torsten Herbert

Torsten Herbert

Rechtsanwalt und Geschäftsführer des kommunalen Arbeitgeberverbands NRW. Er führt Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht und ist Chief Editor und Autor der eGovPraxis Personal.
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