Prof. Dr. Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D.
Der Antragsteller legt eine Rechnung seines Versicherers vor, aus der hervorgeht, dass Beiträge jährlich zu zahlen sind.Sollte bei der Leistungsberechnung der Beitrag für eine Hausrat- oder Haftpflichtversicherung (trotzdem) monatlich zu je einem Zwölftel oder nur einmalig berücksichtigt werden? Gibt es diesbezüglich eine rechtliche Regelung?
Zur abstrakten Abzugsfähigkeit der angesprochenen Versicherungen
Nach § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII sind „Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind“ von dem Einkommen abzusetzen.Als »dem Grunde nach angemessene Versicherungen« kommen insbesondere Hausrat- und Privathaftpflichtversicherungen in Betracht. Der Abzug von (angemessenen) Beiträgen von Hausrat- oder Haftpflichtversicherungen vom Einkommen wirft also keinerlei grundsätzliche Fragen auf.
Zur konkreten Berücksichtigung der Beiträge
Wenn Monatsbeiträge zu den Versicherungen zu zahlen sind, wirft deren Abzug vom Einkommen im jeweiligen Monat keine Probleme auf.
Über die Berücksichtigung von Jahresbeiträgen, insbesondere zur Frage, ob die Jahresbeiträge im jeweiligen Monat der Fälligkeit insgesamt zu berücksichtigen oder auf die einzelnen Monate umzulegen sind, enthalten das SGB XII und die DVO zu § 82 SGB XII keine ausdrückliche Regelung.
Ausgehend vom »Monatsprinzip« (der Berücksichtigung von Bedarfen, Einkommen usw. sowie die Ermittlung des sich daraus ergebenden Anspruchs auf Sozialhilfe im jeweiligen Monat) sind einmal jährlich zu zahlende Beiträge im jeweiligen Monat der Fälligkeit insgesamt zu berücksichtigen. Das Monatsprinzip wurde vom BSG jüngst noch einmal bestätigt (BSG vom 16.02.2022 - B 8 SO 17/20 R - Rn. 19). Eine Aufteilung von Jahresbeiträgen für Versicherungen, die in einem Monat fällig werden, auf mehrere Monate, z.B. durch Zwölfteln, ist danach nicht zulässig. So lautet auch die Aussage in dem einschlägigen Urteil des BSG vom 04.04.2019 - B 8 SO 10/18 R - Rn. 23.
Eine solche Berücksichtigung in einem Monat führt jedoch zu einem gewissen Verwaltungsaufwand, da die Bewilligungsbescheide und Zahlungsanweisungen entsprechend zu ändern sind. Zur Begründung einer vom Monatsprinzip abweichenden Aufteilung des Jahresbeitrags auf mehrere Monate kann sich allenfalls auf Schellhorn u.a., SGB XII, § 82 Rn. 53 bezogen werden:
»Ein Abzug fiktiver Beträge wird von Abs. 2 nicht eröffnet. Den Trägern der Sozialhilfe ist es allerdings nicht verwehrt, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens weitere Absetzungen vom Einkommen der Leistungsberechtigten vorzunehmen, wenn dies nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles gerechtfertigt scheint. Auf einen solchen (im Gesetz nicht vorgesehenen) Abzug haben diese jedoch keinen Anspruch.« |
Ergänzend ist auf die Rechtslage zum SGB II hinzuweisen. Dort gibt es aufgrund derselben Gesetzeslage und der auf das Monatsprinzip pochenden Rechtsprechung des BSG mittlerweile eine Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Bürgergeld-Verordnung nach der »von dem Einkommen Leistungsberechtigter monatlich ein Betrag in Höhe eines Zwölftels der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Leistungsanspruch nachgewiesenen Jahresbeiträge zu den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des SGB II (= § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII) abzusetzen ist«.
Bemühungen, im aktuell laufenden Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze (BT-Drucks. 20/8344) eine Übertragung dieser Regelung aus der Bürgergeld-Verordnung ins SGB XII oder die DVO zu § 82 SGB XII zu erreichen, sind leider gescheitert. Denn: Das Gesetzgebungsverfahren sei schon zu weit fortgeschritten.
Fazit
- Anzuraten ist daher grundsätzlich ein Vorgehen nach dem Monatsprinzip. Also: Die Berücksichtigung von einmal jährlich zu zahlenden Beiträgen im jeweiligen Monat der Fälligkeit und keine Verteilung auf das ganze Jahr.
- Sollte aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität anders vorgegangen werden, so bestehen in einem Gerichtsverfahren aufgrund der Rechtsprechung des BSG erhebliche Risiken. Um eine solche Position zu begründen, kann dann nur auf die obige Kommentarstelle und auf eine analoge Anwendung der Regelung in der Bürgergeld-Verordnung verwiesen werden.
Anmerkung der Redaktion
Beachten Sie vertiefend hierzu auch die Ausführungen unseres Autors, Herr Michael Wesemann, in der eGovPraxis Sozialhilfe: