Voraussichtliche Änderungen beim Vermögen im SGB II und SGB XII durch das geplante Bürgergeldgesetz
Recht & Verwaltung22 November, 2022

Voraussichtliche Änderungen beim Vermögen im SGB II und SGB XII durch das geplante Bürgergeldgesetz

Dr. Hans-Heiner Gotzen, Erster Beigeordneter und Sozialdezernent der Stadt Erkelenz

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf eines Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) - enthält auch Änderungen bezüglich des Vermögens und der Vermögensanrechnung.

Redaktioneller Nachtrag aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 23.11.2022:

  • Die sogenannte „Karenzzeit“ soll statt zwei Jahren ein Jahr betragen.

  • Die Grenzen des Schonvermögens sollen betragen:
    • 40.000 € (statt 60.000 €) für die leistungsberechtigte Person und
    • 15.000 € (statt 30.000 €) für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person.
  • Bei Wohneigentum sollen auch höhere Wohnflächen (statt der bis zu 140 Quadratmeter für ein selbstgenutztes Haus bzw. bis zu 130 Quadratmeter für eine selbstgenutzte Eigentums-wohnung) zum Schonvermögen gerechnet werden, sofern andernfalls eine besondere Härte entstünde.


Geplante Änderungen zum Thema:
Vermögen | SGB II

Die beabsichtigten Neuregelungen im SGB II sehen eine Verankerung eines Elements der Sonderregelungen zum erleichterten Zugang zu Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch während der Corona-Pandemie vor: Die Einführung einer sogenannten „Karenzzeit“.

So soll zukünftig Vermögen innerhalb der ersten zwei Jahre ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach dem SGB II erbracht werden, nur dann berücksichtigt werden, wenn es erheblich ist. Nach Ablauf der Karenzzeit sind die Freistellungsmöglichkeiten für Vermögen im Vergleich zum bisherigen Recht erweitert, indem die bisher geltenden Freibeträge erhöht, ergänzt und gleichzeitig weitgehend vereinfacht werden.

Vermögen ist erheblich und kann gleichwohl während der Karenzzeit angerechnet werden, wenn es in der Summe

  • 60.000 Euro für die leistungsberechtigte Person
  • sowie 30.000 Euro für jede weitere Person, die mit der leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,

übersteigt. Hierbei ist es möglich, nicht ausgenutzte Beträge zwischen den Personen in der Bedarfsgemeinschaft zu übertragen.

Durch Einführung einer Vermutungsregelung soll der Leistungsträger davon ausgehen, dass der Leistungsbegehrende über nicht erhebliches Vermögen verfügt, soweit er dies im Antrag erklärt.

Wie bei der Vermögensberücksichtigung nach Ablauf der Karenzzeit werden in der zukünftigen Version des § 12 Absatz 3 SGB II Vermögensgegenstände benannt, die nicht zu berücksichtigen sind. Um das Ziel einer belastungsfreien Karenzzeit zu erreichen, sind selbst genutzte Hausgrundstücke oder Eigentumswohnungen während dieser Zeit stets nicht zu berücksichtigen. Liegt erhebliches Vermögen vor, werden für die dann durchzuführende Vermögensprüfung die Freibeträge nach Absatz 3 durch die während der Karenzzeit erhöhten Beträge ersetzt.

Deutlich vereinfacht und erweitert sind die Möglichkeiten, Vermögensgegenstände auch außerhalb der Karenzzeit von der Vermögensberücksichtigung auszunehmen: So fällt beispielsweise die bisherige Angemessenheitsprüfung für ein Kraftfahrzeug weg, sodass jedes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person anrechnungsfrei bleibt.

Neu aufgenommen ist die Anrechnungsfreistellung von Versicherungsverträgen, die für die Altersvorsorge bestimmt sind. Hierzu gehören auch alle Versicherungsverträge in der nach Bundesrecht ausdrücklich geförderten Altersvorsorge („Riester“).

Neu eingefügt wurde auch der Schutz von Altersvorsorgevermögen für Selbständige. Für diese Personengruppe ist vorgesehen, Altersvorsorgevermögen in angemessener Höhe unabhängig von der Anlageform zu schützen. Der Begriff der Angemessenheit orientiert sich hierbei an der Beitragszahlung zur allgemeinen Rentenversicherung bei einem Verdienst in Höhe des Durchschnittsentgelts. Dazu wird auf den im Zeitpunkt der Antragsstellung gültigen Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung und das letzte verfügbare endgültige Durchschnittsentgelt nach Anlage 1 des Sechsten Buches abgestellt. Der sich ergebende Betrag wird auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet.

Selbst genutzte Hausgrundstücke sowie Eigentumswohnungen bleiben auch weiterhin von einer Anrechnung ausgenommen. Der Gesetzgeber definiert nunmehr jedoch ausdrücklich unter welchen Bedingungen dies der Fall ist und überlässt die Festlegung des bislang vorhandenen Begriffs der „Angemessenheit“ nicht mehr der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis:

  • So ist ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern

    oder

  • eine Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern geschützt.

Mit der Neuregelung werden die Angemessenheitsgrenzen zudem teilweise von der Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner entkoppelt. Zwar werden die Angemessenheitsgrenzen (wie nach der Rechtsprechung auch bislang schon) bei mehr als vier Bewohnerinnen und Bewohnern für jede und jeden weiteren um jeweils 20 Quadratmeter erhöht. Wiederum in Anlehnung an das II. Wohnungsbaugesetz findet eine Verringerung der Angemessenheitsgrenze bei weniger als vier Bewohnerinnen und Bewohnern dagegen nicht mehr statt.

Wegen der großzügigeren Regelungen zur Vermögensfreistellung sieht die gesetzliche Neuregelung eine Vereinfachung der Freibeträge vor: Künftig gilt ein Freibetrag in Höhe von 15.000 Euro je Person in der Bedarfsgemeinschaft, unabhängig vom Lebensalter. Aus Vereinfachungsgründen wird die Übertragung von nicht ausgenutzten Freibeträgen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zugelassen.

Geplante Änderungen zum Thema:
Vermögen | SGB XII

Die geplanten Neuregelungen im SGB XII beschränken sich auf die Erweiterung der Vermögensfreistellungsvorschriften auf angemessene Kraftfahrzeuge. Bislang gehören Kraftfahrzeuge im SGB XII grundsätzlich nicht zum geschützten Vermögen. Nur ausnahmsweise sind Kraftfahrzeuge von einer Anrechnung ausgenommen.

In Orientierung an die bislang geltende Regelung in § 12 Absatz 3 Nummer 2 SGB II soll zukünftig ein angemessenes Kraftfahrzeug nunmehr auch in der Sozialhilfe von der Anrechnung freigestellt werden. Unter Berücksichtigung der bisherigen Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung im SGB II ist davon auszugehen, dass ein Kraftfahrzeug, welches einen Verkehrswert von 7.500 Euro nicht überschreitet, angemessen ist.

Zugleich mit dem neuen Bürgergeldgesetz wird auch die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch geändert und der bisher geltende kleine Barbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von 5.000 Euro auf 10.000 Euro erhöht.

Anmerkung der Redaktion:

Beachten Sie bitte auch die weiteren Beiträge zum geplanten Bürgergeldgesetz sowie zu den Änderungen, die damit für die Praxis einhergehen:

Autor:
Dr. Hans-Heiner Gotzen

Dr. Hans-Heiner Gotzen ist erster Beigeordneter und Sozialdezernent der Stadt Erkelenz. Nebenberuflich ist er als Autor und Dozent zu den Themen SGB XII und SGB II tätig und bundesweit als Experte zum Thema Bestattungskosten bekannt. Bei Wolters Kluwer Deutschland schreibt er dazu sowie zum Thema Vermögen in eGovPraxis SozialhilfeeGovPraxis Jobcenter und im Modul Verwaltungspraxis.

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