Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Arbeitswelt in nahezu allen Branchen grundlegend, einschließlich der Steuerberatung. Viele Prozesse, die bisher von Hand erledigt wurden, können durch KI automatisiert oder effizienter gestaltet werden. Die gewonnene Produktivität kann neue Tätigkeitsfelder eröffnen oder dem Fachkräftemangel in der Steuerberatung entgegenwirken.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es essenziell, sich mit KI auseinanderzusetzen und sie zu nutzen. Auch wenn deutsche Steuerexperten laut einer Studie von Wolters Kluwer mit 36 % dabei den höchsten Anteil in Europa haben, so wirkt sich der durch ChatGPT ausgelöste KI-Boom mit Generativer KI (GenAI) bei deutschen Unternehmen, basierend auf ihrer subjektiven Interpretation, noch kaum aus. (Siehe Pressemitteilung: KI-Einsatz stagniert in deutschen Unternehmen | ZEW)
Chancen
Künstliche Intelligenz bietet zahlreiche Möglichkeiten, die Arbeit in einer Steuerkanzlei zu optimieren. Sprachmodelle haben das Verständnis von Text durch IT-Systeme revolutioniert. KI kann Inhalte verstehen und erstellen und damit Prozesse unterstützen, die noch vor wenigen Jahren Menschen vorbehalten waren. Beispiele:
- Den Sachverhalt eines Belegs verstehen und steuerlich einordnen.
- Das Urteil zu einem Steuerverfahren lesen, die Betroffenheit eines Mandanten überprüfen und ihm das Urteil ohne Fachbegriffe und angepasst auf seine konkrete Situation erläutern.
- Den Mandanten auffordern, Belege nachzureichen und anschließend überprüfen, ob alles Angeforderte auch geliefert wurde.
- Aufbereiten und Erläutern von Daten sowie Erstellen von Berichtsinhalten.
Alles, was mit textuellen Inhalten und Kommunikation zu tun hat, kann bereits heute mit KI angereichert werden. Besonders die Möglichkeit zur Individualisierung bietet einen erheblichen Mehrwert: Die Berücksichtigung von Vorwissen, Präferenzen und spezifischem Kontext steigert den Wert der Inhalte für Verwender signifikant. Man stelle sich vor, alle Lernmaterialien wären immer genau so aufbereitet, wie man selbst am besten lernt.
Künstliche Intelligenz ist jedoch nicht nur für die Verarbeitung von Text geeignet. Ursprünglich war Datenanalyse die Paradedisziplin von KI, die jetzt zusammen mit den Sprachfähigkeiten neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Die Fähigkeit, in einer natürlichsprachlichen Konversation Daten zu analysieren, Muster oder Auffälligkeiten zu erkennen und diese verständlich zu erläutern, eröffnet neue Perspektiven. So lassen sich bspw.
- Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten in der Buchführung entdecken,
- Fehler identifizieren, bevor sie weitergegeben werden,
- Beratungspotenziale identifizieren und maßgeschneiderte Leistungen anbieten,
- Prognosen erstellen, Empfehlungen ableiten und Entscheidungen unterstützen.
- Das steigert die Qualität der Arbeitsergebnisse, reduziert Risiken und erschließt neue Mehrwerte.
Herausforderungen
Obwohl der Einsatz von KI großes Optimierungspotenzial bietet, bringt er auch Herausforderungen mit sich. KI-Modelle sind stochastische Näherungen an die gestellten Aufgaben und können daher Fehler machen. Das ist aber nicht grundsätzlich neu, Fehler passieren jedem. Entscheidend ist vielmehr der Umgang damit und allgemein mit den Konsequenzen des KI-Einsatzes:
- Qualifikation: Die beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse eines neuen Mitarbeiters sind ein wichtiges Element für dessen Arbeitsergebnisse. Auch KI-Lösung sollten nach ihren aufgabenbezogenen Fähigkeiten und der Vertrauenswürdigkeit des Anbieters, diese stabil bereitzustellen, ausgewählt werden.
- Operativ Kontrolle: Arbeitsergebnisse müssen, je nach den Erfahrungen, mehr oder weniger intensiv kontrolliert werden. Wie Mitarbeiter entwickeln sich KI-Systeme oft mit der Zeit weiter. Wenn Kontrollmaßnahmen dann regelmäßig überprüft werden, werden sie zur echten Unterstützung.
- Veränderung der Tätigkeit: Werden Aufgaben delegiert, ändert sich auch die eigene Tätigkeit: Von der Durchführung von Arbeitsschritten hin zu mehr Kontrolle der Ergebnisse. Skeptische Mitarbeitende sind durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen.
Werden Arbeitsschritte an eine Künstliche Intelligenz delegiert, sollte man das wohlüberlegt tun. Von der Auswahl über die Ergebniskontrolle bis zum Changemanagement gibt es jedoch bekannte Ansätze, um Auswirkungen und Risiken zu kontrollieren. Verantwortlich bleibt am Ende der Berufsträger.
Dem Thema Datensicherheit und Datenschutz muss im Kontext KI noch besondere Beachtung geschenkt werden. Der Schutz sensibler Mandantendaten hat höchste Priorität. Kanzleien und Unternehmen müssen sicherstellen, dass KI-Systeme den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, kein unbefugter Zugriff auf vertrauliche Informationen erfolgt und Daten nur zum vereinbarten Zweck verarbeitet werden. Während sich gerade freie Angebote die Nutzung oft durch Daten bezahlen lassen und daher die Anforderungen häufig nicht erfüllen, gibt es auch vertrauenswürdige Lösungen, die eine konforme Nutzbarkeit ermöglichen. Jede Kanzlei sollte im Rahmen ihrer KI-Richtlinie klarstellt, welche Lösungen geeignet sind.
Zusammenfassung
Die Arbeitsprozesse in den Steuerkanzleien werden sich mit dem zunehmenden Einsatz von KI wieder einmal verändern. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Steuerberater und Kanzleimitarbeiter lernen, KI-Systeme effektiv zu nutzen. Künstliche Intelligenz verstärkt das Potenzial aus der Digitalisierung von Prozessen, ermöglicht die Automatisierung von weiteren Arbeitsschritten und unterstützt die Bearbeitung von Inhalten und Kommunikationsvorgängen. Dennoch bleibt die menschliche Expertise unersetzlich. Zusammen bietet sich eine große Chance auf neue Wertschöpfung.
Begriffserläuterungen
Künstliche Intelligenz: Sie bezeichnet die Nachbildung menschlicher Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität durch Maschinen. In der Automatisierung übernimmt KI Aufgaben, prüft Ergebnisse und trägt zur Prozessoptimierung bei – sie entlastet Mitarbeitende und erhöht die Effizienz.
Maschinelles Lernen: Es ermöglicht KI-Systemen, menschliche Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei analysieren Algorithmen Trainingsdaten, erkennen Muster, erfassen Zusammenhänge und erstellen Vorhersagen. Ein Beispiel dafür sind Spam-Filter, die solche Verfahren seit Langem nutzen.
Deep Learning: Diese fortgeschrittene Form des Maschinellen Lernens verwendet künstliche neuronale Netze, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns aufgebaut sind.
Reinforcement Learning: Hierbei lernt ein System durch Rückmeldungen, gewünschte Ergebnisse zu verstärken und unerwünschte zu vermeiden. Wird das Feedback von Menschen gegeben, spricht man von „Human in the Loop“.
Generative KI: Sie umfasst Systeme, die neue Inhalte wie Texte, Bilder, Musik, Gedichte oder Softwarecode erzeugen. Die durch Deep Learning erlernten Zusammenhänge werden mit Zufallselementen kombiniert, um immer neue Ergebnisse zu schaffen.
Sprachmodelle: Sie bilden die Basis für textbasierte Generative-KI-Systeme. Diese Modelle haben Bedeutungen und Zusammenhänge von Sprache erlernt. Häufig wird zusätzlich Reinforcement Learning eingesetzt, um gewünschtes Verhalten wie das Beantworten von Fragen oder das Befolgen von Anweisungen zu trainieren.
Multimodale Modelle: Sie verarbeiten nicht nur Text, sondern auch andere Eingabeformen wie Bilder, Audio oder Video. Diese können sowohl als Eingabe- als auch als Ausgabeform genutzt werden.