Recht & Verwaltung19 Juni, 2025

Bauprozesse vor dem Commercial Court

Seit April 2025 können Bauprozesse ab 500.000 € direkt vor spezialisierten Commercial Courts an den OLGs Düsseldorf, Hamburg und Berlin geführt werden – ohne zweite Tatsacheninstanz. Das Verfahren ist schnell, flexibel und auf Wunsch vollständig auf Englisch möglich.

VRiKG Björn Retzlaff

Das Justizstandortstärkungsgesetz macht es möglich: Seit April sind an mehreren deutschen Oberlandesgerichten Commercial Courts eingerichtet worden, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern mit einem Streitwert ab 500.000 € angerufen werden können. An drei Standorten, nämlich an den Oberlandesgerichten Düsseldorf und Hamburg sowie dem Kammergericht, gibt es seither Commercial Courts, die explizit für baurechtliche Streitigkeiten zuständig sind.

In der Berichterstattung stand häufig im Vordergrund, dass Rechtsstreitigkeiten am Commercial Court vollständig in englischer Sprache geführt werden können. Dies stellt in der Entwicklung unseres Justizsystems definitiv einen Einschnitt dar. Für die Parteien baurechtlicher Streitigkeiten in Deutschland dürfte aber ein anderer Gesichtspunkt wichtiger und interessanter sein: Mit dem Commercial Court ist die Möglichkeit eröffnet, einen Bauprozess mit nur einer Tatsacheninstanz zu führen, und dies vor dem spezialisierten Senat eines Oberlandesgerichts, der gezielt angesteuert werden kann. Im Endeffekt können die Parteien die personelle Zusammensetzung der Richterbank damit ähnlich wie in einem Schiedsverfahren recht weitgehend bestimmen.

Der Wegfall der zweiten Tatsacheninstanz eröffnet natürlich nicht nur ein Beschleunigungspotential, sondern führt auch zum Wegfall der Korrekturmöglichkeit durch ein Berufungsgericht. Das ist aber hinnehmbar, denn schließlich ist es ja das spezialisierte Berufungsgericht, das bereits in erster Instanz zuständig ist und das damit für eine sorgfältige Aufklärung steht. Zudem soll der Commercial Court eine Verfahrensgestaltung anbieten, die an Schiedsverfahren angelehnt ist. Dort gibt es ebenfalls nur eine Tatsacheninstanz.

Was müssen die Parteien also tun, um einen Bauprozess vor den Commercial Court zu bringen?

Da der Commercial Court eine Abweichung vom Landgericht als regulärer Eingangsinstanz darstellt, bedarf es einer Verständigung zwischen den Parteien hierüber, zumindest durch rügelose Einlassung des Beklagten. Hier eröffnet das Gesetz unterschiedliche Möglichkeiten:

Die Parteien können vor Einreichung der Klage eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen (§ 119b Abs. 2 Satz 1 GVG n.F.). Dies kann in einem neu ausgehandelten Bauvertrag geschehen, aber auch nachträglich aus Anlass eines Streits über einen Vertrag, der vielleicht vor mehreren Jahren geschlossen wurde.

Die Gerichtsstandsvereinbarung kann sich im Prinzip darauf beschränken, dass der Commercial Court ohne Festlegung eines Orts als zuständiges Gericht bestimmt wird. In diesem Fall bleibt dem späteren Kläger die Wahl überlassen, welchen der für Baurecht zuständigen Commercial Courts in Deutschland er anrufen will (§ 35 ZPO). Wollen die Parteien einen bestimmten Commercial Court (Düsseldorf, Hamburg oder Berlin) einvernehmlich festlegen, sollte dieser Ort idealerweise ausdrücklich in der Vereinbarung genannt werden. Der Ort des Bauvorhabens determiniert diese Wahl nicht, denn die örtliche Zuständigkeit der Commercial Courts ist unbeschränkt. Jeder Commercial Court kann für ein Bauvorhaben an jedem Ort in Deutschland und auch im Ausland zuständig werden. Es gibt jetzt also eine Art „fliegenden Baugerichtsstand“.

Wege zum Commercial Court ohne vorherige Gerichtsstandsvereinbarung

Haben die Parteien in der Vergangenheit die Zuständigkeit des Commercial Courts nicht vereinbart und haben sie nun wegen des zwischen ihnen entstandenen Streits keinen rechten Draht mehr zueinander, um eine solche Absprache nachzuholen, gibt es die folgenden Wege, um den Rechtsstreit auch ohne vorherige Gerichtsstandsvereinbarung vor den Commercial Court zu bringen:

Der Kläger erhebt seine Klage ohne Gerichtsstandsvereinbarung vor dem (noch unzuständigen) Commercial Court. Lässt sich der Beklagte in der Klageerwiderung rügelos darauf ein, wird der Court zuständig, sofern es sich um einen Bauprozess zwischen Unternehmern mit einem Streitwert von mindestens 500.000 € handelt (§ 119b Abs. 2 Satz 3 GVG n.F.). Rügt der Beklagte aber die Zuständigkeit, muss der Commercial Court den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht verweisen.

Um eine solche Verweisung wegen Unzuständigkeit zu vermeiden kann der Kläger stattdessen vor dem zuständigen Landgericht Klage erheben und zugleich die Verweisung an den (noch unzuständigen) Commercial Court beantragen. Stimmt der Beklagte innerhalb der Klageerwiderungsfrist zu, wird der Court hierdurch zuständig und das Landgericht hat an ihn zu verweisen (§ 611 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F.). Stimmt der Beklagte nicht zu, bleibt der Rechtsstreit beim Landgericht.

Zugang und Zuständigkeit des Commercial Courts

Schließlich gibt es auch für den Beklagten die Möglichkeit, trotz fehlender Gerichtsstandsvereinbarung auf die Befassung des Commercial Courts hinzuwirken, nämlich indem er dies nach Zustellung einer vor dem Landgericht erhobenen Klage in der Klageerwiderungsfrist beantragt. Wenn der Kläger danach zustimmt, ist auch dann an den Court zu verweisen (§ 611 Abs. 1 Satz 2 ZPO n.F.), wenn nicht bleibt der Prozess beim Landgericht.

Hinsichtlich der Verfahren, für die der Commercial Court zuständig werden kann, ist Folgendes erwähnenswert:

Wird der Mindeststreitwert von 500.000 € erreicht, fallen auch Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (insbesondere gem. § 650d BGB) und – unbequeme Wahrheit! – selbständige Beweisverfahren darunter. Außerdem spricht Vieles dafür, dass ein Rechtsstreit zwischen Unternehmern gem. § 119b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG n.F. auch dann vorliegt, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, etwa ein Land oder der Bund, Auftraggeber des Bauvertrags ist. Die (Gebiets-) Körperschaft könnte dann als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB anzusehen sein, weil sie wie ein Unternehmer einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen hat und wie ein solcher am Rechtsverkehr teilnimmt. Natürlich müssen sich auch hier beide Seiten auf den Rechtsstreit vor dem Commercial Court einlassen.

Bei aller Gespanntheit auf das neue Gericht bleibt es dabei: Der beste Prozess ist derjenige, der nicht geführt werden muss. Aber wenn es sich nicht vermeiden lässt, ist der Commercial Court ein hochinteressantes Angebot für die Parteien einer baurechtlichen Streitigkeit. Die Zugangshürden sind niedrig und die Parteien gelangen vor ein hoch motiviertes Gericht, das sich für die zügige und inhaltlich überzeugende Lösung ihrer Streitigkeit durch die neu geschaffene Institution engagieren wird. Nutzen Sie diese Gelegenheit und probieren Sie es aus!

Björn Retzlaff

Vorsitzender Richter am Kammergericht Berlin, 21. Zivilsenat; Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin, Mitherausgeber der Zeitschrift „Baurecht“

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