Jedes Jahr auf’s Neue verlängern Schüler bzw. deren Eltern eigenmächtig die Ferien oder lassen diese frühzeitig beginnen – in der Regel, um volle Autobahnen zu vermeiden oder günstigere Flüge buchen zu können. Dabei ist den Beteiligten häufig nicht bewusst, dass die Verletzung der Schulpflicht ernste Folgen haben kann.
Marco Bijok
Es handelt sich keineswegs um Einzelfälle. Pro Jahr verhängen die Behörden allein in NRW mehr als 1.000 Bußgelder wegen unerlaubten Schulschwänzens vor oder nach den Ferien. Weil das Problem den Behörden schon seit längerem bekannt ist, achten inzwischen Bundes- bzw. Landespolizei vor Beginn der Schulferien an den Flughäfen vermehrt darauf, ob schulpflichtige Kinder eine Befreiung vom Unterricht vorlegen können. Das erfolgt i.d.R. nicht gezielt, sondern im Rahmen der ohnehin stattfindenden Ein- und Ausreisekontrollen. Besteht ein begründeter Verdacht für eine Verletzung der Schulpflicht, so nehmen die Beamten die Personalien auf und informieren die jeweils zuständige Behörde am Heimatort. An der Weiterreise gehindert werden Familien mit ihren Kindern allerdings nicht. Die Sanktion des Verhaltens bleibt dem sich anschließenden behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren vorbehalten.
Das sagt das Recht
Die Schulpflicht gilt vom ersten bis zum letzten Tag des Schuljahres. Zwar sind Beurlaubungen nach den Schulgesetzen möglich, wenn ein „wichtiger Grund“ besteht. Der Gesetzgeber dachte hier jedoch insbesondere an persönliche, unaufschiebbare Ereignisse wie beispielsweise die schwere Erkrankung von Angehörigen oder Beerdigungen. Günstige Urlaubstarife und das Umgehen von Urlaubsspitzen reichen insoweit selbstverständlich nicht.
Nach den Schulgesetzen der Länder sind die Eltern dafür verantwortlich, dass das Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt, vgl. etwa § 41 Abs. 1 SchulG NRW. Aber auch Lehrer und Schulleiter sind verpflichtet, Schulpflichtige, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen, zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten und auf die Eltern sowie auf die für die Berufserziehung Mitverantwortlichen einzuwirken, § 41 Abs. 3 SchulG NRW. Schüler, die die Schulpflicht nicht erfüllen, können nach den schulgesetzlichen Vorschriften der Länder – jeweils in Verbindung mit den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckungsgesetze – zwangsweise zugeführt werden. Zuständig für die Durchführung der zwangsweisen Zuführung ist die für den Wohnsitz des Schülers zuständige Verwaltungs- oder Polizeibehörde. Diese wird, je nach Landesrecht, auf Antrag oder Anordnung des Schulleiters oder der Schulbehörde tätig. Gegen die Erziehungsberechtigten können ebenfalls Zwangsmittel, insb. die Festsetzung von Zwangsgeldern oder Erzwingungshaft, angewendet werden.
Ein wirksameres Mittel in Bezug auf „Ferienverlängerer“ liegt jedoch in Folgendem: Außer in Baden-Württemberg ordnen sämtliche Länder Verstöße gegen die Schulpflicht als Ordnungswidrigkeiten ein, die nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) mit Geldbußen geahndet werden können. Ordnungswidrig handelt danach, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Eltern nicht dafür sorgt, dass der Schulpflichtige am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt.
Schon ein Fehltag kann reichen
„Regelmäßige Teilnahme“ am Unterricht bedeutet dabei „der Regel entsprechend“, weshalb eine solche bereits dann nicht mehr vorliegt, wenn der Schüler lediglich an einem Tag die Schule versäumt. Dies nur vorsorglich; evtl. begegnen Sie ja dem Einwand eines Elternteils, dass man doch auch noch „regelmäßig“ am Unterricht teilnehme, wenn man beispielsweise 90 Prozent der Zeit anwesend sei.
Damit sind also auch Fehlzeiten unmittelbar vor oder nach den Schulferien erfasst. Die an die Eltern gerichtete Verpflichtung, für die Erfüllung der Schulpflicht zu „sorgen“, ist im Sinne eines aktiven Tuns auszulegen. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln haben sie die Schulpflicht durchzusetzen und die Schulpflichtigen dazu zu bringen, dass sie zur Schule gehen. Mit der bloßen Behauptung, man habe seinem Kind doch gesagt, es solle zur Schule gehen, können sich Eltern daher nicht herausreden.
In den meisten Bundesländern begeht auch der Schüler selbst eine Ordnungswidrigkeit, sofern er mindestens 14 Jahre alt und zur Tatzeit „nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“, § 12 OWiG i.V.m. § 3 Jugendgerichtsgesetz.
Sofern das jeweilige Land dies nicht abweichend geregelt hat, beträgt die Geldbuße nach § 17 OWiG mindestens fünf und höchstens 1.000 Euro (siehe aber sogleich). Bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes wird u.a. das Ausmaß des Verstoßes berücksichtigt, also etwa, ob das Kind einen Tag oder gleich eine ganze Woche unerlaubt der Schule fernbleibt, ferner, ob es sich um einen wiederholten Verstoß handelt. Auch die Einkommensverhältnisse der Eltern können Berücksichtigung finden. Die Geldbuße ist danach so zu bemessen, dass sie den Täter spürbar trifft. Nach § 17 Abs. 4 OWiG soll die Geldbuße zudem den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden (es sind also auch höhere Bußgelder als 1.000 EUR möglich). Da die Behörde i.d.R. allenfalls schätzen kann, welchen Betrag die Familie aufgrund der günstigeren Buchungszeiten erspart hat, wird häufig pauschal ein Bußgeld von 100 Euro pro Elternteil pro Kind pro Fehltag verhängt. Zuständige Behörde für die Verhängung des Bußgeldes ist je nach Landesrecht die Schulaufsichtsbehörde oder die sog. untere allgemeine Verwaltungsbehörde (Bürgermeister oder Landrat).
Auch strafrechtliche Konsequenzen drohen
Bei schwerwiegenden, wiederholten Verstößen drohen Eltern auch strafrechtliche Konsequenzen. Nach § 171 Strafgesetzbuch (StGB) wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, u.a. in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden. Eine „gröbliche“ Pflichtverletzung in diesem Sinne ist zu bejahen, wenn das Verhalten objektiv in einem besonders deutlichen Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Erziehung steht und wenn es subjektiv, gemessen an den Möglichkeiten des Täters, ein erhöhtes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennen lässt. Eine solche gröbliche Verletzung wird dabei in der Regel erst vorliegen, wenn ein Elternteil sein schulpflichtiges Kind über einen längeren Zeitraum oder wiederholt aktiv vom Schulbesuch abhält oder wiederholtes oder anhaltendes „Schulschwänzen” duldet.
In Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland können die Erziehungsberechtigten bei besonders schweren Verstößen gegen die Schulpflicht auch nach den dortigen Schulgesetzen strafrechtlich sanktioniert werden. Die jeweiligen Formulierungen weichen voneinander ab. Im Kern geht es jedoch jeweils darum, dass ein Erziehungsberechtigter sein schulpflichtiges Kind der Schulpflicht „entzieht“, also durch aktives Tun von der Teilnahme am Unterricht fernhält oder in sonstiger Weise, z.B. durch Unterlassen von erforderlichen Überwachungsmaßnahmen, nicht dafür Sorge trägt, dass die Schulpflichtigen ihrer Schulpflicht regelmäßig nachkommen. Weiter ist erforderlich, dass das Entziehen „dauernd” oder „wiederholt” geschieht. „Dauernd” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Schulpflichtige fortwährend und ununterbrochen der Teilnahme am Unterricht entzogen wird, „wiederholt” dementsprechend, dass dies mehrere Male geschieht (Hessen: „dauernd oder hartnäckig wiederholt“; Bremen: „gänzlich oder beharrlich“). Die Strafverfolgung setzt jeweils einen Antrag der Schulleitung bzw. der Schulbehörde voraus.
Im Saarland kommt auch eine Strafbarkeit des Schülers selbst in Betracht. Nach § 17 Abs. 4 des saarländischen Schulpflichtgesetzes wird ein dauernder oder vorsätzlich wiederholter Verstoß mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Antragsberechtigt ist die Schulleitung. Der Sinn dieser Regelung wird zum Teil infrage gestellt, weil der Schüler dadurch erst recht am Schulbesuch gehindert werden könnte.
Was tun, wenn die Eltern das Fehlen nicht entschuldigen?
Legen die Eltern keine Entschuldigung für das Fehlen vor oder reichen sie nicht die von der Schulleitung erbetenen Nachweise ein, so hört die Schulleitung die Eltern an und gibt danach eine Versäumnisanzeige an die Schulaufsichtsbehörde. Einzelheiten sind in Runderlassen geregelt. Danach soll der Antrag an die Schulaufsichtsbehörde enthalten:
- Die Personalien der oder des Schulpflichtigen, ihrer oder seiner Eltern und ggf. die Anschrift der Mitverantwortlichen für die Berufserziehung,
- die Dauer des Schulversäumnisses,
- einen Bericht über die bisher von der Schule veranlassten Maßnahmen und die darauf erfolgte Reaktion und
- den Nachweis über die durchgeführte Anhörung und die darauf erfolgte Reaktion.
Schulpflichtverletzungen verjähren nach sechs Monaten, daher ist möglichst drei Monate nach den ersten Schulversäumnissen der Antrag auf Verfolgung der Ordnungswidrigkeit vorzulegen. Gemäß § 126 Absatz 2 SchulG ist die Verfolgung eines Schulentlassenen nicht mehr zulässig.
Fazit
Die konsequente Verfolgung von Schulpflichtverletzungen durch Bußgeldverfahren oder in Extremfällen strafrechtliche Sanktionen zeigt zwar Wirkung – sie bleibt jedoch stets ein repressives Instrument. Ebenso wichtig ist es, präventiv tätig zu werden, um unentschuldigte Fehlzeiten gar nicht erst entstehen zu lassen. Schulen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu:
Ein erster Ansatzpunkt ist die gezielte Elterninformation: Bereits zu Schuljahresbeginn sollten Eltern in einem Elternbrief oder auf Elternabenden über die Schulpflicht bis zum letzten und ab dem ersten Schultag und die Folgen unerlaubten Fernbleibens vom Unterricht aufgeklärt werden. Sinnvoll ist dabei, auch konkrete Zahlen zu Bußgeldern und die rechtliche Einordnung (Ordnungswidrigkeit bzw. im Wiederholungsfall ggf. Straftat) transparent zu machen. Viele Eltern unterschätzen nach wie vor die Tragweite einer vermeintlich harmlosen Flugbuchung vor Ferienbeginn.
Zudem empfiehlt sich eine klare, schulinterne Regelung zur Befreiung vom Unterricht in der letzten Schulwoche: Die Voraussetzungen für Beurlaubungen und Befreiungen nach dem jeweiligen Schulgesetz (z.B. § 43 Abs. 4 SchulG NRW) sollten klar benannt werden. Rückmeldungen bei fehlender Attestvorlage oder offensichtlich unbegründeten Entschuldigungen sollten systematisch erfolgen – etwa durch ein standardisiertes Schreiben oder ein Elterngespräch.
Ergänzend kann eine Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei oder Ordnungsbehörde in Betracht gezogen werden. Einige Kommunen praktizieren bereits gemeinsame Aufklärungskampagnen an Flughäfen, Bahnhöfen oder in Schulen vor Ferienbeginn – auch dies kann präventiv wirken.
Nicht zuletzt sollten Lehrkräfte sensibilisiert werden, frühzeitig Auffälligkeiten zu melden. Wenn etwa bei mehreren Geschwistern die gleiche „plötzliche Erkrankung“ am letzten Schultag auftritt oder regelmäßig nur in der Ferienzeit Fehlzeiten auftreten, kann dies ein Indiz für eine bewusste Ferienverlängerung sein – und Anlass für eine weitergehende Prüfung.