RA Claus Rückert
Ein auf Holzbau spezialisiertes Unternehmen (Hauptunternehmer, kurz: HU) wird im Jahr 2011 von einem anderen Unternehmen (Auftraggeber, kurz: AG) damit beauftragt, die Dachaufstockung und energetische Sanierung von neun Wohngebäuden vorzunehmen. Der HU beauftragt den Inhaber eines Meisterbetriebes für Heizungs-, Sanitär- und Solaranlagen (Nachunternehmer, kurz: NU) damit, die von ihm vorgefertigten Holzbauteile mit Sanitärsystemen zu bestücken.
Nach Fertigstellung der Arbeiten ergibt eine Überprüfung, dass die Abwasseranschlüsse nicht den Regeln der Technik entsprechen und eine fachgerechte Ausführung mit den in den Wänden installierten Rohrbelüftern nicht zu erreichen ist. Es kommt zur Geruchsbildung in den Wohnungen.
Der HU wird vom AG wegen dieser Mängel in Anspruch genommen. In einem Vorprozess wird er rechtskräftig zur Zahlung eines Vorschusses für die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 39.103,68 € sowie zur Zahlung der bereits aufgewandten Kosten für die Mängelbeseitigung in Höhe von 8.086,65 € verurteilt. Insgesamt ergibt sich somit ein Betrag in Höhe von 47.190,33 €, den der HU aufgrund des rechtskräftigen Urteils am 12.01.2015 an den AG zahlt.
Der HU nimmt seinerseits den NU gerichtlich auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 47.190,33 € in Anspruch.
Das Landgericht gibt der Klage des HU – nach Abzug eines Mitverschuldensanteils – in Höhe von 11.797,58 € statt und weist die Klage im Übrigen ab. Auf die Berufung des HU wird das Urteil des Landgerichts in zweiter Instanz dahingehend abgeändert, dass der NU nun in voller Höhe zur Zahlung verurteilt wird. Dabei geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich der Schaden des HU nicht nachträglich reduziert hat. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der HU im Verhältnis zum NU nicht zur Abrechnung des Kostenvorschusses verpflichtet. Denn er macht Schadensersatz geltend. Auch ergeben sich aus Sicht des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass der AG den vom HU gezahlten Kostenvorschuss nicht vollständig verbraucht hat. Nach Auffassung des Berufungsgerichts trägt der NU hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast.
Das BGH-Urteil
Auf die Beschwerde des NU gegen die Nichtzulassung der Revision hebt der BGH die Verurteilung in Höhe von 39.103,68 € auf und verweist den Rechtsstreit insofern an das Berufungsgericht zurück (BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 92/20).
Im Ausgangspunkt noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem HU gegen den NU aufgrund der mangelhaften Rohrbelüftung ein Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB zusteht. Dieser Anspruch ist auf Ersatz des Schadens gerichtet, der dadurch entstanden ist, dass der HU wegen des Mangels seinerseits Kostenvorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB in Höhe von 39.103,68 € an den AG gezahlt hat.
Ursprünglich bestand der Schadensersatzanspruch des HU gegen den NU gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB in einem Anspruch auf Freistellung von den Mängelansprüchen des AG.
Durch die Zahlung des Kostenvorschusses an den AG hat sich dieser Freistellungsanspruch in einen Anspruch auf Zahlung umgewandelt, und zwar in Höhe des gezahlten Kostenvorschusses.
Allerdings ist der Kostenvorschuss seiner Natur nach nicht endgültig. Er ist zweckgebunden und vom Besteller (hier: dem AG) zur Mängelbeseitigung zu verwenden. Der Besteller muss innerhalb angemessener Frist nach der Mängelbeseitigung über die Verwendung des erhaltenen Kostenvorschusses eine Abrechnung erteilen. Sofern er den Kostenvorschuss nicht zur Mängelbeseitigung in Anspruch genommen hat, muss er ihn an den Unternehmer zurückzahlen.
Daher entsteht mit der Zahlung des Kostenvorschusses ein (zukünftiger) Anspruch des Unternehmers (hier: des HU) auf Abrechnung gegen den Besteller und auf Rückzahlung in Höhe eines etwaig nicht zweckentsprechend verbrauchten Vorschusses.
Vor diesem Hintergrund kommt es für das Verhältnis zwischen HU und NU darauf an, ob der AG dem HU bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat und ggf. mit welchem Ergebnis. Es kommen also folgende Möglichkeiten in Betracht:
- Der AG hat den Kostenvorschuss vollständig zur Mängelbeseitigung verbraucht und dem HU hierüber eine zutreffende Abrechnung erteilt. In diesem Fall ist der NU gegenüber dem HU ohne Einschränkung zur Erstattung des Vorschussbetrages verpflichtet.
- Der AG hat den Kostenvorschuss nicht bzw. teilweise nicht zweckentsprechend zur Mängelbeseitigung verwendet und den nicht zweckentsprechend verwendeten Vorschuss an den HU zurückgezahlt. In diesem Fall muss sich der HU den zurückgezahlten Betrag gegenüber dem NU nach den Grundsätzen des (auf Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beruhenden) Vorteilsausgleichs voll anrechnen lassen. Der Vorteil ist gleichartig zum Schadensersatzanspruch und von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Forderung des HU gegen den NU verringert sich in Höhe des vom AG zurückgezahlten Betrages.
- Der AG hat dem HU bereits eine Abrechnung erteilt. Hieraus ergibt sich, dass der Vorschussbetrag nicht bzw. teilweise nicht zweckentsprechend zur Mängelbeseitigung verwendet worden ist. Anders als im Fall Nr. 2. hat der AG noch keine Rückzahlung an den HU vorgenommen. In diesem Fall liegt der Vorteil des HU darin, dass er gegen den AG einen Anspruch auf Rückzahlung hat. Dieser Vorteil ist allerdings nicht gleichartig zum Schadensersatzanspruch des HU. Daher kann der NU in diesem Fall im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB durchsetzen, dass er (in entsprechender Anwendung von § 255 BGB) an den HU Schadensersatz in Höhe des Vorschussbetrages nur Zug um Zug gegen Abtretung des Rückzahlungsanspruchs leisten muss.
- Der AG hat dem HU noch keine Abrechnung erteilt. In diesem Fall besteht der aus der Natur des Vorschussanspruchs resultierende Vorteil des HU darin, dass er bei Fälligkeit zunächst die Abrechnung und dann ggf. die Rückzahlung eines etwaig nicht zur Mängelbeseitigung verbrauchten Geldbetrages verlangen kann. Auch in diesem Fall ist der Vorteil des HU nicht gleichwertig zum Schadensersatzanspruch. Daher kann der NU in diesem Fall ebenfalls im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB durchsetzen, dass er (in entsprechender Anwendung von § 255 BGB) an den HU Schadensersatz in Höhe des Vorschussbetrages nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs gegen den AG auf Abrechnung und ggf. Rückzahlung leisten muss.
Den Geschädigten (hier: den HU) trifft eine sekundäre Darlegungslast für die anspruchsmindernden Vorteile, die sich daraus ergeben, dass er an den Besteller (hier: den AG) einen Kostenvorschuss wegen der mangelhaften Werkleistung des NU geleistet hat. Daher muss der HU vor allem darlegen, ob der AG bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat. Falls dies der Fall ist, muss er außerdem ggf. nähere Angaben zum Inhalt und Ergebnis der Abrechnung machen.
Das Berufungsgericht hat diese sekundäre Darlegungslast des HU verkannt. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass sich nach den o.g. Grundsätzen eine Vorteilsausgleichung ergibt.
Vor diesem Hintergrund hat der BGH die Sache im Hinblick auf die Schadenshöhe von 39.103,68 € (dies entspricht der Höhe des vom HU an den AG gezahlten Kostenvorschusses) zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Praxishinweis
Seit dem Urteil des BGH vom 22.02.2018 (VII ZR 46/17) steht fest, dass der Besteller im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung keine „fiktiven“ Mängelbeseitigungskosten verlangen kann. Für den Hauptunternehmer besteht stattdessen z.B. die Möglichkeit, selbst Kostenvorschuss gegen den Nachunternehmer geltend zu machen und damit die Mängel im Wege der Ersatzvornahme zu beseitigen. Oder er kann z.B. einen Kostenvorschuss, den er für Mängel seines Nachunternehmers an den eigenen Auftraggeber gezahlt hat, im Wege des Schadensersatzanspruchs nach den o.g. Grundsätzen vom Nachunternehmer erstattet verlangen.
Wichtig ist, dass der Hauptunternehmer in einem Prozess gegen seinen Auftraggeber, in dem es um Mängel seines Nachunternehmers geht, diesem den Streit verkündet. Damit vermeidet er, dass ein ggf. notwendiger Folgeprozess gegen den Nachunternehmer zu anderen Ergebnissen führt als der Vorprozess.
Außerdem sollte der Hauptunternehmer beachten, dass ein an seinen Auftraggeber gezahlter Kostenvorschuss möglicherweise nicht zur Beseitigung der Mängel ausreicht. In diesem Fall ergibt sich aufgrund des zugesprochenen Kostenvorschussanspruchs gleichzeitig die Verpflichtung des Hauptunternehmers, seinem Auftraggeber ggf. weitere für die Mängelbeseitigung notwendige Kosten zu erstatten. Sofern der Auftraggeber noch nicht endgültig abgerechnet hat, sollte der Hauptunternehmer in dem Prozess gegen den Nachunternehmer daher den Antrag auf Zahlung von Schadensersatz mit einem Feststellungsantrag verbinden.