Der BGH hat entschieden, dass ein Unternehmer bei Kündigung des Bauvertrags wegen nicht geleisteter Bauhandwerkersicherung nicht mehr zur Mängelbeseitigung verpflichtet ist. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Unternehmers und die rechtliche Stellung des Bestellers.
Claus Rückert
Blick in den Fall
Der Unternehmer hat gemäß § 650f Abs. 1 BGB (diese Vorschrift entspricht § 648a Abs. 1 BGB a.F.) gegen den Besteller einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung (die Ausnahmen sind in § 650f Abs. 6 BGB geregelt). Hierzu kann er dem Besteller eine angemessene Frist setzen. Bleibt diese Frist erfolglos, kann der Unternehmer gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Falls er den Vertrag kündigt, entfallen die zum Zeitpunkt der Kündigung noch offenen Restleistungen.
Fraglich ist, ob mit der Kündigung auch direkt die Verpflichtung des Unternehmers zur Beseitigung der Mängel an seinen bis zur Kündigung ausgeführten Leistungen entfällt. Außerdem stellt sich die Frage, wie sich der Wegfall der Mängelbeseitigungspflicht ggf. auf den Vergütungsanspruch des Unternehmers auswirkt. Diese grundsätzlichen Fragen hat der BGH-Urteil vom 16.04.2025 (Az.: VII ZR 236/23) entschieden.
Der Fall
Der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses (AG) beauftragt im Jahr 2015 einen Unternehmer (AN) mit der Herstellung eines Wärmedämmverbundsystems für sein Haus. Grundlage des Auftrags ist ein detailliertes Leistungsverzeichnis mit Einheitspreisen. Der AN führt seine Leistungen aus und stellt unter dem 31.05.2016 seine Schlussrechnung. Unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlung sowie eines Skontoabzugs in Höhe von 674,84 € rechnet er eine offene Rechnungsforderung in Höhe von 5.602,54 € ab. Unter dem 20.07.2016 stellt der AN außerdem eine weitere Rechnung über zusätzliche Leistungen in Höhe von 1.390,90 €.
Der AG bezahlt die Rechnungen nicht. Er rügt unter anderem Mängel an den ausgeführten Leistungen.
Ende Juli 2016 fordert der AN den AG unter Setzung einer Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von 7.692,78 € auf (dieser Betrag ergibt sich aus der Summe der beiden Rechnungsbeträge, abzüglich des Skontos und zuzüglich 10% für Nebenforderungen). Der AG leistet keine Sicherheit.
Daraufhin macht der AN den Anspruch auf die Bauhandwerkersicherung zunächst teilweise in Höhe von 5.500 € gerichtlich geltend.
Mit Schreiben vom 23.03.2017 erklärt der AN die Kündigung des Vertrages wegen der ausstehenden Sicherheit hinsichtlich etwaiger Restleistungen. Dabei erklärt der AN, dass die Kündigung nicht die durch den AG gerügten Mängel betreffe und auch nicht solche Mängel, die während des Laufs der Gewährleistung noch auftreten können. Zugleich fordert er den AG unter Setzung einer neuen Frist zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von nunmehr 8.435,11 € auf (hierbei hat der AG nun auch den Betrag in Höhe von 674,84 € berücksichtigt, den er zunächst als Skonto in Abzug gebracht hatte). Auch diese Frist läuft ergebnislos ab.
Der AN erklärt daraufhin mit Schreiben vom 20.04.2017, dass er den Vertrag nun auch hinsichtlich etwaiger Mängel- und Gewährleistungsansprüche kündige. Ferner macht er in der Folgezeit den Anspruch auf Bauhandwerkersicherung in Höhe von weiteren 2.935,11 € gerichtlich geltend. Die Klagen auf Sicherheitsleistung haben Erfolg.
Daraufhin verklagt der AN den AG nun auch auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe von 7.668,28 € sowie Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
Das Landgericht Duisburg gibt der Klage im Hinblick auf den geltend gemachten Restwerklohn in Höhe von 6.198,28 € statt und weist sie im Übrigen ab.
Die vom AN gegen das Urteil eingelegte Berufung wird vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf zurückgewiesen.
Mit der vom OLG Düsseldorf zugelassenen Revision zum Bundesgerichtshof verfolgt der AN u.a. weiter den Anspruch auf den weiteren Restwerklohn in Höhe von 1.470,00 €.
Das Urteil
Der BGH hebt das Urteil des OLG Düsseldorf auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Der AG hat den Bauvertrag wirksam gemäß § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB a.F. gekündigt. Nach der Kündigung kann der Unternehmer nach seiner Wahl etwaige Mängel der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen beseitigen oder die Beseitigung der Mängel ablehnen. Eine erneute Fristsetzung zur Leistung der Bauhandwerkersicherung vor der Ablehnung der Mängelbeseitigung ist nicht erforderlich.
Lehnt der Unternehmer die Beseitigung der Mängel wegen der nicht gestellten Bauhandwerkersicherung ab, wird der Vergütungsanspruch auch ohne Abnahme fällig.
In diesem Fall muss der Unternehmer darstellen, welche Leistung er bis zur Kündigung erbracht hat, wobei die Vergütung wegen der Mängel gekürzt wird. Außerdem kann er für die aufgrund der Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungen die hierauf entfallende Vergütung abrechnen, abzüglich der ersparten Aufwendungen und eines etwaigen anderweitigen Erwerbs bzw. eines böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerbs, § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB.
Es stellt sich dann die Frage, in welcher Höhe die Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen wegen etwaiger Mängel zu kürzen ist.
Der BGH hatte hierzu in früheren Urteilen zu § 648a BGB in der Fassung vom 02.01.2002 entschieden, dass der Vergütungsanspruch des Unternehmers (sofern die Mängelbeseitigung möglich ist und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden kann) regelmäßig um die Kosten zu kürzen ist, die notwendig sind, um den Mangel beseitigen zu lassen, sonst um den Minderwert des Bauwerks (BGH, Urteil vom 12.10.2006, Az.: VII ZR 307/04 Rn. 9; Urteile vom 22.01.2004, Az.: VII ZR 183/02, Rn. 22 sowie VII ZR 68/03, Rn. 17 m.w.N.).
An dieser bisherigen Rechtsauffassung hält der BGH ausdrücklich nicht mehr fest. Denn der Besteller würde in nicht gerechtfertigter Weise bessergestellt werden, wenn er im Regelfall die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten von der Vergütung abziehen dürfte, obwohl er wegen der nicht geleisteten Sicherheit keine Mängelbeseitigung mehr verlangen kann. Gleiches gilt für den Abzug eines mangelbedingten Minderwerts, der in geeigneten Fällen anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten geschätzt werden kann.
Der BGH stellt fest, dass der Vergütungsanspruch stattdessen, um den auf den Mangel entfallenden Wertanteil der Vergütung zu kürzen ist. Denn der Unternehmer hat wirtschaftlich betrachtet den auf den Mangel entfallenden Vergütungsanteil dauerhaft nicht verdient, da der Mangel nicht mehr beseitigt wird.
Der sich hieraus ergebende Minderwert der erbrachten Leistung wegen des nicht beseitigten Mangels ist ausgehend von der vereinbarten Vergütung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Maßstab ist danach die durch den Mangel der erbrachten Leistung erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Die Parteien haben mit der im Werkvertrag vereinbarten Vergütung zum Ausdruck gebracht, wie sie die mangelfrei erbrachte Leistung bewerten. Daher kann der Kürzungsbetrag anhand der Vergütungsanteile geschätzt werden, die auf die mangelhaft erbrachte Leistung entfallen. Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen. Eine Schätzung des Kürzungsbetrags anhand der voraussichtlich erforderlichen Mangelbeseitigungskosten kommt danach nur dann in Betracht, wenn es überwiegend wahrscheinlich ist, dass diese den auf die mangelhafte Leistung entfallenden Vergütungsanteilen im Wesentlichen entsprechen.
Dagegen erteilt der BGH einer in der Literatur vertretenen Auffassung eine Absage, wonach gemäß § 648a Abs. 5 Satz 2 BGB lediglich die infolge der nicht mehr durchgeführten Mängelbeseitigung gegebene Ersparnis des Unternehmers in Abzug zu bringen ist. Denn diese Regelung ist nur auf den nach Kündigung nicht mehr erbrachten Leistungsteil anzuwenden. Im Hinblick auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistung ist sie dagegen nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar. Sie würde der in einem solchen Fall gegebenen Interessenlage nicht vollständig gerecht. Denn wenn der Unternehmer sich lediglich die Ersparnis für die nicht mehr durchgeführte Mängelbeseitigung anrechnen lassen müsste, wäre in vielen Fällen kein hinreichender Ausgleich der verbleibenden, mangelbedingten Äquivalenzstörung gerechtfertigt.
Praxishinweis
Der Unternehmer hat gemäß § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB n.F. einen Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung (z.B. in Form einer Bürgschaft, vgl. § 650f Abs. 2 BGB; die Wahl unter den gesetzlich zulässigen Sicherungsmitteln liegt beim Besteller). Hiervon ausgenommen sind zum einen Verträge, bei denen der Besteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen ist, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist, § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BGB. Zum anderen ausgenommen sind Verträge mit Verbrauchern, wenn es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB oder einen Bauträgervertrag nach § 650u BGB handelt, § 650f Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB.
Der Anspruch auf eine Bauhandwerkersicherung soll dem vorleistungspflichtigen Unternehmer die Möglichkeit geben, sich gegen eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Bestellers abzusichern. Diesen Anspruch kann der Unternehmer selbständig gerichtlich einklagen. Der einzige Nachteil, den der Unternehmer bei der Geltendmachung einer Bauhandwerkersicherung hat ist, dass er dem Besteller gemäß § 650f Abs. 3 Satz 1 BGB bis zu 2 Prozent Avalkosten pro Jahr erstatten muss. Dies gilt gemäß § 650f Abs. 3 Satz 2 BGB allerdings nicht, wenn der Unternehmer die Sicherheit wegen Einwendungen des Bestellers gegen den Vergütungsanspruch aufrechterhalten muss (z.B., weil der Besteller wegen angeblicher Mängel die Zahlung verweigert) und sich diese Einwendungen als unbegründet erweisen.
Wenn der Unternehmer den Besteller unter Setzung einer angemessenen Frist berechtigterweise zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung aufgefordert hat und die Frist fruchtlos abläuft, kann der Unternehmer gemäß § 650f Abs. 5 Satz 1 BGB entweder bis zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung die Ausführung der Restleistungen sowie die Beseitigung etwaiger Mängel verweigern oder den Bauvertrag kündigen (die Kündigung muss gemäß § 650h BGB unter Einhaltung der gesetzlichen Schriftform erfolgen, so dass z.B. eine Kündigung per E-Mail nicht wirksam ist). Kündigt der Unternehmer, tritt der Fall ein, der dem oben besprochenen BGH-Urteil zugrunde liegt. Der Unternehmer kann dann wählen, ob er lieber die Mängel beseitigt und die ungekürzte Vergütung für seine bis zur Kündigung erbrachten Leistungen geltend macht. Alternativ kann er die Mängelbeseitigung endgültig ablehnen. Die Vergütung für die erbrachte Leistung wird in diesem Fall bei Vorliegen von Mängeln nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen gekürzt.
Der Unternehmer wird durch das aktuelle BGH-Urteil deutlich bessergestellt als nach der bisherigen Rechtsprechung. Maßstab war bisher nicht die durch den Mangel erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Stattdessen wurden die voraussichtlichen Kosten abgezogen, die für eine Mängelbeseitigung durch ein Drittunternehmen anfallen. Es liegt auf der Hand, dass diese Kosten in aller Regel deutlich höher sind als der Betrag, um den die Vergütung des Unternehmers nach den jetzt durch den BGH aufgestellten Grundsätzen gekürzt wird. Dies wird durch folgendes Beispiel verdeutlicht:
Ein Fenster wurde während der Ausführung beschädigt und muss ausgetauscht werden. Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen würde das Gericht prüfen, welcher Anteil der vertraglichen Vergütung auf das Fenster entfällt (z.B. die im Vertrag kalkulierten Einzelkosten der Teilleistung, etwa bestehend aus den Materialkosten für das Fenster und den Lohnkosten für die Montage, zuzüglich des kalkulierten Zuschlags, etwa für Baustellengemeinkosten, Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn) und diesen Betrag abziehen. Die Kosten für einen Austausch des Fensters durch ein Drittunternehmen sind in aller Regel höher (z.B. kommen neben der Lieferung und dem Einbau des neuen Fensters auch noch die Kosten für den Ausbau und die Entsorgung des alten Fensters hinzu).
Aus Sicht des Bestellers empfiehlt es sich daher, sofort zu reagieren und dem Unternehmer auf ein berechtigtes Verlangen innerhalb der gesetzten (angemessenen) Frist eine geeignete Bauhandwerkersicherung in der berechtigten Höhe zu stellen.