Recht & Verwaltung19 Mai, 2025

Baustellen der Mängelhaftung

Der BGH hat im Januar 2017 entschieden, dass die Mängelrechte des § 634 BGB grundsätzlich erst mit Abnahme gelten. Diese Grundsätze führen in der Praxis zu Schwierigkeiten, da wichtige Fragen noch ungeklärt sind.

Thomas Manteufel

Der BGH hat im Januar 2017 in drei Urteilen entschieden, dass die Mängelrechte des § 634 BGB grundsätzlich erst mit Abnahme gelten (BGH, Urt. v. 19.01.2017 – VII ZR 301/13, BauR 2017,875 [Vorschuss]; Urt. v. 19.01.2017 – VII ZR 193/15, BauR 2017, 879 [Vorschuss]; Urt. v. 19.01.2017 – VII ZR 235/15, BauR 2017, 1024[Schadensersatz und Minderung]). Vor bzw. ohne Abnahme bestehen – anders als nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht – die Mängelrechte grundsätzlich nicht. Der Besteller wird auf die allgemeinen Rechte verwiesen. Die Anwendung dieser Grundsätze führt in der Praxis noch zu Schwierigkeiten, da wichtige Fragen offengeblieben sind.

Der BGH sieht die Abnahme als die entscheidende Schnittstelle zwischen der Erfüllungsphase und der Gewährleistungsphase an. Für den Zeitraum bis zur Fertigstellung ist das sicherlich zutreffend. Das BGB kennt – anders als § 4 VOB/B – kein Recht des Bestellers, während des Bauablaufs Anordnungen über die Bauausführung zu treffen und die sofortige Beseitigung bereits während der Bauausführung erkannter Mängel zu verlangen. Der Ausschluss der Mängelrechte auch in der Phase nach dem vereinbarten Fertigstellungszeitraum und nachdem der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt zur Abnahme stellt, ist dagegen wenig sachgerecht.

Unklarheiten beim Verzicht auf Nacherfüllungsansprüche

Die Mängelrechte passen besser als die in der Erfüllungsphase bestehenden allgemeinen Rechte, insbesondere der Anspruch auf Vorschuss und die von der Kenntnis vom Mangel unabhängige fünfjährige Gewährleistungsfrist. Gerade der Vorschussanspruch hat aufgrund der Rechtsprechung des BGH zu den fiktiven Mängelbeseitigungskosten in der Praxis erheblich an Bedeutung gewonnen. Das erkennt der BGH an, indem er dem Besteller die Mängelrechte des § 634 BGB im Abrechnungsverhältnis zugesteht. Aber zum Abrechnungsverhältnis sind wesentliche Fragen noch ungeklärt.

Das Abrechnungsverhältnis setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt zur Abnahme stellt und dem Besteller keine Ansprüche auf Erfüllung und Nacherfüllung mehr zustehen. Das Verlangen nach Schadensersatz oder Minderung führt das Abrechnungsverhältnis nach § 281 Abs. 4 BGB herbei, weil es den Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch ausschließt. Für das Vorschussverlangen gilt dies nicht. Der BGH verlangt für den Untergang des Nacherfüllungsanspruchs des Bestellers dessen ernsthafte Erklärung, „unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen“ (so der amtliche Leitsatz BGH, Urt. v. 17.01.2017 – VII ZR 301/13, BauR 2017, 875).

Ernsthafte Erklärung des Bestellers und ihre Reichweite

Seitdem findet sich in zahlreichen Sitzungsprotokollen der Landgerichte nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage die scheinbar unvermittelte, zornige Erklärung des Bestellers, mit diesem Unternehmer unter keinen Umständen mehr zusammenzuarbeiten. Mit der vom BGH gewählten Formulierung ist offenbar gemeint, dass der Besteller so ernsthaft auf seinen – auch nach gescheiterter Ersatzvornahme noch bestehenden – Nachbesserungsanspruch verzichten muss, dass ein Zurückkommen auf diesen Anspruch treuwidrig wäre. Ein Erlass im Rechtssinne ist nicht gemeint, dieser bedürfte gem. § 397 Abs. 1 BGB als Vertrag der Zustimmung des Unternehmers. Einen einseitigen Verzicht sieht das Gesetz nicht vor. Hier hilft der Grundsatz von Treu und Glauben.

Unklar ist aber die Reichweite dieses Verzichts. Erfasst er nur den Mangel, der Gegenstand des Vorschussverlangens ist, erfasst er alle bis zu dieser Erklärung bekannten Mängel oder erfasst er auch unbekannte, noch nicht aufgetretene Mängel? Der BGH hat sich hierzu noch nicht positioniert. Der Wortlaut der Formulierung des BGH legt einen vertragsbezogenen Ausschluss sämtlicher Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche auch für noch nicht bekannte Mängel nahe.

Übergang ins Abrechnungsverhältnis

Der BGH spricht vom Übergang des Vertragsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis (BGH, Urt. v. 19.01.2017 – VII ZR 301/13, BauR 2017, 875 Rdnr. 44). Der Logik des § 281 Abs. 4 BGB, der ebenfalls zum Abrechnungsverhältnis führt, entspräche es dagegen, den Ausschluss des Anspruchs auf Mängelbeseitigung mangelbezogen zu verstehen und ausreichen zu lassen. Denn auch § 281 Abs. 4 BGB schließt den Erfüllungsanspruch nicht insgesamt aus, sondern nur soweit das Schadensersatzverlangen reicht. Macht der Besteller wegen eines Mangels (kleinen) Schadensersatz statt der Leistung geltend, verliert er damit nicht seinen Nacherfüllungsanspruch wegen anderer Mängel.

Da der BGH das Verlangen nach Schadensersatz oder Minderung für den Übergang ins Abrechnungsverhältnis ausreichen lässt, dürfte für den erforderlichen Verzicht auf die Nachbesserung des Mangels durch den Unternehmer nichts anderes gelten. Das Fortbestehen des Nacherfüllungsanspruchs für nicht bekannte Mängel dürfte dem Übergang ins Abrechnungsverhältnis daher nicht entgegenstehen. Das sollte der Besteller dann aber in seiner Verzichtserklärung zum Ausdruck bringen.

Wie ist es aber, wenn der Besteller mehrere Mängel rügt? Bisher diente das Abrechnungsverhältnis, wie schon der Name sagt, in erster Linie der Herbeiführung der Fälligkeit des Werklohns ohne Abnahme. Insoweit musste der Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs sich auf alle bekannten Mängel beziehen, d.h. der Unternehmer zu keiner Erfüllungs- oder Nacherfüllungsleistung mehr verpflichtet sein. Bei diesem Verständnis des Abrechnungsverhältnisses wäre es dem Besteller ohne Abnahme verwehrt, wegen eines Mangels Vorschuss und wegen eines anderen Mangels Nacherfüllung zu verlangen oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.

Verjährung und ihre Auswirkungen auf Mängelrechte

Ungeklärt ist auch, nach welchen Vorschriften der Erfüllungsanspruch verjährt (im Zweifel gilt die allgemeine Verjährung von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Besteller Kenntnis vom Mangel und damit der Nichterfüllung erlangt, spätestens aber 10 Jahre nach Entstehen des Erfüllungsanspruchs) und insbesondere, ob und wie sich die Verjährung des Erfüllungsanspruchs auf die Mängelrechte auswirkt.

Kann der Besteller auch nach Verjährung des Erfüllungsanspruchs noch die Abnahme erklären oder ins Abrechnungsverhältnis übergehen (der Verzicht auf den verjährten Nachbesserungsanspruch tut nicht weh) mit der Folge einer dann erst beginnenden Gewährleistungsfrist für die Mängelansprüche nach § 634a BGB oder § 13 Abs. 4 VOB/B?

Der BGH ist nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht davon ausgegangen, dass es Mängelrechte vor Abnahme gibt, diese der Verjährung für Mängelrechte (nicht der allgemeinen Verjährung) unterliegen, die Frist aber erst mit Abnahme oder Übergang ins Abrechnungsverhältnis, etwa durch endgültige Abnahmeverweigerung, beginnt (BGH, Urt. v. 08.07.2010 – VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778).

Offene Fragen zur Verjährung und Mängelrechte

Er hat aber ausdrücklich offengelassen, ob das auch für das jetzige Recht gilt, welches – wie der BGH inzwischen entschieden hat – Mängelrechte vor Abnahme und ohne Abrechnungsverhältnis nicht kennt. Offen ist insbesondere, ob die Mängelrechte nach Verjährung des Erfüllungsanspruchs noch entstehen können, sei es durch Abnahme, sei es durch Übergang ins Abrechnungsverhältnis.

Zwei unterschiedliche Bausenate des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Urt. v. 02.04.2024 – 10 U 13/23, BauR 2024, 1230 = BGH VII ZR 68/24 und OLG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2024 – 13 U 419/19, BauR 2024, 1842 = BGH VII ZR 108/24) haben sich im Zusammenhang mit unwirksamen Abnahmeklauseln in Bauträgerverträgen mit der Verjährungsfrage befasst und sind hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt.

In Rede standen Zeiträume von 17 bzw. 15 Jahren nach der vermeintlichen Abnahme. Beide Senate haben die Revision zugelassen, die auch in beiden Fällen eingelegt wurden. Sofern der BGH die Frage für in den konkreten Fällen entscheidungserheblich ansieht, kann in Kürze mit einer höchstrichterlichen Klärung gerechnet werden.

Thomas Manteufel


Vorsitzender Richter eines Bausenats beim Oberlandesgericht Köln. Er ist Mitautor des Werner / Pastor, Der Bauprozess, 18. Aufl. 2023, Werner Verlag.

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