Aktuelles Urteil zur Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts
Recht & Verwaltung11 Oktober, 2022

Aktuelles Urteil zur Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts

Die Ausübung des Hammerschlags- und Leiterrechts (hier nach § 7d NRG BW) setzt voraus, dass der Berechtigte das hierfür vorgesehene Verfahren eingehalten hat. Stimmt der Nachbar nicht zu, muss der Berechtigte notfalls Duldungsklage einreichen.

RA Claus Rückert

Oftmals ist es im Zuge von Bauarbeiten notwendig, das Nachbargrundstück zu betreten oder z.B. mit einem Kran zu überschwenken. Hierfür gibt es in vielen Bundesländern landesrechtliche Vorschriften, die das sog. Hammerschlags- und Leiterrecht regeln (etwa § 7d NRG BW).

Allerdings ist die Ausübung dieses Rechts von bestimmten Voraussetzungen abhängig, die der Bauherr kennen sollte. Ansonsten läuft er Gefahr, dass der Nachbar sich gegen ein Betreten bzw. Überschwenken seines Grundstücks erfolgreich gerichtlich zur Wehr setzt. Dies veranschaulicht ein Urteil des OLG Stuttgart vom 01.08.2022 – 4 U 74/22.


Blick auf den konkreten Fall

Ein Bauherr (B) lässt im Zuge von Bauarbeiten auf seinem Grundstück das Grundstück seines Nachbarn (N) mit einem Kran überschwenken. Die in § 7d Abs. 2 NRG BW vorgesehene Vorgehensweise, dem Eigentümer des Nachbargrundstücks die beabsichtigte Überschwenkung zwei Wochen vorher anzuzeigen, hält B nicht ein. Als N ihn auffordert, unverzüglich das Überschwenken von dessen Grundstück zu unterlassen, reagiert B nicht.

Daraufhin beantragt N bei Gericht gegen B den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Danach soll B aufgegeben werden, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, hilfsweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, einen Baukran in den Luftbereich über dem Grundstück von N zu schwenken oder schwenken zu lassen.


Das Urteil des OLG Stuttgart

Das OLG Stuttgart erlässt die beantragte einstweilige Verfügung gegen B.

Es stellt fest, dass jedes Einschwenken des Baukrans in den Luftraum über dem Grundstück von N eine Beeinträchtigung des Besitzes im Sinne von § 858 Abs. 1 BGB (verbotene Eigenmacht) darstellt. Denn es liegt ein Eingriff in die tatsächliche Herrschaftsmacht und damit ein dem Inhalt des Besitzes widersprechender Zustand vor. N kann daher gemäß § 862 Abs. 1 BGB von B verlangen, dass dieser die Störung seines Besitzes unterlässt.

Es ist unerheblich, ob N materiell-rechtlich zur Duldung des Eingriffs in seinen Besitz verpflichtet ist (etwa nach § 905 S. 2 BGB). Denn unabhängig hiervon ist es dem B nicht gestattet, eigenmächtig in den Besitz von N einzugreifen.

Die richtige Vorgehensweise wäre gewesen, dass B dem N mindestens zwei Wochen vorher anzeigt, dass er dessen Grundstück mit einem Baukran zu überschwenken beabsichtigt. In diesem Fall wäre N ggf. verpflichtet gewesen, B seine Zustimmung zu der beabsichtigten Überschwenkung zu erteilen.

Sofern sich N hierzu geweigert hätte, hätte B allerdings nicht ohne weiteres dessen Grundstück überschwenken dürfen. Vielmehr hätte er N auf Duldung verklagen müssen. Erst aufgrund einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung hätte B dann das benachbarte Grundstück von N in Anspruch nehmen dürfen.


Konkrete Praxishinweise

Bauunternehmer, die ein Nachbargrundstück im Zuge von Bauarbeiten mit einem Baukran überschwenken müssen, sollten folgendes beachten:

  • Sofern der Bauunternehmer nicht selbst Eigentümer des Baugrundstücks ist, ist es auch nicht seine Sache, sich um die Zustimmung des Nachbarn zu bemühen. Dies ist Aufgabe des Eigentümers des Baugrundstücks (in der Regel des Bauherrn).
  • Allerdings muss er (der Bauunternehmer) darauf achten, dass tatsächlich eine Zustimmung des Nachbarn vorliegt. Ansonsten setzt er sich selbst der Gefahr aus, wegen Ausübung verbotener Eigenmacht auf Unterlassung verklagt zu werden.
  • Sofern die Zustimmung des Nachbarn nicht vorliegt oder zweifelhaft ist, sollte der Bauunternehmer seinen Auftraggeber dazu auffordern, eine entsprechende schriftlich erklärte Zustimmung des Nachbarn vorzulegen.
  • Gleichzeitig sollte der Bauunternehmer Behinderung anmelden. Denn sein Auftraggeber hat im Rahmen einer Mitwirkungsobliegenheiten gemäß § 642 Abs. 1 BGB dafür zu sorgen, dass die notwendige Zustimmung des Nachbarn eingeholt bzw. notfalls gerichtlich erzwungen wird. Sollte dies nicht rechtzeitig erfolgen und dementsprechend die Bauarbeiten verzögert werden, kann dem Bauunternehmer unter anderem ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB zustehen. Außerdem kommt auch ein Kündigungsrecht gemäß § 643 BGB in Betracht.
Bildnachweis: Panumas/stock.adobe.com
Rückert
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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