Preisanpassungsklauseln
Recht & Verwaltung16 März, 2023

Allheilmittel Preisanpassungsklauseln?

Die drastischen Materialpreissteigerungen der letzten Jahre und die damit einhergehende hohe Volatilität bei den Kosten wirken sich für Bieter erschwerend bei der Angebotskalkulation aus. Hierbei bieten sich Preisanpassungsklauseln als ein Mittel an, um diese Unwägbarkeiten abzumildern.

RA Henning Feldmann

 
Hintergrund

Die Angebotskalkulation ist der ureigene Aufgabe der Bieter: sie kalkulieren selber, welche Preise sie anbieten. Hierbei können und müssen) sie auch Risikozuschläge einkalkulieren, weil sich nicht alle Unwägbarkeiten des Wirtschaftslebens zum Zeitpunkt einer Angebotsabgabe von vornherein kalkulieren lassen. Dies gilt gerade auch für Kostenerhöhungen bei den Bietern selbst. Seien es Personalkosten oder Sachkosten, Kosten- und Preisschwankungen gab es immer schon.

Reinigungsdienstleister, die ein Angebot für einen Reinigungsauftrag über mehrere Jahre abgeben, mussten genauso wie die Hersteller von körperlichen Gegenständen (z.B. medizinischer Schutzausrüstung für Bauunternehmen) immer schon antizipieren, wie sich die Personal-, Sach- und Rohstoffkosten über die nächsten Jahre entwickeln werden. Dies mussten sie aus eigenem Interesse in ihren Angebotspreis einpreisen, denn im Regelfall gilt dieser Preis als Festpreis für die nächsten Jahre. Für gewöhnlich können Bieter dies sehr gut abschätzen, haben sie doch viel Erfahrung mit Kostenentwicklungen in ihrem Bereich.

Zuletzt hat sich die Ausgangslage jedoch deutlich geändert. Zunächst kam die Corona-Pandemie und hat dazu geführt, dass weltweite Lieferketten gestört worden sind. Bereits dies hat zu enormen Preis- und Kostensteigerungen geführt. Nachdem Anfang 2022 sich die weltweiten Märkte etwas beruhigt hatten, brach im Februar 2022 mit dem russischen Angriff der Krieg in der Ukraine aus. Abgesehen von den unsäglichen menschlichen Leiden führte dieses Ereignis erneut zu enormen wirtschaftlichen Verwerfungen und weltweiten Kosten- und Preisschwankungen. Energie, Rohstoffe, Transport, im Ergebnis hat sich beinahe alles verteuert, und zwar in bisher ungeahntem Maße.

Dies führte insbesondere für Bieter zu großen Problemen: Unternehmen berichten, dass sie von ihren Zulieferern zum Teil nur Tages- oder Wochenpreise zugesagt bekommen. Die Preise schwanken so stark, dass den Bietern eine kaufmännische Kalkulation vielfach kaum noch möglich ist.

 
Vergaberechtlicher Hintergrund

Das Vergaberecht sieht grundsätzlich vor, dass die Bieter das Risiko der Auskömmlichkeit ihrer Angebotskalkulation selbst tragen müssen. In schöner Regelmäßigkeit urteilen Vergabenachprüfungsinstanzen, dass es Bietern möglich und zumutbar sei, etwaige Kosten- und Preissteigerungen während der Vertragslaufzeit, deren Höhe derzeit noch nicht absehbar ist, dadurch zu begegnen, dass sie Risikozuschläge nach eigenem Ermessen in ihre Preise einkalkulieren.

Wie geht man jedoch vor, wenn Bieter selbst diese Risikozuschläge nicht mehr angemessen kalkulieren können? Das Vergaberecht bietet Bietern bei diesem Problem im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen nur eingeschränkten Schutz. Das Verbot, den Bietern in den Vergabeunterlagen „ein ungewöhnliches Wagnis“ aufzuerlegen, ist jedenfalls im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen in der VgV nicht (mehr) enthalten.

Prüfungsmaßstab ist seitdem, ob eine ordnungsgemäße Angebotskalkulation „unzumutbar“ ist oder nicht. Unzumutbar ist eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation, wenn Preis- und Kalkulationsrisiken über das Maß, das Bietern typischerweise obliegt, hinausgehen, eine Angebotskalkulation auch mit Risikozuschlägen dem Bieter schlechterdings nicht möglich ist und dies den Bieter unangemessen belastet. Der Brotkorb für Bieter hängt hier sehr hoch.

Im Bereich der Vergabe von Bauleistungen ist die Situation anders. § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (EU) verbieten es dem Auftraggeber, den Bietern „ein ungewöhnliches Wagnis aufzuerlegen für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkungen auf die Preise er nicht im Voraus schätzen kann“. Dies bedeutet nicht, dass dem Bieter gar kein Wagnis auferlegt werden darf.

Übliche Risiken und Wagnisse wie z.B. auch Preis- und Kalkulationsrisiken, die dem Bieter in einem bestimmten Markt typischerweise obliegen, sind vertragstypisch. Aber dann, wenn das Wagnis über die üblichen Risiken hinausgeht, sich nicht abschätzen lässt und eine Kalkulation unmöglich macht, kann gegen das Gebot des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (EU) verstoßen werden. Letztlich ist man auch hier also wieder beim Prüfungsmaßstab der Unzumutbarkeit.

Bieter, die sich in einem Vergabeverfahren beteiligen wollen und während der Vertragslaufzeit eine Kostenexplosion fürchten, sind daher darauf verwiesen, mit den Mitteln des vergaberechtlichen Rechtsschutzes eine „Unzumutbarkeit“ der Angebotskalkulation geltend zu machen. Dies ist häufig ein mühsamer Weg.
 
Auswirkungen von Preisanpassungsklauseln
Preisanpassungsklauseln in den Vergabeunterlagen können ein Mittel sein, dem entgegenzuwirken. Es handelt sich um Klauseln, die es den Vertragspartnern unter definierten Bedingungen gestatten, vereinbarte Festpreise während der Vertragslaufzeit anzupassen.

Für den Bieter und späteren Auftragnehmer ist dies vorteilhaft: er kann Risikozuschläge minimieren und hat die Gewissheit, während der Vertragsausführung nicht an Preise gebunden zu sein, zu denen er die Leistung nicht mehr erbringen kann.

Auftraggeber sehen eher die Kehrseite der Medaille: sie profitieren nicht mehr von Festpreisen über mehrere Jahre und müssen damit rechnen, dass sich die Beschaffungskosten erhöhen. Wobei es sicherlich nicht ihr Interesse sein dürfte, dass ihr Vertragspartner in wirtschaftliche Schieflage gerät und sein Leistungsversprechen nicht mehr kostendeckend erbringen kann. Denn dies führt im Zweifel zu einer schlechteren Leistung oder Folgekosten, etwa wenn der Auftragnehmer „abspringt“ und dann neu ausgeschrieben werden muss. Steht beispielsweise die beauftragte Brücke dann bereits halbfertig in der Gegend rum, wird es schwer, einen neuen Auftragnehmer zu finden, der die Brücke zu einem angemessenen Preis zu Ende baut.

Dies erkannten auch verschiedene Ministerien auf Bundes- und Landesebene. Beispielsweise gab ein Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen vom 25. März 2022 vor, Preisgleitklauseln in neue und laufende Vergabeverfahren zur Beschaffung von Bauleistungen aufzunehmen. Soweit Vergabeverfahren bereits zu laufen begonnen hätten, müssten Preisgleitklauseln nachträglich einbezogen und die Angebotsfrist verlängert werden.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz formulierte im Rundschreiben „Hinweise zum Umgang mit Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe (Liefer- und Dienstleistungen) vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine“ vom 24. Juni 2022 für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen etwas zurückhaltender:

Bei der Vereinbarung von Preisvorbehalten, wie z.B. Preisgleitklauseln, ist grundsätzlich Zurückhaltung zu üben. Preisgleitklauseln können jedoch dazu beitragen, den Auswirkungen der Kriegsereignisse in der Ukraine und en in diesem Zusammenhang verhängten Sanktionen Rechnung zu tragen. […] Darüber hinaus prüft jede Vergabestelle eigenverantwortlich, inwieweit im konkreten Einzelfall die Vereinbarung einer Preisgleitklausel in Betracht kommt. Dabei können, wie dargelegt, die Auswirkungen des Ukrainekriegs als ein außergewöhnliches Ereignis gewertet werden, das den Risikobereich beider Vertragsparteien überschreitet und im Einzelfall die Aufnahme von Preisgleitklauseln in Vergabeverfahren rechtfertigen kann.

Die vergaberechtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich. Die Vergabekammer Westfalen etwa hat mit Beschluss vom 12. Juli 2022 (VK 3 - 24/22) bei einem Bauauftrag entschieden, dass die Weigerung der Aufnahme einer Preisgleitklausel in die Vergabeunterlagen rechtswidrig sei, weil ohne diese den Bietern bei der Angebotskalkulation ein „ungewöhnliches Wagnis“ auferlegt werde. Hierbei hat die Vergabekammer indes ausgeführt, dass die o.g. Erlasse und Rundschreiben zwar eine Bindungswirkung für Vergabestellen entfalten könnten, dass Bieter dies aber nicht in einem Vergabenachprüfungsverfahren geltend machen können, weil es sich um eine rein verwaltungsinterne Anweisung handelt, die nur auf dem allgemeinen Verwaltungsrechtsweg überprüft werden könne, es sich aber nicht um eine „Bestimmung über das Vergabeverfahren“ i.S.d. § 97 Abs. 6 GWB handele.

Die Vergabekammer des Bundes hat bei einem Auftrag, in dem um die Vergabe einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Klebebändern ging, hingegen entschieden, dass in diesem Verfahren die Bieter keinen Anspruch auf eine Preisgleitklausel haben, weil den Bietern eine kaufmännisch vernünftige Kalkulation ihres Angebots Sinne nicht unzumutbar ist (Beschluss vom 19. Oktober 2022, VK 1-85/22).

Beide Entscheidungen lassen allerdings keine verallgemeinerungsfähigen Schlüsse zu. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Nach Ansicht des Verfassers liegt die Aufnahme einer Preisanpassungsklausel in der derzeitigen Wirtschaftslage bei Ausschreibungen im Bereich der Bauleistungen oder bei Leistungen, die einen hohen Rohstoffanteil (z.B. Metalle) haben, deutlich näher als bei anderen Liefer- und Dienstleistungen. Auch sind die übrigen vertraglichen Bedingungen zu berücksichtigen. So hat die Vergabekammer des Bundes beispielsweise maßgeblich darauf abgestellt, dass der Auftragnehmer gar nicht zwingend über die volle Vertragslaufzeit an seine Preise gebunden sein muss, weil er den Vertrag zum Ablauf eines jeden Kalenderjahres einseitig kündigen konnte. Dies verringert, so die Vergabekammer zutreffend, die kalkulatorischen Risiken enorm.

 
Geltung und Beachtung von § 313 BGB

Unabhängig vom Bestehen einer Preisanpassungsklausel gilt die gesetzliche Regelung des § 313 BGB zur „Störung der Geschäftsgrundlage“. Auch diese Vorschrift ermöglicht eine Anpassung bestehender Verträge (auch der Preise) „bei schwerwiegenden Änderungen von Umständen, die Grundlage des Vertrags geworden sind, wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten“ und „soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann“. Eine Anpassung der Vergütung kommt hiernach nur bei ganz außergewöhnlichen und nicht vorhersehbaren Preissteigerungen in Betracht.

Ob ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB besteht, muss im Einzelfall entschieden werden und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Preissteigerung / Erhöhung der eigenen Kosten muss „außergewöhnlich“ und „nicht vorhersehbar“ und ein Festhalten am Vertrag und den vereinbarten Festpreisen muss für den Auftragnehmer „unzumutbar“ sein. Nach der Rechtsprechung „hängt der Brotkorb sehr hoch“. Bei vereinbarten Festpreisen liegen diese Voraussetzungen nur in seltenen Ausnahmefällen vor, da hier der Auftragnehmer grundsätzlich das Risiko für Kostenerhöhungen auf seiner Seite trägt.

Auch kann man nicht pauschal sagen, ab welcher prozentualen Erhöhung der eigenen Kosten eine außergewöhnliche Preissteigerung und eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag und den vereinbarten Festpreisen bejaht werden kann. Die Rechtsprechung hat eine Störung der Geschäftsgrundlage beispielsweise bejaht bei einer Kostenerhöhung um das 15-fache oder um 60%, in anderen Fällen aus dem Baubereich aber auch bereits bei Kostenerhöhungen von etwa 20%. Auch dies hängt vom Einzelfall ab.

 
Fazit

Preisanpassungsklauseln sind häufig ein Mittel des gegenseitigen Interessenausgleichs und geeignet, Problemen vorzubeugen, die aus der wirtschaftlichen Schieflage eines Auftragnehmers entstehen. Auftraggeber sollten daher in jedem Einzelfall abwägen, wie die Marktsituation der potentiellen Bieter aussieht. Bei Aufträgen, die beispielsweise rohstoff- oder transportintensiv (z.B. die Treibstoffkosten) sind, sollte eine Preisanpassungsklausel erwogen werden.

Die Vergabehandbücher des Bundes sehen hierfür z.B. für Bauleistungen Formblätter vor. Im Übrigen bietet es sich vielfach an, Preisindizes des Statistischen Bundesamtes zur Grundlage der Preisanpassungsklausel zu machen. Diese Preisindizes gibt es als Erzeugerpreisindex oder normaler Preisindex für beinahe alle Bereiche, z.B. für „Obst und Gemüseerzeugnisse“, für „Schmiede-, Blechformteile, gewalzte Ringe und pulvermetallische Erzeugnisse“ oder für „Öl-, Kraftstoff- und Luftansaugfilter“; hier sollte jeder Auftraggeber für „seine“ Ausschreibung mit einem passenden Index fündig werden.

Wichtig ist zudem, eine Preisanpassungsklausel so auszugestalten, dass sie keine Bieter oder Bietergruppen benachteiligt. So darf sich eine Preisanpassungsklausel bei der Vergabe von Postdienstleistungen beispielsweise nicht auf Änderungen beschränken, die die sich aufgrund von Preisänderungen der Deutschen Post AG (entweder als Bieter oder als Nachunternehmen des Bieters) ergeben. Denn dies würde die Deutsche Post AG und Bieter, die sich ihr als Nachunternehmer bedienen, bevorzugen und im Gegenzug solche Postdienstleister, die Briefe selbst zustellen, benachteiligen.

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Bildnachweis: amnaj/stock.adobe.com
Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
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