Recht & Verwaltung08 Mai, 2025

Open-House-Modelle: Bedeutung und rechtliche Grenzen

Open-House-Modelle haben eine große Bedeutung in der Beschaffungspraxis. Dieser Beitrag erläutert weitere Hintergründe und rechtliche Grenzen.

Henning Feldmann

Was ist ein Open-House-Modell?

Das Open-House-Modell bezeichnet ein Vertragsmodell, bei dem öffentliche Auftraggeber nicht nur mit einem oder einzelnen Unternehmen einen Vertrag über die Erbringung einer Liefer- oder Dienstleistung schließt, sondern im Ergebnis mit allen Unternehmen, die dies wünschen und die vorgegebenen Eignungsanforderungen erfüllen. Merkmal des Open-House-Modells ist also die fehlende Exklusivität und der fehlende Wettbewerb zwischen den Unternehmen.

Der öffentliche Auftraggeber gewährt beim Open-House-Vertrag jedem interessierten Unternehmen ein voraussetzungsloses Beitrittsrecht während der gesamten Vertragslaufzeit, er trifft keine Auswahlentscheidung zwischen den Angeboten der Bieter und hat daher auch keinen Einfluss darauf, wer sein Vertragspartner wird.

Voraussetzung hierfür ist, dass der öffentliche Auftraggeber alle Vertragsbedingungen einseitig vorgibt. Das umfasst insbesondere die Preise, die Bedingungen der Leistungsausführung und sämtliche Vertragsbedingungen. Möglichkeiten, hierauf Einfluss zu nehmen oder Konditionen, Preise oder sonstige Vertragsinhalte nachzuverhandeln, gibt es für interessierte Unternehmen nicht.

Wann wird es angewandt?

Geeignet ist das Open-House-Model daher v.a. für solche öffentlichen Auftraggeber, die „im Massengeschäft“ einen stetig wiederkehrenden Bedarf an vergleichbaren Leistungen haben, die dann von Dritten erbracht werden und bei denen es aber nicht wesentlich darauf ankommt, wer genau die Leistung erbringt.

Ebenso geeignet sind Open-House-Modelle in solchen Bereichen, bei denen der öffentliche Auftraggeber gar keine Auswahl unter mehreren in Frage kommenden Unternehmen treffen will, weil die eigentliche Leistung gar nicht ihm unmittelbar zugutekommt, sondern einem Dritten und er diesem Dritten die Auswahl überlassen will, bei wem oder von wem die Leistung bezogen wird.

Das Open-House-Model wird daher vor allem im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherungen genutzt und ist hier insbesondere aus dem Bereich der Arzneimittelversorgungsverträge bekannt.

Jeder Hersteller von Arzneimitteln kann einem Open-House-Vertrag beitreten, auf diese Weise Vertragspartner der Krankenkasse werden und diese Vertragspartnerschaft ist dann auch Voraussetzung dafür, dass die Arzneimittel dieses Herstellers auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden können. Der Krankenkasse kommt es nur darauf an, dass der Versicherte versorgt wird, es kommt ihr nicht darauf an, von welchem der vielen Anbieter der Versicherte sein Arzneimittel bezieht.

Grenzen von Open-House-Verträgen in der öffentlichen Beschaffung

Auch wenn der Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung der Bereich der öffentlichen Beschaffung ist, in dem Open-House-Verträge am häufigsten genutzt werden, ist deren Anwendungsbereich nicht darauf beschränkt.

So hat beispielsweise auch eine bundeseigene Gesellschaft, deren Aufgabe die Bewirtschaftung der bundeseigenen Fahrzeugflotte ist, die Erbringung von Reparaturleistungen im Wege eines Open-House-Modells vergeben: alle Werkstätten, die gewisse Eignungsanforderungen erfüllt haben, konnten beitreten und sind infolgedessen berechtigt, Reparaturen an Fahrzeugen des Bundes für den Bund auszuführen und abzurechnen. Auch hier spielt es für den öffentlichen Auftraggeber keine Rolle, in welcher Werkstatt ein Fahrzeug reparieren wird, ihm ist nur wichtig, dass das Fahrzeug repariert wird und dass dies zu seinen Bedingungen erfolgt.

Ungeeignet sind Open-House-Verfahren stattdessen überall da, wo der öffentliche Auftraggeber außerhalb eines stetig wiederkehrenden Bedarfs an mengenmäßig vielen vergleichbaren oder identischen „kleineren“ Aufträgen eine individuelle Dienstleistung oder eine bestimmte Leistung von einem Auftragnehmer benötigt. Vor diesem Hintergrund kommen Open-House-Verfahren vor allem im Baubereich kaum in Betracht.

Rechtliche Zulässigkeit des Open-House-Modells

Als eine Gesetzliche Krankenkasse das Open-House-Vertragsmodell im Jahr 2014 erstmalig anwandte, hielt die Vergabekammer des Bundes diese Form der Vertragsgestaltung noch für unzulässig. Die Vergabekammer des Bundes ging seinerzeit noch davon aus (Beschluss vom 20. Februar 2014, VK 1 4/14), dass dann, wenn ein öffentlicher Auftraggeber Waren oder Dienstleistungen beschaffe, er dies nur durch ein wettbewerbliches Vergabeverfahren tun darf. Es bestehe daher ein Zwang zur Durchführung eines Vergabeverfahrens.

Bereits das OLG Düsseldorf positionierte sich anders und ging davon aus, dass ein reines Zulassungsverfahren ohne Auswahlentscheidung für einen oder mehrere Bieter nicht dem Vergaberecht unterfalle. Dies bestätigte dann der EuGH in seinem Urteil vom 2. Juni 2016, C-410/14. Hiernach liegen kein öffentlicher Auftrag und damit auch keine Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens vor, wenn es allen geeigneten Wirtschaftsteilnehmern während der gesamten Laufzeit gestattet ist, einem Vertrag beizutreten, ohne dass der öffentliche Auftraggeber eine Auswahlentscheidung trifft. Dies leitet der EuGH insbesondere aus den Erwägungsgründen der Vergabe-Richtlinie 2014/24/EU ab, in denen es u.a. heißt:

Ebenso sollten Fälle, in denen alle Wirtschaftsteilnehmer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe - ohne irgendeine Selektivität - berechtigt sind, (…) nicht als Auftragsvergabe verstanden werden, sondern als einfache Zulassungssysteme.

Seitdem ist die grundsätzliche Zulässigkeit des Open-House-Modells nahezu unbestritten, wenn die allgemeinen Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichbehandlung und der Transparenz beachtet werden:

  • es darf keine Auswahlentscheidung des öffentlichen Auftraggebers anhand qualitativer Kriterien geben;
  • der Beitritt muss allen interessierten und geeigneten Wirtschaftsteilnehmern jederzeit möglich sein;
  • der öffentliche Auftraggeber legt alle Vertragsinhalte und Konditionen fest, individuelle Verhandlungen sind nicht zulässig;
  • das Open-House-Verfahren ist angemessen bekanntzumachen, im Zweifel auf der Bekanntmachungsplattform der EU (tenders electronic daily).

Vorteile und Nachteile eines Open-House-Verfahrens

Der Vorteil eines Open-House-Verfahrens liegt für einen öffentlichen Auftraggeber auf der Hand. Die Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens entfällt, das Open-House-Verfahren bietet ihm stattdessen die Möglichkeit, seinen Beschaffungsbedarf durch Vertragsschlüsse mit vielen Anbietern der benötigten Leistung oder Ware zu decken.

Aus Sicht der teilnehmenden Unternehmen bieten Open-House-Verfahren ebenfalls durchaus Vorteile. Denn diese können im öffentlichen Auftraggeber einen neuen und potentiellen Abnehmer ihrer Waren oder Dienstleistungen finden und ihren potentiellen Kundenkreis erweitern, ohne sich zuvor dem Wettbewerb stellen zu müssen. So hat beispielsweise im oben genannten Praxisbeispiel der Autoreparaturen eine regional ansässige Autowerkstatt durch das Open-House-Verfahren die Möglichkeit, durch Beitritt zum Open-House-Vertrag Fahrzeuge von Bundesbehörden reparieren zu können - was vorher nicht ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Doch ist das als „Angebot“ des öffentlichen Auftraggebers zum Abschluss eines Open-House-Vertrags vielfach ein Zwang. Denn wenn ein öffentlicher Auftraggeber Open-House-Verträge über eine bestimmte Leistung abschließt, sind diese für Unternehmen, die diese Leistung erbringen wollen und vielleicht sogar darauf angewiesen sind, zwingend: wer nicht beitritt, darf den öffentlichen Auftraggeber nicht beliefern. Besonders bei Open-House-Verfahren Gesetzlicher Krankenkassen wird so aus dem Angebot schnell ein Zwang, beizutreten. Denn wenn etwa eine große Gesetzliche Krankenversicherung festlegt, dass die Versorgung ihrer Versicherten mit Arzneimitteln nur noch auf Grundlage eines über ein Open-House-Verfahren abgeschlossenen Vertrags erfolgen darf, ist der Beitritt hierzu zwingend, da sie andernfalls Versicherte dieser Krankenkasse nicht mehr versorgen können.

Auch im Übrigen müssen Unternehmen bei Open-House-Verfahren häufig manch bittere Kröte schlucken. Denn spiegelbildlich zur potentiellen Erhöhung des Absatzes der eigenen Dienstleistung oder der eigenen Waren geht einher, dass man die Bedingungen des öffentlichen Auftraggebers akzeptieren muss. Lieferkonditionen, Lieferfristen, Zahlungsfristen, Vertragsstrafenregelungen und vor allem die Preise: alles wird einseitig vorgegeben und muss akzeptiert wird. Verhandlungen sind nicht möglich.

Insbesondere bei den Preisen zeigt sich in der Praxis häufig, dass diese vom Auftraggeber so niedrig angesetzt werden, dass sie für viele kleinere Unternehmen wirtschaftlich nicht darstellbar sind. Insofern nutzen öffentliche Auftraggeber Open-House-Verträge häufig, um die Preise auf ein so niedriges Niveau zu drücken, wie es allenfalls in einem wettbewerblichen Vergabeverfahren mit alleiniger Preiswertung zu erwarten gewesen wäre. In einem solchen kann ein solch niedriger Preis aber durch einen sicher zu erwartenden höheren Absatz kompensiert werden. Bei einem Open-House-Vertrag, bei dem man einer neben vielen anderen Vertragspartnern ist, ist das nicht ohne weiteres möglich.

Anforderungen an die Preisfindung

Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber beim Open-House-Modell keinen vergaberechtlichen Grenzen unterliegt, ist er nicht vollständig frei. So gelten für staatliches Handeln immer die Grundsätze der Richtigkeit, Sachlichkeit und der Vollständigkeit. Öffentliche Auftraggeber müssen hiernach vor Veröffentlichung eines Open-House-Vertrags zum Beitritt den Sachverhalt sorgfältig und vollständig aufklären und sich so eine Tatsachengrundlage verschaffen, auf deren Grundlage sie sachgerechte Konditionen für den Open-House-Vertrag vorgeben können.

Auch die Preise darf der öffentliche Auftraggeber nicht willkürlich oder nach Gutdünken festlegen, sondern er muss sich hierbei einerseits am Wirtschaftlichkeitsgebot orientieren, andererseits aber auch eine Prognose anstellen, ob der Vertragspreis ausreichend attraktiv ist, dass sich eine ausreichende Anzahl von Vertragspartnern beteiligen wird (vgl. die insoweit vergleichbare Rechtsprechung der VK Bund, Beschl. v. 7. Mai 2018, VK 1 - 31/18). Unzulässig wäre es daher, wenn ein öffentlicher Auftraggeber einfach einen Preis vorgibt, der ihm einmal von einem Unternehmen angeboten worden ist oder der ihm als der niedrigste Preis am Markt bekannt ist.

Fazit

Open-House-Verfahren sind in der Praxis angekommen und haben sich insbesondere im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung etabliert.

Öffentliche Auftraggeber müssen abwägen, zur Deckung welchen Bedarfs Open-House-Verfahren Sinn machen und in welchen Fällen nicht und sodann einen Vertrag vorgeben, der für den Querschnitt des potentiellen Anbietermarktes wirtschaftlich darstellbar ist. Das Open-House-Verfahren darf keinesfalls durch die Hintertür dafür genutzt werden, exklusive Verträge nur mit einem oder wenigen Auserwählten zu schließen, indem Konditionen vorgegeben werden, von denen der öffentliche Auftraggeber weiß, dass nur diese sie erfüllen können.

Für Unternehmen ist die Frage nach dem Beitritt in erster Linie eine kaufmännische Entscheidung, ob die mitgeteilten Vertragskonditionen akzeptabel sind oder nicht und in welchem Umfang man sich hiervon einen zusätzlichen Absatz der eigenen Leistungen erwartet.

Bildnachweis: peopleimages.com/stock.adobe.com

RA Henning Feldmann


Partner und Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln. Er berät Auftraggeber- und Auftragnehmer im Vergaberecht und im angrenzenden Wirtschaftsverwaltungsrecht.

Back To Top