HOAI Reform
Recht & Verwaltung03 Februar, 2023

Sicherungsanspruch des Bauunternehmers: Darf’s ein bisschen weniger sein?

Der Sicherungsanspruch des Bauunternehmers gehört zu den wichtigsten und auch besten Regelungen, die der Gesetzgeber für das Bauvertragsrecht konzipiert hat. Der Anspruch ist praktikabel sowie effektiv und trägt wesentlich dazu bei, das Kräfteverhältnis zwischen den Vertragsparteien sinnvoll auszutarieren.

VRiKG Björn Retzlaff

Die Regelung des Sicherungsanspruchs des Bauunternehmers in § 650f BGB ist praktikabel, weil die Sicherheit der Höhe nach leicht zu bestimmen ist. Sie ist effektiv, weil das Gesetz ein funktionierendes Instrumentarium bereitstellt, das ihre Durchsetzung gewährleistet: Der Anspruch kann nicht abbedungen werden, und wenn der Besteller dem Unternehmer die Sicherheit nicht leistet, steht dem Unternehmer eine Sanktionstrias offen: Er kann die Sicherheit in einem schlanken Prozess einklagen, seine Leistungen einstellen oder den Vertrag aus wichtigem Grund, also unter Erhalt der „großen“ Kündigungsvergütung (§ 650f Abs. 5 Satz 2 BGB), kündigen.

Auch bei einer sinnvollen Regelung kann aber die Erkenntnis reifen, dass sie nachjustiert werden sollte. Bei § 650f BGB drängt sich die Frage auf, ob sich der Sicherungsanspruch tatsächlich auf die volle Höhe der vereinbarten Vergütung (zuzüglich eines Zuschlags von 10 % für Nebenforderungen) belaufen muss. Denn für nicht wenige Auftraggeber bedeutet es eine erhebliche Belastung, bis zum Abschluss eines Bauvertrags, also mitunter über Jahre hinweg, eine Sicherheitsleistung in dieser Höhe aufrecht zu erhalten.

Das muss keineswegs Folge einer unseriösen Finanzierung sein, hält man sich vor Augen, dass ein Auftraggeber – etwa ein Generalunternehmer – bei einem Projekt mit den Sicherungsansprüchen vieler Unternehmer gleichzeitig konfrontiert sein kann und dies vom ersten Tag der Laufzeit der jeweiligen Verträge an.


Auskömmliche Sicherheit für den Vergütungsanspruch

Natürlich muss ein Bauunternehmer über eine auskömmliche Sicherheit für seinen Vergütungsanspruch aus einem Bauvertrag verfügen. Aber nur in seltenen Ausnahmefällen dürfte tatsächlich ein Bedürfnis nach einer „Hundert-Prozent-Sicherheit“ bestehen:

Praktisch jeder Bauunternehmer beansprucht und erhält Abschlagszahlungen gemäß seinem Leistungsfortschritt. Deshalb gilt: Je höher der von ihm erreichte Leistungsstand, desto geringer ist in aller Regel der noch offene Anteil der Gesamtvergütung, um dessen Besicherung es geht. Und umgekehrt: Ist der Leistungsstand geringer, mag der offene und sicherungsbedürftige Vergütungsanteil entsprechend größer sein.

Das Eintreten des Sicherungsfalls, bedeutet aber in aller Regel, dass der Auftraggeber nicht mehr zahlen kann und der Vertrag (ohne wichtigen Grund auf Seiten des Auftraggebers) gekündigt ist. Damit senkt sich der Vergütungsanspruch des Unternehmers auf die große Kündigungsvergütung ab. Auch diese ist gem. § 650f BGB abzusichern, aber je geringer der Leistungsstand, desto größer ist die Differenz zur vollen vereinbarten Vergütung, da die Abzugsposten der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs entsprechend größer sind.

Dies zeigt, dass der Vergütungsanteil, für den der Unternehmer eine Sicherheit benötigt, in aller Regel deutlich niedriger als die der vereinbarte Vergütung ist: Bei hohem Leistungsstand aufgrund von Abschlagszahlungen, bei niedrigem Leistungsstand (und Kündigung) aufgrund der Absenkung der Vergütung auf die große Kündigungsvergütung.


Sicherungsanspruch auf eine Quote des Vergütungsanspruch beschränken?

Im Zuge der anstehenden Evaluation des Bauvertragsrechts durch die Bundesregierung sollte deshalb geprüft werden, ob der Sicherungsanspruch nicht auf eine zu definierende Quote des Vergütungsanspruchs beschränkt wird. 30 oder 40 % der vereinbarten Vergütung erscheinen ausreichend. So sieht es zum Beispiel das österreichische Recht vor (vgl. § 1170b Abs. 1 ABGB, dort mit Differenzierung nach Vertragslaufzeit).1

Dabei würde die Sicherheit nach § 650f BGB nur der Höhe nach, nicht inhaltlich beschränkt. Inhaltlich deckt sie weiterhin sämtliche Vergütungspositionen des Unternehmers aus dem Vertrag ab. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof kürzlich klargestellt, dass § 650f Abs. 1 BGB mit dem Begriff der Formulierung „auch in Zusatzaufträgen“ Mehrvergütungsansprüche des Unternehmers aufgrund von Leistungsänderungen erfasst (Urt. v. 20.10.2022 – VII ZR 154/21).

Wegen dieser Reichweite der Sicherung besteht aus Sicht des Unternehmers eigentlich kein Bedarf, umstrittene Nachträge in die Bemessung der Sicherungshöhe einfließen zu lassen. Für ihn genügt es, dass der Sicherungszweck (z.B. einer Bürgschaft) nach Vorgabe von § 650f Abs. 1 BGB formuliert ist. Dann ergibt sich aus der Entscheidung des BGH, dass auch ein umstrittener Nachtrag abgesichert ist, er muss sich nur „am Ende“ als begründet erweisen, also ggf. nach Abschluss einer Vergütungsklage.

Dass er bei der Ermittlung der Sicherungshöhe nicht berücksichtigt wurde, ist gleichgültig, wenn diese auch auf Basis der vereinbarten Vergütung ohne Nachträge auskömmlich ist. Das dürfte, wie dargelegt in aller Regel der Fall sein, vor allem wenn § 650f BGB wie gegenwärtig auf 100 % der vereinbarten Vergütung gerichtet ist.

Merke: Auch bei der Sicherungsanforderung des Unternehmers kann weniger mehr sein. Der Unternehmer sollte die Sicherheit lieber ohne Nachträge beanspruchen. Eine Erhöhung um Mehrvergütungspositionen kostet nur (Aval-) Zinsen, die der Unternehmer zu erstatten hat, kann einen Sicherungsprozess aufhalten und führt in einem ungünstigen Fall sogar zur Unwirksamkeit der Fristsetzung und damit einer Kündigung nach § 650f Abs. 5 BGB.
Retzlaff_Bjoern
Autor
VRiKG Björn Retzlaff

Vorsitzender Richter des 21. Zivilsenats am Berliner Kammergericht, der für Bausachen zuständig ist.

Mitherausgeber der Zeitschrift „baurecht“.

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