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Recht & Verwaltung15 Juli, 2022

Ist trotz Pandemie ein Kostensenkungsverfahren möglich?

Redaktion eGovPraxis Sozialhilfe

Der Gesetzgeber hat im Sozialschutzpaket I vom 27.03.2020 geregelt, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung während der COVID-19 Pandemie für sechs Monate als angemessen gelten (§ 67 Abs. 3 SGB II). Ob nach Ablauf der Zeitspanne Kostensenkungsverfahren wegen unangemessen hoher Kosten der Unterkunft und Heizung zulässig sind, hat nun das LSG Nordrhein-Westfalen entschieden.

Der Fall

Das Jobcenter bewilligte den Hilfesuchenden Alg II für zwei Halbjahreszeiträume. Es wies zu Beginn des zweiten Zeitraumes darauf hin, dass die pro Monat anfallenden Unterkunfts- und Heizkosten unangemessen seien und forderte die Kostensenkung. Nach dessen Ende berücksichtigte er nur noch eingeschränkte Leistungen. Die Hilfesuchenden legten Widerspruch ein und suchten um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach.

Die Entscheidung

Im Unterschied zum angerufenen SG entschied das LSG, dass auch während der Pandemie trotz gesetzlicher Sonderregelung ein Kostensenkungsverfahren nicht generell ausgeschlossen ist. Es zeigt hierzu auf, dass gem. § 67 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten und dieser Zeitraum nicht auf die in § 22 SGB II genannte Frist anzurechnen sei. Bei im Zeitraum 01.03.2020 bis 31.03.2022 beginnenden Bewilligungszeiträumen sei für sechs Monate eine Angemessenheitsprüfung nicht vorzunehmen. Nach Ablauf der sechs Monate solle jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut die allgemeine Regelung des § 22 SGB II wieder gelten. Deren Regelungszweck liege darin, dass die von den Auswirkungen der Pandemie Betroffenen sich kurzfristig nicht auch noch um ihren Wohnraum sorgen müssten. Von einem kurzfristigen Verlust dürfe jedoch nach über einem Jahr im SGB II-Leistungsbezug nicht mehr ausgegangen werden.

Fazit aufgrund der Entscheidung

  • Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 SGB II).
  • Soweit die Aufwendungen den angemessenen Umfang übersteigen, sind sie so lange anzuerkennen, wie es den Leistungsberechtigten nicht möglich oder zuzumuten sei, z.B. durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
  • Zusätzlich gewährt die Sonderregelung des § 67 SGB II bei im Zeitraum 01.03.2020 bis 31.03.2022 beginnenden Bewilligungszeiträumen, dass die Angemessenheitsprüfung für sechs Monate ausgesetzt wird.
  • Im Anschluss an diese Zeitspannen findet wieder eine Angemessenheitsprüfung statt.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.06.2022 zum Beschluss des LSG vom 12.05.2022 - L 2 AS 468/22 B ER

Anmerkung der Redaktion: Lesen Sie hierzu bitte auch die Ausführungen unseres Autors Prof. Dr. Peter Becker in Corona-Sonderregelungen | Aktuelle Lage ab 01.04.2022/Nachtrag 05.07.2022 und zum Kostensenkungsverfahren, startend mit den Einstiegsinformationen | Kostensenkungsverfahren.

 

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