Prof. Dr. Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D.
Die stark gestiegenen Energiepreise im Jahr 2022 haben u.a. zum Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2023 und über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme vom 15.11.2022 (BGBl. I 2035) geführt. Dessen Art. 3 enthält das (neue) Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG), das am 19.11.2022 in Kraft getreten ist.
Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz
Nach § 2 Abs. 1 Satz EWSG sind Erdgaslieferanten verpflichtet, den Letztverbrauchern einen einmaligen Entlastungsbetrag in der nach § 2 Abs. 2 EWSG bestimmten Höhe „gutzuschreiben“. Dies hat im Dezember 2022 zu erfolgen (§ 3 Abs. 2 EWSG).
Für (Fern-)Wärmeversorgungsunternehmen gilt entsprechendes (§ 4 EWSG).
Sozialrechtliche Regelung
Ergänzend wird in § 11 EWSG unter der Überschrift „Sozialrechtliche Regelung“ für Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder SGB XII erhalten, folgendes angeordnet:
- Wird solchen Personen die von ihnen vorgenommene Überweisung (einer vereinbarten Vorauszahlung oder Abschlagszahlung) von ihrem Erdgaslieferanten (zurück-)überwiesen, so gilt diese Einnahme erst mit der nächsten Verbrauchsabrechnung als zugeflossen (Abs. 1).
- Unterlässt der Erdgaslieferant bei solchen Personen die Abbuchung der Voraus-/Abschlagszahlung seinerseits, ist der hierdurch verringerte Bedarf erst bei der nächsten Verbrauchsabrechnung zu berücksichtigen
(Abs. 2).
Hintergrund für diese speziellen sozialrechtlichen Regelungen ist die Vermeidung von unnötigem Verwaltungsaufwand bei den Jobcentern und Sozialämtern: Der Zeitpunkt, zu dem die einmalige Entlastung für Dezember 2022 leistungsrechtlich zu berücksichtigt ist, wird bewusst auf den Zeitpunkt der Schlussrechnung des Abrechnungszeitraums nach hinten verschoben (BT-Drucks. 20/4373 S. 39).
Die insgesamt etwas komplizierte Regelung ist der unterschiedlichen Versorgungs- und Vertragssituation der leistungsberechtigten Personen nach dem SGB II und SGB XII geschuldet:
- Haben diese Personen nicht selbst einen Vertrag mit dem Gaslieferanten, sondern müssen sie einen Abschlag an den Vermieter zahlen, ändert das Gesetz an diesem Abschlag aktuell nichts, wohl aber bei der endgültigen Abrechnung.
- Sind die Leistungsberechtigten selbst Vertragspartner des Gaslieferanten kann es zu verschiedenen Fallkonstellationen kommen:
- Der Erdgaslieferant zieht (z.B.) aufgrund einer Einzugsermächtigung den Abschlag für das Gas grundsätzlich selbst ein, verzichtet aber auf den Einzug im Dezember 2022.
Dies wäre eine Bedarfsminderung.
- Die Leistungsberechtigten überweisen grundsätzlich den Abschlag ihrerseits, sehen aber von einer Überweisung ab.
Dies wäre eine Bedarfsminderung.
- Die Leistungsberechtigten überweisen grundsätzlich den Abschlag ihrerseits und so auch für Dezember 2022, der Erdgaslieferant überweist den Betrag jedoch zurück.
Dies wäre eine Einnahme.
- Der Erdgaslieferant zieht (z.B.) aufgrund einer Einzugsermächtigung den Abschlag für das Gas grundsätzlich selbst ein, verzichtet aber auf den Einzug im Dezember 2022.
Aufgrund der sozialrechtlichen Regelung in § 11 EWSG ist der Abschlag immer als Bedarf im Dezember anzuerkennen und – bei einer Rückzahlung – nicht als Einkommen im Dezember oder ggf. Januar zu berücksichtigen. Denn die Verringerung des Bedarfs ist ebenso wie die Einnahme erst bei der nächsten Verbrauchsabrechnung zu berücksichtigen.
Aktuell ändert sich also für diesen Personenkreis auch nichts!
Bedeutung für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dies: Die Umsetzung des EWSG erfolgt also immer erst mit der nächsten Verbrauchsabrechnung. Aktuell ist nichts zu veranlassen.