Entwurf zum Bürgergeldgesetz: Ein Ausblick für die Praxis in Jobcentern und Sozialämtern
Recht & Verwaltung09 November, 2022

Entwurf zum Bürgergeldgesetz: Ein Ausblick für die Praxis in Jobcentern und Sozialämtern

Prof. Dr. Peter Becker, vors. Richter BSG a.D.

Der lange angekündigte Entwurf zum Bürgergeld als Ablösung von Hartz IV in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II liegt vor. Damit wird deutlicher, welche Änderungen geplant sind. Bis zur Verabschiedung im Bundesrat (vorauss. Ende Nov. 22) muss aber mit Anpassungen gerechnet werden. Der offizielle Name des Gesetzes lautet: Zwölftes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz), siehe BR-Drucks. 456/22 = BT-Drucks. 20/3873Zum politischen Hintergrund der Neuregelungen sei nur auf die Schlagwörter mehr Respekt, mehr Sicherheit, neues Miteinander und Vertrauen verwiesen (siehe BT-Drucks. 20/3873 S. 1 f.). 


Auswirkungen auf die Praxis der Jobcenter

Nach dem derzeitigen Stand sind folgende größere in der Praxis relevante Änderungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende geplant:


Allgemeines 

  • Ersetzung der Begriffe Alg II und Sozialgeld durch den einheitlichen Begriff „Bürgergeld“ (vgl. z.B. in § 19 Abs. 1 SGB II)
  • Neuregelung der Erreichbarkeit/Ortsabwesenheit (neuer § 7b SGB II) 
  • Aussetzung der Pflicht zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente (neuer § 12a Satz 3 SGB II) 

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit 

  • Abschaffung der Eingliederungsvereinbarung und Ersetzung durch einen Kooperationsplan verbunden mit der Einführung einer Vertrauenszeit (neue §§ 15, 15a SGB II) 
  • Abschaffung des Vermittlungsvorrangs (Änderung § 3 SGB II) 
  • Verbesserung der Möglichkeiten zur Weiterbildung, einschließlich Entfristung der Weiterbildungsprämie, Einführung eines Weiterbildungsgelds und Bürgergeldbonus (§ 87a Abs. 3, § 131 Abs. 3 SGB III, § 16 Abs. 3b, § 16j SGB II) 
  • Einführung eines Coachings (neuer § 16k SGB II) 
  • Entfristung der Regelung über den sozialen Arbeitsmarkt (Aufhebung § 81 SGB II).

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts 

Erhöhung der Regelbedarfe durch eine geänderte Fortschreibung auf 502 Euro in der Regelbedarfsstufe 1 (§ 65 Abs. 6 SGB II, § 28a SGB XII, Tabelle zu § 28 SGB XII) und der Beträge für den persönlichen Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 SGB II, Anlage zu 34 SGB XII) :

  • Bei den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung Weitergeltung der Karenzzeit von zwei Jahren (Neufassung § 22 Abs. 1 SGB II) 
  • Beim zu berücksichtigenden Einkommen Erhöhung der freigestellten Beträge im Hinblick auf (Änderungen in § 11, 11a, 11b:
    • Mutterschaftsgeld 
    • Erwerbseinkommen von Schülerinnen und Schülern, von Studierenden und von Auszubildenden 
    • Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten (zukünftig 3000 Euro jährlich) 
  • Erweiterung des geschützten Vermögens, z.B. bei Hausgrundstück, und Weitergeltung der Karenzzeit von zwei Jahren (Neufassung von § 12 SGB II)
  • Neuregelung der Leistungsminderungen (= bisherige Sanktionen) (Neufassung von §§ 31-32 SGB II)
  • Einführung einer Bagatellgrenze von 50 Euro pro Bedarfsgemeinschaft für Aufhebungen und Erstattungen (Änderung § 40 Abs. 1 SGB II) 

Inkrafttreten sollen das Bürgergeld-Gesetz und die Änderungen im SGB II im Wesentlichen zum 01.01.2023. 
Abweichendes Inkrafttreten der Regelungen wurde kursiv gekennzeichnet. Insb. betroffen sind folgende Regelungen:  

  • Am 01.04.2023 tritt der neue § 16 Abs. 3b (Weiterbildungsgeld) in Kraft. 
  • Am 01.07.2023 treten die Neuregelungen zum Kooperationsplan und zu den Sanktionen in Kraft. 

Hinzuweisen ist auf folgende Punkte aus der Diskussion zum SGB II in den letzten Jahren, die zumindest bisher keine Änderung oder Regelung im Bürgergeld-Gesetz erfahren haben: 

  • temporäre Bedarfsgemeinschaft 
  • Weiße Ware 
  • Preisanstiege bei Strom 

Auswirkungen auf die Praxis der Sozialämter

Nach dem derzeitigen Stand ergeben sich folgende, in der Praxis relevante Änderungen für die Sozialhilfe: 

  • Erhöhung der Regelbedarfe/Regelsätze durch eine geänderte Fortschreibung auf 502 Euro in der Regelbedarfsstufe 1 (§ 28a SGB XII) 
  • Bei den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung Weitergeltung der Karenzzeit von zwei Jahren sowie Harmonisierung der Vorschriften mit dem SGB II (§§ 35 ff. SGB XII) 
  • Beim zu berücksichtigenden Einkommen Erhöhung der freigestellten Beträge im Hinblick auf (§ 82 SGB XII): 
    • Mutterschaftsgeld 
    • Erwerbseinkommen von Schülerinnen und Schülern, von Studierenden und von Auszubildenden 
    • Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Tätigkeiten (zukünftig 3.000 Euro jährlich) 
  • Erhöhung des geschützten Vermögens von 5.000 Euro auf 10.000 Euro und um ein angemessenes Kraftfahrzeug (§ 90 SGB XII und der Durchführungsverordnung)

Inkrafttreten sollen das Bürgergeld-Gesetz und die Änderungen im SGB XII zum 01.01.2023. 

Prof. Dr. Peter Becker

Prof. Dr. Peter Becker

Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., Honorarprofessor der Universität Kassel und Chief-Editor der eGovPraxis Sozialhilfe.
Bildnachweis: domoskanonos/stock.adobe.com
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