Alles Wichtige zum Werklieferungsvertrag
Recht & Verwaltung17 Februar, 2023

Alles Wichtige zum Werklieferungsvertrag

Vom Bauvertrag § 650a BGB abzugrenzen sind Werklieferungsverträge nach § 650 BGB, bei denen der Unternehmer von ihm herzustellende bewegliche Sachen zu liefern hat. Die Herstellungsverpflichtung des Unternehmers unterscheidet diese Verträge von den Kaufverträgen nach § 433 BGB.

Dr. Andreas Schmidt


Erläuterung

Auch beim Bauvertrag hat der Unternehmer ggf. bewegliche Sachen – Baumaterialien – zu liefern. Im Vordergrund steht beim Bauvertrag jedoch nicht die Lieferung, sondern der fachgerechte Einbau der Materialien, also deren Verbindung mit einem Grundstück. Nach Maßgabe der §§ 93, 94 BGB werden die Baumaterialien wesentliche Bestandteile des Baugrundstücks – und gelten dann nicht mehr als bewegliche Sachen. Entscheidend für die Abgrenzung des Bauvertrages vom Werklieferungsvertrag ist also, ob der Unternehmer auch den Einbau der zu liefernden Sachen übernommen hat: Dann liegt in der Regel ein Bauvertrag vor.


Beispiel:

  • Der Besteller beauftragt den Bauunternehmer mit der Herstellung, Lieferung und dem Einbau von Aluminiumfenstern (Bauvertrag gemäß § 650a BGB). Der Bauunternehmer seinerseits bestellt bei einem Profilhersteller die für den Bau der Fenster erforderlichen Aluminiumprofile. Hierbei handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag: Der Profilhersteller schuldet die Herstellung und Lieferung der Aluminiumprofile, welche bewegliche Sachen im Sinne des § 650 BGB darstellen.

  • Wenn der Bauunternehmer die Profile in einer Standardfarbe nach Katalog beim Baufachhändler bestellt, handelt es sich hingegen um einen reinen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB. Hier fehlt es an einer vertraglichen Herstellungsverpflichtung des Baufachhändlers, die Voraussetzung eines Werklieferungsvertrages ist. Denn der Händler tritt erkennbar nicht als Hersteller der in seinem Katalog angebotenen Standardprodukte auf (BGH, Urt. vom 02.04.2014, Az. VIII ZR 46/13, BauR 2014, 1295).

Abgrenzung Bauvertrag / Werklieferungsvertrag

Die Abgrenzung von Bauvertrag und Werklieferungsvertrag ist von herausragender Bedeutung, da der Werklieferungsvertrag weitgehend dem Kaufrecht unterliegt. Daraus ergeben sich gravierende Unterschiede:

  • Das Kaufrecht kennt beispielsweise keinen Anspruch des Verkäufers auf Abschlagszahlungen (vgl. § 632a BGB).
  • Die gesetzlichen Sicherungsrechte zugunsten von Bauunternehmern (§§ 650e, 650f BGB) sind im Kaufrecht nicht anwendbar.
  • Die Möglichkeit, jederzeit den Vertrag zu kündigen, kennt nur das Werkvertragsrecht (vgl. § 648 BGB).
  • Im Falle von Mängeln gibt es ein Recht auf Selbstvornahme und Kostenvorschuss nur beim Werkvertrag.
  • Ein weiterer wichtiger Unterschied ergibt sich aus dem Recht des Handelskaufs: Sind beide Vertragspartner Kaufleute, so muss beim Werklieferungsvertrag der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung untersuchen und etwaige Mängel gegenüber dem Verkäufer rügen; anderenfalls gilt die Ware als genehmigt (so genannte Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß §§ 377 Abs. 1, 2, 381 Abs. 2 HGB). Dem Käufer stehen bei nicht rechtzeitiger Rüge keine Mängelansprüche gegen den Verkäufer mehr zu. Eine entsprechende Regelung gibt es beim Bauvertrag nicht.

Der Bundesgerichtshof hat mit der bekannten Silo-Entscheidung (BGH, Urt. vom 23.07.2009, Az. VII ZR 151/08 – BGHZ 182, 140 = BauR 2009, 1581) entschieden, dass alle Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, nach Maßgabe des § 651 a.F. BGB (nunmehr § 650 BGB) nach Kaufrecht zu beurteilen sind.

Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke – hier: eine Siloanlage – eingebaut zu werden, rechtfertige keine andere Beurteilung. Dies gilt auch dann, wenn der Lieferant für die Herstellung der Bau- und Anlagenteile auch Planungsleistungen zu erbringen hat, die nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.

Käufer von Baumaterialien – typischerweise Bauunternehmer – müssen daher im Rahmen ihres Materialeinkaufs die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß §§ 377 Abs. 1, 2, 381 Abs. 2 HGB beachten, um ihre Mängelrechte nicht zu verlieren. Dies erforderte eine sorgfältig dokumentierte Wareneingangskontrolle – gleich ob die Ware im Betrieb oder auf der Baustelle angeliefert wird.

Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Die Lieferung und Montage eines Umluftkühlsystems für eine Lackiererei unterliege dem Kaufrecht, entschied das OLG Düsseldorf, Urt. vom 06.11.2012, Az. 21 U 75/11.
  • Werkvertragsrecht soll hingegen für einen Vertrag über Lieferung und Montage einer Einbauküche nach einem auf den Grundriss der Küche abgestellten Einbauplan gelten (OLG Frankfurt, Urt. vom 09.04.2008, Az. 19 U 280/07, BauR 2008, 1494; Kammergericht, Urt. vom 17.03.2006, Az. 7 U 221/05). Allerdings werden solche Verträge von Kaufverträgen oder Werklieferungsverträgen mit Montageverpflichtung abzugrenzen sein.
  • Ein Vertrag über die Herstellung, Lieferung und den Einbau von Türen ist ein Werklieferungsvertrag, wenn die Montage- und Einbaukosten weniger als 5% der Gesamtrechnungssumme ausmachen (OLG Köln, Beschl. vom 13.04.2015, Az. 11 U 183/14).
  • Bei Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen liegt der Schwerpunkt der Leistung in der Regel auf der Lieferung; es handelt sich in diesem Fall nicht um einen Bauvertrag, sondern um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung (BGH, Urt. vom 03.03.2004, Az. VIII ZR 76/03, BauR 2004, 995). In diesem Sinne auch OLG Naumburg, Urt. vom 20.02.2014, Az. 1 U 86/13, BauR 2014, 1362. In einem besonders liegenden Fall hat der BGH aber einen Werkvertrag angenommen (BGH, Urt. vom 02.06.2016, Az. VII ZR 348/13).
  • Kaufrecht gilt auch für die Lieferung serienmäßig hergestellter Windkraftanlagen, die auf bauseitige Fundamente montiert werden (OLG Schleswig, Urt. vom 07.09.2007, Az. 4 U 156/06).
  • Bei Lieferung und Einbau von Tankbehältern ist Werkvertragsrecht anzuwenden, wenn der Lieferant auch Planungsleistungen zu erbringen hat (OLG Naumburg, Urt. vom 26.06.2014, Az. 2 U 131/13).
  • Ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts mit einer individuell erstellten, an die Wohnverhältnisse des Kunden angepassten Laufschiene ist ein Werkvertrag (BGH, Urt. vom 20.10.2021, Az. I ZR 96/20).

Weiterführende Informationen zum Thema


Arbeitshilfen

Aufsätze

Kommentare und Handbücher

Rechtsprechung

  • BGH, Urt. vom 20.10.2021, Az. I ZR 96/20
    Revision einer eingetragenen Verbraucherzentrale wegen des Widerrufsrechts eines Vertrages über die Lieferung und Montage eines Kurventreppenlifts; Rechtmäßigkeit des Ausschlusses des Widerufsrechts

  • BGH, Urt. vom 02.06.2016, Az. VII ZR 348/13
    Anwendung der Verjährungsfrist von fünf Jahren für Arbeiten bei Bauwerken für die nachträgliche Errichtung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach einer Tennishalle; Fester Einbau der Anlage zur dauernden Nutzung; Beurteilung des Einbaus als grundlegende Erneuerung der Tennishalle; Funktionserfüllung der Anlage für die Tennishalle; Mangelhaftigkeit der Anlage aufgrund eines reduzierten Leistungsbilds sämtlicher Module

Gesetzgebung

Sicherheiten beim Bauvertrag
Autor
Dr. Andreas Schmidt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht ist Partner und Gesellschafter bei der SMNG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Mitherausgeber und Autor des Online-Moduls »Praxiswissen Baurecht«.
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