Recht & Verwaltung02 April, 2020

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitsgestaltung im Geltungsbereich des TVöD

Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestufte Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Virus) stellt gerade die Kommunen, kommunalen Einrichtungen und Betriebe vor nicht gekannte Herausforderungen. Gerade hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich des TVöD ergeben sich eine Vielzahl von Fragestellungen: Was passiert, z.B. während einer Betriebsschließung mit dem Erholungsurlaub – gibt es Zwangsurlaub? Diese Frage und viele mehr beantwortet Ihnen dieser Beitrag.

von Jürgen Dahl | Referent beim Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW)

Der Coronavirus ist derzeit das Hauptgesprächsthema in allen Bevölkerungsschichten und macht auch vor dem öffentlichen Dienst nicht Halt. Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Pandemie eingestufte Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Coronavirus) stellt gerade die Kommunen, kommunalen Einrichtungen und Betriebe vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. In Bezug auf die Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich des TVöD ergeben sich eine Vielzahl von Fragestellungen, die in diesem Beitrag angesprochen werden sollen. Die häufigsten Fragen ergeben sich vor allem in Bezug auf bestehende Erholungsurlaubsansprüche sowie Überstunden und Homeoffice.

1. Erholungsurlaub gem. § 26 TVöD

Beim Erholungsurlaub kann es zu vielschichtigen Fragestellungen kommen. Angefangen über eine/n bereits im Urlaub befindliche/n Arbeitnehmer/in*, der/die* aufgrund eines Auslandsurlaubs eine Rückreise nicht antreten kann über den/die Arbeitnehmer/in*, der/die* einen bereits genehmigten Erholungsurlaub nicht antreten möchte, bis zur Anordnung von „Urlaubssperren“ durch den Arbeitgeber.

1.1 Quarantänemaßnahmen im Ausland

Das (deutsche) Infektionsschutzgesetz gilt nur bei einer von der zuständigen Behörde (im Inland) verhängten Quarantäne und gilt somit nicht bei Auslandsquarantänen. Der/die Beschäftigte* trägt das seiner privaten Lebensführung zuzurechnende Risiko einer rechtzeitigen Rückkehr, um die nach dem Erholungsurlaub wieder bestehende Arbeits-/Dienstverpflichtung zu gewährleisten. Kommt er/sie* dieser Verpflichtung zur Arbeitstätigkeit nach dem beendeten Erholungsurlaub nicht nach, handelt es sich um eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese könnte der Arbeitgeber entsprechend sanktionieren (z.B. Abmahnung). Insofern muss der/die Beschäftigte* rechtzeitig Kontakt noch während des Erholungsurlaubs mit dem Arbeitgeber aufnahmen, um mit diesem eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Diese könnte z.B. in einer Verlängerung des Erholungsurlaubs (soweit noch entsprechende Resturlaubstage vorhanden sind) oder in einer unbezahlten Freistellung liegen.

Interessant kann in diesem Zusammenhang auch die Hinweispflicht des (rückkehrenden) Auslandsreisenden sein:
Soweit sich der/die Beschäftigte* in den Gebieten aufgehalten hat, für die das Auswärtige Amt eine offizielle Reisewarnung wegen der Infektionsgefahr herausgegeben hat oder die unter Quarantäne stehen, muss der/die Beschäftigte* den Arbeitgeber darauf hinweisen, dass er aus einem solchen Land zurückkehrt.

1.2 Betriebsschließung und „Zwangsurlaub“?

Bei den sog. Betriebsschließungen ist zwischen behördlich angeordneten und freiwilligen Schließungen zu unterscheiden.

Soweit eine behördliche Anordnung zur Schließung eines Betriebs vorliegt (z.B. wie jetzt aktuell bei den Kindergärten oder Schulen), kann ein/e Beschäftigte/r* nicht in einen „Zwangsurlaub“ geschickt werden. Der Arbeitgeber trägt das sog. Betriebsrisiko, er muss also das Entgelt fortzahlen. Dies ist kein Fall, in dem eine arbeitgeberseitige Anordnung eines Zwangsurlaubs in Betracht käme.

Bei freiwilligen Schließungen (wie z.B. derzeit bei vielen Rathäusern) handelt es sich um eine Entscheidung des Arbeitgebers, aus Fürsorgegründen die Beschäftigten nicht vor Ort arbeiten zu lassen, um eventuellen Ansteckungsgefahren aus dem Weg zu gehen. Auch hier gilt, dass die Beschäftigten grundsätzlich auf der einen Seite zur Arbeitsleistung verpflichtet sind und diese auf der anderen Seite ggfs. auch anbieten und der Arbeitgeber somit den Entgeltanspruch der Beschäftigten sichern muss. Eine Anordnung von „Zwangsurlaub“ kommt auch hier nicht in Betracht.

Im Zusammenhang mit der möglichen Einführung der Kurzarbeit auch im öffentlichen Dienst ist zu beachten, dass der § 96 Abs. 4 SGB III dahingehend eine kurzfristige Änderung erfahren hat: Der sog. „nicht vermeidbare Arbeitsausfall“ (der die Zahlung des Kurzarbeitergelds nach sich zieht) setzt voraus, dass die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub vorab vorgenommen wurde. Insofern müssten öffentliche Arbeitgeber, die Kurzarbeitergeld beantragen wollen, dafür Sorge tragen, dass (zumindest) die Resturlaube des Jahres 2019 und älter vor Beginn der Kurzarbeit „genommen“ (nicht „angetreten“) wurden. Hierzu hat der Arbeitgeber im Rahmen des § 26 TVöD auch das Recht, da diese (Alt-)Urlaube ansonsten bis zum 31.05.2020 verfallen.

1.3 Gutschrift von bereits genehmigtem Urlaub?

Der/die Beschäftigte*, der/die* einen bereits beim Arbeitgeber beantragten (und ggfs. auch schon genehmigten) Erholungsurlaub widerrufen möchte, kann dies nicht einseitig tun. Ein bereits beantragter und/oder genehmigter Erholungsurlaub kann nur im gegenseitigen Einvernehmen wieder „gutgeschrieben“ bzw. widerrufen werden.

Es gibt kein „Stornierungsrecht“!

Hier muss der/die Beschäftigte* also das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
Vielfach wird in bestimmten Bereichen wie den Kindergärten eine Betriebsschließung vorgenommen, so dass die dort Beschäftigen schon von sich aus Erholungsurlaub im Vorfeld beantragt hatten. Dieser Erholungsurlaub soll aktuell auf Wunsch der Beschäftigten zu einem späteren Zeitpunkt genommen werden. Einseitig ist dies so nicht möglich! Denn auch hierbei muss der Arbeitgeber die späteren Folgen dieser „Urlaubsgutschrift“ berücksichtigen. Auch nach der Corona-Pandemie müssen die betrieblichen Belange wie Mindestbesetzung in den Kindergärten beachtet werden, so dass eine „Urlaubsgutschrift“ die kommunalen Arbeitgeber in mögliche künftige Personalengpässe führen könnte.

Letztlich kann ein Urlaub auch zuhause stattfinden (ohne eine Reise), denn er soll dem Erholungszweck dienen! 

1.4 Urlaubssperre

Durch eine Urlaubssperre in derzeit dringend benötigten Fachbereichen (Kranken-/Altenpflege, Sparkassen, Ordnungsämter etc.) versuchen die kommunalen Arbeitgeber der Corona-Krise Herr zu werden. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und lebensnotwendiger Bereiche berechtigen den Arbeitgeber letztlich auch zu Urlaubssperren. Ein bereits genehmigter Erholungsurlaub kann somit einseitig durch den Arbeitgeber widerrufen werden.

Hierzu auch § 7 Abs. 1 BurlG: „Der Arbeitgeber kann den Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen verweigern.“

Das BAG geht im Urteil vom 20.06.2000 -9 AZR 455/99- davon aus, dass dies in einem besonderen betrieblichen Notfall zulässig ist. Der/die Beschäftigte* muss aufgrund seiner/ihrer besonderen Treuepflicht zum kommunalen Arbeitgeber dem Widerruf zustimmen und die Arbeitstätigkeit aufnehmen.

Vielfach entsprechen diese Urlaubssperren ohnehin dem Wunsch der Beschäftigten, da aufgrund von aktuellen Reisebeschränkungen (s. 1.1) eine geplante oder gebuchte Reise nicht stattfinden kann.

2. Zuweisung gleichwertiger Arbeit bei Betriebsschließungen

Häufig erfolgen Betriebsschließungen aus freiwilligen Gründen seitens des Arbeitgebers. Es stellt sich dabei die Frage nach der Entgeltfortzahlung (s. 1.2). Da der Arbeitgeber das Entgelt für die Beschäftigten fortzahlen muss, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, wie trotz Betriebsschließungen noch eine Arbeitsleitung erbracht werden kann.

Soweit die Arbeitszeit auf Veranlassung des Arbeitgebers ausfällt und auch keine anderweitigen Einsatzmöglichkeiten bestehen, muss diese von den Beschäftigten letztlich nicht nachgeholt werden.

2.1 Gleichwertige Tätigkeit

Im Geltungsbereich des TVöD ist durch ständige Rechtsprechung im Eingruppierungsrecht anerkannt, dass der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts den Beschäftigten entgeltgruppenwertgleiche Tätigkeiten zuweisen kann. Anstelle der (kompletten) bezahlten Freistellung könnte der Arbeitgeber also Tätigkeiten übertragen bzw. zuweisen, die in der derzeitigen Notlage dringend gebraucht werden (z.B. Ordnungsbehördliche Aufgaben im Rahmen von Versammlungsverboten etc.). So wird für die Entgeltfortzahlung noch eine verwertbare Arbeitsleistung hinterlegt.

Soweit gleichwertige Aufgaben nicht übertragen werden können, bietet sich auch die kurzzeitige Anordnung von geringerwertigen Aufgaben in einem nicht eingruppierungsrechtlichen Umfang an (unter 50%; s. auch LAG Berlin-Brandenburg 15.11.2018 -10 Sa 630/18-). Da diese zudem nur befristet auszuüben sind, steht das Eingruppierungsrecht dem nicht entgegen.

2.2 Homeoffice

Für viele Kernaufgaben der Kommune bietet sich das Homeoffice an (z.B. Meldewesen, Sozialwesen etc.). Ziel dieser anderen Form von Arbeit ist vor allem, die Beschäftigten und auch mögliche Besucher des Rathauses vor der Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen.

Homeoffice bzw. Telearbeit wird dabei nach gängiger Definition als eine flexible Arbeitsform bezeichnet, bei der die Beschäftigten ihre Arbeit vollumfänglich oder teilweise aus dem privaten Umfeld heraus ausführen.

Ein grundsätzliches Recht auf Homeoffice besteht nicht. Letztlich liegt es in der Organisationsentscheidung des jeweiligen Arbeitgebers, ob und in welcher Form (z.B. gelegentlich oder alternierend) er mit dem jeweiligen Beschäftigten die Möglichkeit von Homeoffice vereinbart.

Dazu ist vor allem entscheidend, ob am Heimarbeitsplatz die technischen Voraussetzungen dafür gegeben sind (Laptop, VPN-Zugang, Installation wichtiger Programme, Tools für Video-Konferenz, Skype etc.). Aber auch andere Faktoren wie Datenschutz und Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen müssen beachtet werden.

3. Überstunden / Minusstunden

Überstunden sind gem. § 7 TVöD die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Für den Bereich des TVöD-V ist zudem in § 8 Abs. 1.1 geregelt, dass Überstunden grundsätzlich durch entsprechende Freizeit auszugleichen sind.

Der TVöD weist in § 6 Abs. 5 zudem noch darauf hin, dass die Beschäftigten zu Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet sind. Für Minusstunden enthält der TVöD hingegen keine Regelungen. Die Corona-Krise bietet aktuell einen Anlass, sich mit dem Thema Stundenabbau vertieft auseinanderzusetzen. Insbesondere könnten nun eine Vielzahl von Gleitzeitkonten, bei denen seit Jahren eine Anhäufung von Plusstunden toleriert wurde, im Rahmen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht „begradigt“ werden und auf ein Minimum zurückgefahren werden.

3.1 Abbau von Überstunden/Mehrstunden

Hierbei kommt es letztlich auf die betrieblichen Regelungen an. Vielfach existieren zur Thematik „Gleitzeit“ Dienst- oder Betriebsvereinbarungen, die dazu Regelungen enthalten (sollten). Soweit ein Arbeitgeber also aufgrund der bestehenden Vereinbarungen (einseitig) ein „Abfeiern“ von Überstunden bzw. Plusstunden aus dem Gleitzeitkonto anordnen darf, sollte dies arbeitgeberseitig in Erwägung gezogen werden.

Ebenso verhält es sich, wenn die Beschäftigten aufgebaute Plusstunden nun abbauen möchten. Hierbei ist ein Teil des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts durch Dienstvereinbarung auf den Beschäftigten übertragen worden (LAG Schleswig-Holstein 12.01.2012 -5 Sa 269/11-).

Sollte hingegen in der Dienst- oder Betriebsvereinbarung (nur) ein einseitiges Recht der Beschäftigten zum Abbau von Zeitguthaben verankert sein, kann der Arbeitgeber dies letztlich nicht einseitig anordnen, denn die Zeitsouveränität liegt in diesem Fall beim Beschäftigten. Der Stundenabbau wäre dann nur im Einvernehmen mit den Beschäftigten möglich (BAG 10.05.2009 -9 AZR 433/08-).

Für den seltenen Fall, dass keine Regelung zur Gleitzeit bestehen sollte, müsste der Arbeitgeber im Einzelfall zwischen den dringenden betrieblichen Belangen einerseits und den Interessen des/der Beschäftigte/n abwägen und nach billigem Ermessen entscheiden. Eine arbeitgeberseitige Anordnung von Überstundenabbau ist somit nicht ausgeschlossen.

3.2 Verplanung von Defiziten auf dem Gleitzeitkonto

Auch der Aufbau von Minusstunden könnte in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Soweit der Arbeitgeber ein längerfristiges Fernbleiben von der Arbeit anordnet und dies (auch) in Verbindung mit dem Gleitzeitkonto vornimmt (auf dem ggfs. keine Plusstunden mehr vorhanden sind), müsste hierzu ein entsprechender Passus in der Dienstvereinbarung Gleitzeit enthalten sein. Ist dies nicht der Fall, könnte die Anordnung von Minusstunden kritisch gesehen werden.

Das LAG Hamm hat mit Urteil vom 18.05.2017 -18 Sa 1143/16- die einseitige Belastung des Arbeitszeitkontos durch den Arbeitgeber mit Minusstunden für rechtens erachtet. Die Gewährung eines Freizeitausgleichs, der das Arbeitszeitkonto der Beschäftigten mit Minusstunden belastet, ist nicht von ihrer Zustimmung abhängig.

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