betriebskostenvorauszahlung
Recht & Verwaltung31 August, 2022

Voraussetzungen und Hürden einer Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung nach § 560 Abs. 4 BGB

Norbert Monschau
Inflationsbedingt, durch Versorgungsknappheiten infolge der Ukraine-Krise und auch politisch gelenkt durch CO₂-Bepreisung, EEG-Umlage etc. sind die Preise für Gas, Heizöl und Strom seit Jahresbeginn drastisch gestiegen. Weitere Preissteigerungen sind zu erwarten. Das Thema führt zu einem erhöhten Beratungsbedarf in der mietrechtlichen Praxis.

Ausgangssituation: Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung nach § 560 Abs. 4 BGB

Zahlreiche Eigentümer haben in den letzten Wochen bereits Post von ihrem Energieversorger mit einer kurzfristigen Ankündigung zur Preisanpassung inklusive Anpassung der Vorauszahlungen erhalten. Die Vorauszahlungen werden dabei verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht, um hohe Nachzahlungen bei der Abrechnung zu vermeiden. Vermieter treten in Vorkasse, wenn Abschlagszahlungen erhöht oder Heizöllieferungen teurer werden. Bei der Umlage der Betriebskosten auf die Mieter ist absehbar, dass die aktuellen Vorauszahlungen bei weitem nicht kostendeckend sein werden. Mieter haben hohe Nachforderungen zu erwarten.
Daher beabsichtigen viele Vermieter bereits jetzt, die Betriebskostenvorauszahlungen zu erhöhen, um hohe Nachzahlungen zu vermeiden und der Gefahr von späteren Zahlungsausfällen vorzubeugen. 
Die Mietvertragsparteien können jederzeit im Rahmen der Angemessenheit eine Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen frei vereinbaren. Vermietern ist daher zu empfehlen, den Mieter über die gestiegenen Preise zu informieren und ihm anzuraten, die Vorauszahlungen schon jetzt anzupassen oder aber Rücklagen für zu erwartende Nachzahlungen zu bilden. 

Voraussetzungen für eine Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung gemäß § 560 Abs. 4 BGB

§ 560 Abs. 4 BGB ermöglicht eine Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen durch einseitige Erklärung. Die Vorschrift gilt nur für preisfreien Wohnraum mit Ausnahme der in § 549 Abs. 2 und 3 BGB genannten besonderen Mietverhältnisse. Die Anpassung ist nur wirksam, wenn dem Mieter eine formell und inhaltlich korrekte Abrechnung zugegangen ist (BGH v. 15.05.2012 - VIII ZR 246/11).
Beachten Sie: Die Erhöhung der Abschlagszahlungen darf nicht willkürlich auf eine beliebige Summe erfolgen, sondern Grundlage muss stets die Betriebskostenabrechnung sein. Voraussetzung für eine Erhöhung ist, dass die geleisteten Vorauszahlungen infolge stark gestiegener Preise nicht mehr den tatsächlich anfallenden Betriebskosten entsprechen und die vorausgegangene Betriebskostenabrechnung dies dokumentiert. 
Bei der Berechnung des Erhöhungsbetrags ist die Grenze der „angemessenen Höhe“ i.S.d. § 556 Abs. 2 S. 2 BGB zu beachten. Hierzu wird die Nachforderung des Vermieters aus der Abrechnung durch zwölf Monate, dem grundsätzlich maximalen Abrechnungszeitraum (§ 556 Abs. 3 S. 1 BGB), geteilt.
Mit der Anpassung der Vorauszahlungen nach einer Abrechnung soll erreicht werden, dass die vom Mieter zu leistenden Abschläge den tatsächlichen Kosten möglichst nahekommen, sodass weder der Vermieter die Nebenkosten vorfinanzieren muss, noch der Mieter dem Vermieter durch überhöhte Vorauszahlungen ein zinsloses Darlehen gewährt.
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Steigende Energiepreise: Keine unterjährige Anpassung

Da die Betriebskostenabrechnung für das vorausgegangene Jahr zumeist erst im Laufe des aktuellen Jahres erstellt wird, kann es an einem zeitlichen Zusammenhang zur Abrechnung mangeln oder aber – da diese noch auf den „alten" Energiepreisen beruht – keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine einseitige Erhöhung der Vorauszahlungen liefern.

Wichtig ist, dass § 560 Abs. 4 BGB nur ein einmaliges Erhöhungsrecht pro Abrechnung gewährt. Daher sind weitere Erhöhungen erst wieder nach Zugang einer neuerlichen Abrechnung möglich, auch wenn zwischenzeitlich erhebliche Kostensteigerungen eingetreten sind. Eine unterjährige Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen scheidet damit aus.

Kein abstrakter Sicherheitszuschlag zulässig

Streitig ist, ob im Hinblick auf die ständig steigenden Betriebskosten ein Sicherheitszuschlag hinzugesetzt werden darf, der auf 10 % zu veranschlagen ist. Nach Ansicht des BGH (v. 28.09.2011 - VIII ZR 294/10) ist der Ansatz eines „abstrakten“ Sicherheitszuschlags auf die zuletzt abgerechneten Betriebskosten nicht zulässig; es dürfen nur konkrete – bereits eingetretene – Umstände berücksichtigt werden, welche die im laufenden Jahr entstehenden Kosten voraussichtlich beeinflussen. Dies ist z.B. der Fall, wenn in der Zeit zwischen dem Ende der Abrechnungsperiode und der Erstellung der Abrechnung bereits eine Tariferhöhung mit entsprechend höheren, vom Vermieter zu begleichenden Abschlagszahlungen eingetreten ist. Andererseits dürfen bloße erwartete, etwa in den Medien angekündigte Preisanstiege nicht in die Berechnung einfließen. Derart prognostizierte Kostenanstiege sind nicht verlässlich genug, um eine Zahlungspflicht des Mieters zu rechtfertigen.

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Praxishinweise

Auch wenn angesichts der derzeitigen Energiekrise absehbar ist, dass die Betriebskosten exorbitant steigen werden, darf der Vermieter nicht einfach pauschal auf Kostensteigerungen verweisen und auf dieser Grundlage die Vorauszahlungen erhöhen. Die letzte Betriebskostenabrechnung ist Grundlage für eine Anpassung der Vorauszahlungen, hindert aber nicht die Berücksichtigung anderer - bereits eingetretener oder noch eintretender - Umstände, von denen die im laufenden Jahr entstehenden Kosten voraussichtlich beeinflusst werden (BGH 28.9.11, VIII ZR 294/10). Enthält der Mietvertrag kein Anpassungsrecht für Kostenänderungen aufgrund geänderter Bezugspreise, sollte der Vermieter sich eine konkrete Prognose der Versorger oder Wärmemessdienste bzw. unabhängiger Institute beschaffen und dem Mieter im Zusammenhang mit der letzten Abrechnung vorlegen. Dann kann der Mieter nicht mehr einwenden, der Vermieter hätte noch einen jüngeren Zeitraum abrechnen können und seine Prognose darauf stützen müssen. Für einen "abstrakten" Sicherheitszuschlag auf die zuletzt abgerechneten Betriebskosten, ist kein Raum (BGH v. 28.09.2011 - VIII ZR 294/10).

Durchführung der Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung

Die Erhöhung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wird wirksam, wenn sie dem Mieter zugeht (§ 130 BGB). Die Erhöhungserklärung bedarf der Textform des § 126b BGB. Ein Verstoß gegen die Formvorschrift führt zur Nichtigkeit der Erklärung (§ 125 BGB). Eine Begründung ist nicht vorgeschrieben, wegen der höheren Akzeptanz auf Mieterseite aber zu empfehlen.

Die Erhöhungserklärung hat die Wirkung, dass die neuen Vorauszahlungen an die Stelle der bisherigen Vorauszahlungen treten. Eine Zustimmung des Mieters ist nicht erforderlich.

Keine Regelung enthält das Gesetz darüber ab wann die erhöhten Vorauszahlungen geschuldet werden. Da anders als in § 560 Abs. 2 Satz 1 BGB keine bestimmte Frist genannt ist, tritt die erhöhte Zahlungspflicht sofort ein. Das heißt, bei der nächsten Fälligkeit einer Vorauszahlung ist der erhöhte Betrag geschuldet.

Kündigung bei Nichtzahlung der erhöhten Betriebskostenvorauszahlung

Kommt es mit dem Mieter zum Streit über die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen und weigert sich dieser, eine gerechtfertigte Anpassung zu akzeptieren, hat der Vermieter das Recht, das Mietverhältnis zu kündigen.

Checkliste für die Überprüfung einer Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung nach § 560 Abs. 4 BGB

Fragestellung

Trifft zu

1. Ist § 560 BGB anwendbar?
    ✓
2. Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart?  
3. Ist eine Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen vertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt?
 
4. Ist der Erhöhungserklärung eine formell und inhaltlich ordnungsgemäße Abrechnung vorausgegangen?
5. Entspricht die Erklärung der Textform?
6. Ist eine Erhöhung der Betriebskosten insgesamt eingetreten? 
7. Beruht die Erhöhung auf unwirtschaftlichen Maßnahmen?
8. Ist der Erhöhungsbetrag rechnerisch richtig ermittelt?
9. Ist die Höhe der neuen Vorauszahlungen angemessen?
10. Wann ist der Erhöhungsbetrag fällig?  
Unser Autor 
Norbert Monschau
Norbert Monschau
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- u. Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Familienrecht sowie Testamentsvollstrecker
Bildnachweis: Daenin/stock.adobe.com
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