Aktueller Stand des Einheitspatents
Recht & Verwaltung09 Januar, 2023

Der Stand der Umsetzung des Einheitspatentsystems

Prof. Dr. Aloys Hüttermann | Partner bei Michalski · Hüttermann & Partner Patentanwälte mbB
Wie allgemein bekannt, beruht das Einheitliche Patentgericht auf einem internationalen Staatsvertrag, dem „Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht“ und dessen Ratifikation hatte sich in Deutschland aufgrund einer Verfassungsbeschwerde um Jahre verzögert.

Diese Probleme konnten jedoch gelöst werden und einer Hinterlegung der deutschen Ratifikationsurkunde steht nichts mehr im Wege. Diese erfolgt jedoch aus guten Gründen (noch) nicht, denn sobald Deutschland hinterlegt, tritt „am ersten Tag des vierten Monats nach der Hinterlegung“ das Einheitspatentsystem in Kraft – derzeit ist dies für den 1. Juni 2023 angedacht. (Anmerkung: Mit dem Ausdruck“ Einheitspatentsystem“ ist das Zusammenspiel des Einheitliche Patentgericht und des Einheitspatents gemeint, vgl. Haedicke, GRUR Int, 2013, 609)

Das „Protokoll“ und die nachfolgenden Vorbereitungen

Damit das Einheitliche Patentgericht an diesem Tag auch wirklich arbeitsfähig ist, trat bereits Januar 2021 ein weiteres internationales Abkommen, das sog. „Protokoll“ (genauer Titel: „Protocol to the Agreement on a Unified Patent Court on provisional application“) in Kraft, welches dem Gericht erlaubte, entsprechende vorbereitende Handlungen zu treffen, insbesondere sich und die notwendigen Ausschüsse zu konstituieren, die ergänzenden Rechtstexte zu verabschieden und Personal einzustellen.
Der wichtigste dieser erwähnten ergänzenden Rechtstexte sind die Verfahrensregeln des Einheitlichen Patentgerichts. Diese wurden am 8. Juli 2022 auf der zweiten Sitzung des Verwaltungsausschuss des Einheitlichen Patentgerichts beschlossen, entsprechen aber im Wesentlichen der 2017 veröffentlichten 18. Version, bis auf einige Änderungen, die meist aber redaktioneller Natur sind.

Am 19. Oktober 2022 wurde dann die Liste der Richterinnen und Richter veröffentlicht. Insgesamt wurden 34 rechtlich und 51 technisch qualifizierte Richter ernannt; einige Stellen sind aber noch frei.
Den Vorsitz des Gerichts erster Instanz übernimmt die französische Richterin Florence Butin (gemäß der Satzung muss der erste Präsident oder die erste Präsidentin aus Frankreich kommen), den Vorsitz des Berufungsgerichts erwartungsgemäß Klaus Grabinski.
Insgesamt sind zwölf deutsche, rechtlich qualifizierte Richterinnen und Richter berufen worden. Deutschland stellt somit den größten Richteranteil mit mehr als einem Drittel. 
Die benannten, deutschen Richter sind Klaus Grabinski, Patricia Rombach (Berufungsgericht), Maximilian Haedicke (Zentralkammer Paris), Ulrike Voß (Zentralkammer München), Bérénice Thom, Ronny Thomas (Lokalkammer Düsseldorf), Sabine Klepsch, Stefan Schilling (Lokalkammer Hamburg), Holger Kircher, Peter Tochtermann (Lokalkammer Mannheim) sowie Matthias Zigann und Tobias Pichlmaier (Lokalkammer München).
Weiterhin bekannte Namen sind Rian Kalden (Niederlande), die den Vorsitz der zweiten Kammer des Berufungsgerichts übernehmen wird, Edgar Brinkman (Niederlande, Lokalkammer Den Haag), Florence Butin (Frankreich, Zentralkammer Paris) und Samuel Granata (Belgien, Lokalkammer Brüssel).
So gut wie alle Richter arbeiten jedoch in Teilzeit, derzeit sind nur fünf Vollzeitstellen vorgesehen.

Der Zeitplan

Seitens des Einheitlichen Patentgerichts war zunächst eine Einführung des Einheitspatentsystem für den 1. April 2023 vorgesehen, wie am 6. Oktober 2022 in einer sogenannten „Roadmap“ veröffentlicht wurde.
Am 5. Dezember 2022 gab das Einheitliche Patentgericht jedoch eine Meldung heraus wonach sich die Einführung des Einheitspatentsystems um zwei weitere Monate verzögern wird. Die Hinterlegung Deutschlands soll entsprechend zum 1. März 2023 erfolgen.
Als Grund für die Verzögerung seitens des Einheitlichen Patentgerichts werden technische Gründe angegeben, insbesondere bedingt durch die Umstellung auf eine elektronische Authentifizierung per Signaturkarte. Das Gericht wollte hierzu keine eigenen Karten herausgeben, sondern verwies auf bereits existierende Signatursysteme. Nicht alle diese Anbieter sind jedoch gemäß einer ebenfalls vom Gericht veröffentlichten Übersicht in der Lage, alle Anforderungen des Einheitlichen Patentgerichts zu erfüllen – insbesondere kein deutscher und französischer Anbieter.

Die „Sunrise Period“ und die Möglichkeit vorab Einheitspatente zu beantragen

Der Zeitpunkt ab der Hinterlegung Deutschlands bis zum Inkrafttreten des Systems – geplant also vom 1. März bis 31. Mai – wird auch „Sunrise Period“ genannt, da in dieser Zeitspanne bestimmte vorbereitende Handlungen möglich sind, insbesondere:

  • die vorsorgliche Eintragung von „opt-outs“ 
  • die Eintragung sowohl von Rechtsanwälten wie auch Patentanwälten als Vertreter, letztere können sich dann auch entsprechende Kurse als „European Patent Litigation Certificate“ anrechnen lassen.

Davon unabhängig gab es jedoch bereits zum 1. Januar 2023 die Möglichkeit, für kurz vor der Erteilung stehende europäische Patentanmeldungen, genau: Anmeldungen bei denen die sog. 71(3)-Mitteilung ergangen, aber noch nicht beantwortet wurde, eine Verzögerung der Veröffentlichung der Eintragung (welche dann ein Einheitspatent möglich machen würde) sowie die vorzeitige Beantragung als Einheitspatent zu beantragen. Dies liegt daran, dass all dies in der Kompetenz des vom Einheitlichen Patentgericht unabhängigen Europäischen Patentamts liegt und dieses bereits im November beschlossen und auch nach der erwähnten Meldung im Dezember bestätigt hatte, den Anmeldern entsprechende Möglichkeiten zu eröffnen.
Die nochmalige Verzögerung des Inkrafttretens ist zwar bedauerlich, bietet aber auf der anderen Seite noch mehr Zeit, sich auf das kommende System einzustellen. Dass das Einheitspatentsystem dieses Jahr das Licht der Welt erblicken wird, steht wohl außer Frage.

Bildnachweis: ifeelstock/stock.adobe.com
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