opt-out Verfahren im Einheitspatent
Recht & Verwaltung16 Januar, 2023

Ein Überblick über das „opt-out“ – Verfahren

Prof. Dr. Aloys Hüttermann, Partner bei Michalski · Hüttermann & Partner Patentanwälte mbB

Überblick über Art 83(3) EPGÜ – das „opt-out“

Mit dem am 1. Juni 2023 in Kraft tretenden Einheitspatentsystem wird für alle Mitgliedsstaaten ein neues Gericht, das Einheitliche Patentgericht, grundsätzlich für alle Patentverletzungs- und Nichtigkeitsklagen aus europäischen Patenten zuständig. Diese Regel hat allerdings eine Ausnahme: Auf Drängen der Industrie wurde im Übereinkommen eine Regelung geschaffen, demnach es möglich ist auf Antrag „die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts aus[zu]schließen.“, das sog. „opt-out“, Art. 83(3) EPGÜ. Die wichtigsten damit zusammenhängenden Fragen sollen im Folgenden diskutiert werden.

Was sind die Folgen eines „opt-out's“?

Diese wurde gerade in den Jahren nach Verabschieden des EPGÜs heftig diskutiert, insbesondere da der Wortlaut des Artikels 83 etwas zweideutig ist. Bedeutet die Möglichkeit die „ausschließliche“ Zuständigkeit des Gerichts auszuschließen, dass eine einfache Zuständigkeit erhalten bleibt, d.h. das sowohl nationale Gerichte wie das Einheitliche Patentgericht zuständig wären? Hier besteht inzwischen Konsens, dass dies nicht gemeint sein kann, ein gültiger „opt-out“ Antrag schließt die Zuständigkeit des Gerichts allgemein aus, was insbesondere bedeutet, dass Wettbewerbern eine Nichtigkeitsklage, die ggf. das Patent für alle Mitgliedsstaaten, in denen Schutz besteht, zu Fall gebracht hätte, verwehrt ist.
Es sei darauf verwiesen, dass einige Kommentatoren, insbesondere Tillmann der Meinung sind, dass auch nach einem „opt-out“ zwar die nationalen Gerichte (wieder) zuständig seien, diese sich aber an das Übereinkommen halten müssten. Dies ist jedoch eine Mindermeinung, die meisten Beobachter, wie auch der Vorbereitende Ausschuss des Gerichts, sind der Ansicht, dass bei einem „opt-out“ nationales Recht gilt, so wie es jetzt auch ist.

Wie lang kann ein „opt-out“-Antrag gestellt werden?

Ein „opt-out“ Antrag kann gemäß Art 83 EPGÜ bis zu 6 Jahre, 11 Monate nach Inkrafttreten des Einheitspatentsystems gestellt werden, d.h. bis zum 1. Mai 2030. Eine weitere Bedingung ist jedoch, dass bei Antragstellung kein Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht anhängig ist. Während dies der Patentinhaber bei Verletzungsklagen in der Hand hat, wird durch eine Nichtigkeitsklage eines Dritten ein „opt-out“ ausgehebelt. Aus diesem Grund wurde die Möglichkeit der vorzeitigen Antragstellung (s. nachfolgend) geschaffen.

Wie ist das Verfahren?

Ein „opt-out“ muss vor dem Einheitlichen Patentgericht gestellt werden und zwar vom Inhaber des Patents, eine Beantragung durch z.B. einen ausschließlichen Lizenznehmer ist nicht möglich. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn der im Europäischen Patentregister beim Europäischen Patentamt Eingetragene nicht der wahre Inhaber ist oder es mehrere Inhaber gibt.
Ist das Register nicht aktuell, so kann und muss der wahre Inhaber den „opt-out“ Antrag stellen und dabei Dokumente beifügen, die seine Berechtigung nachweisen.
Wenn es mehrere Inhaber des europäischen Patentes gibt oder mehrere Inhaber der nationalen Teile aus dem Patent – wichtig: Dies ist nicht auf EPGÜ-Mitgliedsstaaten beschränkt – so müssen alle Inhaber gemeinsam den Antrag stellen.
Der Antrag an sich ist gebührenfrei. Das „opt-out“ wird von der Kanzlei des Einheitlichen Patentgerichts bearbeitet und abschließend ins europäische Patentregister eingetragen. Von Bedeutung ist, dass keine vollständige Prüfung erfolgt; auch bei einem fehlerhaften Antrag wird demnach das „opt-out“ eingetragen. Er kann korrigiert werden, eine inzwischen eingegangene Klage macht ihn aber dann nachträglich unwirksam.
Für den Antrag wurde lt. der betreffenden Regel 5 der Verfahrensregel der übliche Vertretungszwang aufgehoben. Es gibt allerdings Stimmen, die der Meinung sind, dass aufgrund der Vorgreiflichkeit des Artikels 48 EPGÜ, der einen Vertretungszwang fordert, diese Regel evtl. nicht gültig ist; Antragsteller sollten also erwägen, hier vielleicht auf „Nummer sicher“ gehen.

Die „Sunrise Period“ und die Möglichkeit des vorzeitigen „opt-out's“

Auf erneutes Drängen der Industrie, die fürchtete, dass es bei Inkrafttreten zu einem „Wettlauf zum Gericht“ zwischen Patentinhabern, die ein „opt-out“ eintragen und Wettbewerbern, die auf Nichtigkeit klagen wollen, kommt, wurde die Möglichkeit geschaffen, vorzeitig ein „opt-out“ zu beantragen. Diese vorzeitige Antragstellung wird ab der sog. „Sunrise Period“, der Zeit zwischen der Hinterlegung Deutschlands und dem Inkrafttreten des Systems, also vom 1. März 2023 bis zum 31. Mai 2023 möglich sein – und die technischen Schwierigkeiten resultierend aus der Tatsache, dass ein Zugang zum Gericht und somit eine Antragstellung nur mit einer Zugangskarte möglich ist, derartige Karten aber nur schlecht erhältlich, war der Grund, dass die Hinterlegung, die eigentlich für den 1. Januar 2023 angekündigt war um zwei Monate verschoben wurde.
Alle Anträge, die vor dem 31. Mai 2023 von der Kanzlei des Einheitlichen Patentgerichts angenommen wurden, gelten – wenn sie wirksam sind – dann mit dem Inkrafttreten des Systems, also am 1. Juni 2023 als eingetragen.
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