Vergabeverfahren Bewertung Angebotspräsentationen
Recht & Verwaltung12 Mai, 2023

Vergabeverfahren: Bewertung von Angebotspräsentationen

Eine mündliche Präsentation des Angebots oder Angebotsbestandteile ist häufiger Bestandteil der Bewertung eines Angebots im Vergabeverfahren. Aber wann ist dies zulässig und welche rechtlichen und fachlichen Aspekte sind hierbei zu beachten, damit das Vergabeverfahren rechtssicher abgeschlossen werden kann?

RA Henning Feldmann

Arten der Angebotspräsentation

Im Vergaberecht begegnet man verschiedenen Arten von Präsentationen. In Verhandlungsverfahren sind Angebotspräsentationen häufig Bestandteil des ersten Verhandlungsgesprächs. Nach einer Vorstellungs- und Begrüßungsrunde stellt der Bieter zuerst sich, die Mitarbeiter und sein Unternehmen vor, danach sein Angebot. Hieran schließen sich Fragen der Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers an. Im Anschluss finden die Verhandlungen statt.

Vergleichbare Angebotspräsentationen gibt es auch in Vergabeverfahren, die keine Verhandlungen beinhalten (offenes oder nichtoffenes Verfahren). Merkmal dieser Art der Angebotspräsentation ist, dass sie im Ergebnis nur der Information des öffentlichen Auftraggebers dient. Er möchte den Bieter und das Projektteam kennenlernen und Fragen zu Einzelheiten des Angebots stellen können. Die Präsentation als solche wird aber nicht bewertet.

Hiervon zu unterscheiden sind Angebotspräsentationen, die der Auftraggeber als Zuschlagskriterium im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbewertung bewerten will. Denkbar wäre beispielsweise, dass der öffentliche Auftraggeber beispielsweise die Qualifikationen, Erfahrungen und Kenntnisse der zur Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter anhand eines Fachgesprächs sowie anhand von Fragen oder spontanen Aufgabestellungen bewerten will.

Dann bewertet er den Inhalt der Präsentation, im genannten Beispiel also wie qualifiziert oder erfahren die Mitarbeiter sind und welche Kenntnisse sie haben. Daneben ist auch denkbar, den Vortrags- oder Präsentationsstil zu bewerten, beispielsweise dadurch, wie strukturiert der Vortrag und ist wie „souverän“ der Bieter vorträgt. Nachfolgend geht es um solche Bieterpräsentation, die bewertet werden sollen.

Keine Lösung, um persönliche Präferenzen abzubilden

Bei öffentlichen Auftraggebern arbeiten, ebenso wie bei Bietern und Unternehmen, Menschen. Menschen müssen mit Menschen zusammenarbeiten. Da ist es nur normal und natürlich, dass Menschen, bevor sie eine Arbeitsbeziehung mit anderen Menschen eingehen, wissen wollen, was dies für Leute sind. Stimmt die Chemie? Kann ich mit diesen oder jenen Personen zusammenarbeiten? Wie ticken die?

Dies sind alles Fragen, die auch Mitarbeiter bei öffentlichen Auftraggebern stellen, die über eine Vergabe und damit ihren Vertragspartner für die nächsten Jahre - mit dem sie manchmal mehr Zeit verbringen als mit der eigenen Familie - entscheiden müssen. Lebensläufe oder Personalprofile der wichtigen Mitarbeiter verraten zwar manches über Erfahrung und Qualität der betreffenden Person, aber nicht mehr. Aber kann man diesen „Nasenfaktor“ im Vergaberecht rechtskonform abbilden?

Nein, öffentliche Auftraggeber unterliegen den besonderen Bindungen des Vergaberechts und hierbei insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehandlung. Eine Vergabeentscheidung darf hiernach nur auf Grundlage von sachlichen Kriterien getroffen werden, persönliche Sympathien oder Antipathien dürfen keine Rolle spielen. Dies gilt auch und gerade bei der Bewertung mündlicher Präsentationen. Öffentliche Auftraggeber dürfen sich nun einmal nicht frei dafür entscheiden, mit Menschen, bei denen die „Chemie nicht stimmt“, nicht zusammenarbeiten zu wollen. Dies kann man gut oder schlecht finden, es ist aber Tatsache.

Wertung mündlicher Präsentationen grundsätzlich zulässig

Davon abgesehen ist die Wertung einer mündlichen Angebotspräsentation oder eines Vortrags grundsätzlich zulässig. Dies war nicht immer unumstritten. Im Jahr 2019 hatten die VK Südbayern (Beschl. v. 2.4. 2019, Z3-3-3194-1-43-11/18) und die VK Rheinland (Beschl. v. 19.11.2019, VK 40/19) noch entschieden, dass die Bewertung einer rein mündlichen Präsentation ohne Grundlage in Textform unzulässig ist. Beide Vergabekammern begründeten dies im Wesentlichen damit, dass eine Wertung einer mündlichen Präsentation gegen das Gebot der Einreichung von Angeboten in Textform und damit gegen § 53 VgV und § 9 Abs. 2 VgV verstoßen würde.

Es sei zwingend, dass die Inhalte einer mündlichen Präsentation von den Bietern bereits zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe mindestens in Textform eingereicht werden. Eine mündliche Präsentation könne bei der Angebotswertung nur noch ergänzend zu den entsprechenden schriftlich bzw. in Textform eingereichten Angebotsinhalten herangezogen werden.

Allerdings ist bei genauer Lektüre der Entscheidungen nicht davon auszugehen, dass tatsächlich in dieser Pauschalität geurteilt werden sollte, dass mündliche Präsentationen nicht bewertet werden dürfen. Denn jedenfalls im Verfahren der VK Südbayern ging es um einen Extremfall: praktisch die gesamte qualitative Wertung erfolgte allein auf Grundlage der Präsentation, ohne dass vorher mit dem Angebot eine textliche Grundlage einzureichen war.

Gleichwohl war die Verunsicherung und die Erleichterung groß, als insbesondere die VK Bund 2019 (Beschl. v. 22.11.2019, VK 1-83-19) und das OLG Düsseldorf 2021 (Beschl. v. 24.3.2021, VII Verg 34/20) entschieden haben, dass die Qualität des Personals grundsätzlich anhand einer (rein) mündlichen Präsentation gewertet werden darf.

Besonderheit: Bewertung des „Vortragsstils“

Eine Einschränkung ist für Fälle zu machen, in denen nicht (nur) der Inhalt der Präsentation bewertet werden soll, sondern auch Aspekte wie der Vortragsstil. So hatte die VK Südbayern 2021 (Beschl. v. 28.10.2021, 3194.Z3-3_01-21-27) über einen Fall zu entscheiden, in dem es um die Ausschreibung eines apothekenrechtlichen Versorgungsvertrags für eine kommunale Klinik. Bewertet werden sollte hierbei auch der „Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus der Bieterpräsentation“ anhand von „Struktur und Verständlichkeit des Vortrags“, „Eingehen auf Rückfragen“, „Eindruck bei der fachlichen Erläuterung“ sowie „Team- und Kommunikationsfähigkeit“. Als Maßstab für die Erreichung der Höchstpunktzahl wurde angegeben:

gut strukturierter und fachlich weitestgehend überzeugender Vortrag, nachvollziehbare Ausdrucksweise, hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, gutes Zusammenwirken der Einzelvorträge zu einer weitestgehend schlüssigen Bieterpräsentation insgesamt, Eindruck eines hohen Maßes an Teamfähigkeit vermittelt.

Dies hat die VK Südbayern - aus Sicht des Verfassers nachvollziehbar - eingeschränkt. Die Bewertung der Präsentation und deren Methodik sind nur dann zulässig, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhaltet. Ansonsten fehlt es am Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums (§ 127 Abs. 3 GWB). Hierfür hat die VK Südbayern auch verlangt, dass vertraglich festgeschrieben sein müsse, dass die Personen, die die Präsentation halten (und deren Vortragsstil bewertet wird), dann auch in die Auftragsausführung eingebunden sein müssen.

Dokumentation und stringente Begründung

Die Bewertung einer mündlichen Bieterpräsentation ist daher grundsätzlich zulässig. Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung von Präsentationen auch ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt daraufhin ist, ob der Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, sachfremde Erwägungen anstellt oder sich nicht an den von ihm aufgestellten Beurteilungsmaßstab hält bzw. willkürlich handelte. Da die Präsentation einen Vorgang darstellt, der einer Situation in einer mündlichen Prüfung ähnelt und wegen seiner Einmaligkeit nicht wiederholt werden kann, ist nur eine eingeschränkte Überprüfbarkeit möglich. Umso wichtiger und von enormer Bedeutung ist nach der Rechtsprechung daher die Dokumentation der Wertung einer Präsentation. Eingehend formuliert dies die VK Baden-Württemberg (Beschl. v. 5.8.2021, 1 VK 37/21):

Dem Beurteilungsspielraum steht als Kehrseite die aus dem Transparenzgrundsatz folgende Pflicht eines öffentlichen Auftraggebers, das Vergabeverfahren zu dokumentieren, gegenüber. Sie dient dazu, den Weg der Vergabeentscheidung für die Bieter nachvollziehbar zu machen. Zudem ist sie Voraussetzung dafür, dass die Nachprüfungsinstanzen überprüfen können, ob ein öffentlicher Auftraggeber die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Ein öffentlicher Auftraggeber hat daher seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass die Nachprüfungsinstanzen nachvollziehen können, welcher Umstand konkret mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen ist. Es müssen Erwägungen dokumentiert sein, die einen Subsumtionsvorgang darlegen und hieraus die Bewertung nachvollziehbar erscheinen lassen. Ebenso wie die bloße Ergebniswiedergabe sind auch pauschale Aussagen oder formelhafte Formulierungen unzureichend. Vielmehr müssen die konkreten Entscheidungsgründe unter Rückgriff auf das anwendbare Kriterium dargelegt werden. Dies gilt insbesondere bei der Bewertung mündlicher Angebotsbestandteile. Einer vollständigen Dokumentation kommt dabei erhebliche Bedeutung zu, denn nur dann ist die konkrete Wertung für die Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar […].

Dem ist an sich nichts hinzuzufügen. Eine hinreichende und geeignete Dokumentation der mündlichen Präsentation ist entscheidend. Alle für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen müssen in allen Schritten so eingehend dokumentiert werden, dass Nachprüfungsinstanzen nachvollziehen können, welcher Umstand konkret mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen ist. Bloße Ergebniswidergaben reichen hierfür nicht aus, ebenso wenig wie pauschale Aussagen, wie etwa „Ausführungen gut nachvollziehbar“. Darüber hinaus muss aus der Dokumentation erkennbar sein, ob die Bewertung der Präsentation im Vergleich zu der anderer Bieter plausibel und nachvollziehbar ist, d.h. ob der Auftraggeber an alle Präsentationen die gleichen Maßstäbe angesetzt hat. Lücken und Widersprüche in der Bewertung müssen vermieden werden.

Von großer Bedeutung ist auch, dass öffentliche Auftraggeber bei der Bewertung der Präsentation ihre selbst aufgestellten Bewertungsmaßstäbe einhalten und keine sachfremden Kriterien bewerten. So ging es beispielsweise in dem genannten Vergabeverfahren vor der VK Baden-Württemberg um (IT-)Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Vergabeverfahren. Offenbar sollte der Bieter die Vergabestelle bei der Ausschreibung von IT-Projekten unterstützen. Der öffentliche Auftraggeber wertete das Angebot eines Bieters ab, weil dieser „„sehr klar und hart“ mitteilen wolle, dass „vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind und die Vergabestelle ein anderes Vorgehen nicht mitträgt“. Die VK Baden-Württemberg sah hier eine fehlerhafte Bewertung, denn es dürfe nicht negativ bewertet werden, dass der Bieter auf die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften achten will: „[…] die Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind und die Vergabestelle ein anderes Vorgehen nicht mitträgt, negativ bewertet wird, stellt angesichts der Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz eine sachfremde Erwägung dar.“

Fazit

Die Bewertung von mündlichen Bieterpräsentationen ist grundsätzlich zulässig. Doch sollten sich öffentliche Auftraggeber immer fragen, in welchen Fällen dies auch tatsächlich Sinn macht. Denn oft dürfte sich die Qualität des Bieters und der Auftragsausführung durch diesen Bieter bereits anhand der schriftlichen Angebotsinhalte, etwa schriftlicher Konzepte, gut bewerten lassen. Öffentliche Auftraggeber sollten sich dann die Frage stellen, welchen Mehrwert, den sie bewerten wollen, sie durch eine Bieterpräsentation noch erhalten können. Wenn es „nur“ darum geht, die handelnden Mitarbeiter beim Bieter kennenzulernen und einen persönlichen Eindruck von ihnen zu erhalten, kann dieses Ziel genauso gut in einer Bieterpräsentation nach Angebotsabgabe, die kein Bestandteil der Wertung ist, erreicht werden.

Nach Auffassung des Verfassers ist die Bewertung einer Bieterpräsentation v.a. dann sinnvoll, wenn während der Auftragsausführung „Soft Skills“ wie etwa eine gute mündliche Argumentationsfähigkeit und Struktur im mündlichen Vortrag auch wirklich gefragt sind. Dies kann etwa bei Architekten der Fall sein, die wöchentlich an Planungsbesprechungen mit dem Auftraggeber und Baufirmen teilnehmen und diese in diesen Gesprächen von bestimmten Dingen „überzeugen“ müssen. Weitere denkbare Fälle sind solche, bei denen die Aufgaben des Bieters (auch) mündliche Beratung des Auftraggebers zu komplexen Fragestellungen beinhaltet, etwa bei großen IT-Projekten.

Die Vorteile für den öffentlichen Auftraggeber sind in diesen Fällen abzuwägen mit der Fehleranfälligkeit der Bewertung einer mündlichen Angebotspräsentation insbesondere in der Phase der Dokumentation. Rügen von Bietern nach einer Bieterpräsentation nach dem Motto „Wir sind zu schlecht bewertet worden“ sind häufig. Demgemäß können öffentliche Auftraggeber gar nicht genug Wert auf die Dokumentation der Wertungsentscheidung legen. Darüber hinaus sollte während der Bieterpräsentation ein möglichst exaktes Protokoll geführt werden.

Die Dokumentation der Wertungsentscheidung muss nach einer neueren Entscheidung der VK Bund im Übrigen unmittelbar nach der Präsentation erfolgen. Denn weil es bei der Bewertung einer mündlichen Präsentation auf den unmittelbaren, spontanen und unbeeinflussten Eindruck ankommt, ist eine viel später erfolgte Dokumentation (hier: einen Monat nach der Präsentation) nicht mehr zulässig (VK Bund, Beschl. v. 16.12.2022, VK 1-99/22).

Kostenloser Fachbeitrag
Preissteigerungen bei Baustoffen und ihre Auswirkungen auf die Bauverträge

Wer trägt die plötzlichen Mehrkosten? Ist die Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB gestört? Und gibt es wirksame Vertragsanpassungen, die für beide Seiten eine gute Lösung darstellen?
RA Stefan Reichert gibt Ihnen Antworten auf diese aktuellen Fragen.

Bildnachweis: laddawan/stock.adobe.com
Henning Feldmann
Fachanwalt für Vergaberecht bei ESCH BAHNER LISCH Rechtsanwälte PartmbB in Köln
Passende Themen durchstöbern
Online-Modul
Werner Vergaberecht
  • 13 Top-Titel in einem Online-Modul
  • - Inklusive Willenbruch / Wieddekind »Kompaktkommentar Vergaberecht«
  • und der Zeitschrift »VergabeR«
    - Alle Werke immer in der aktuellen Auflage
Immer top informiert: Neuigkeiten aus dem Bau- und Vergabrecht
Back To Top