Changemanagement
Recht & Verwaltung13 Februar, 2023

Schulleitungen als Changemanager – ein Veränderungskompass in 7 Schritten

Alexander Scheuerer, Oberstudiendirektor a.D. Organisationsberater und Schulentwickler

Lesezeit: ca. 12 Minuten

Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Das wird uns allen in den letzten Wochen schmerzhaft bewusst. Ist die Corona-Pandemie eine tägliche Herausforderung für uns, so ist mit dem Ausbruch des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine deutlich: Wir leben in einer Zeitenwende!

Changemanagement wird angesichts der neuen Herausforderungen und Krisen die wichtigste Kompetenz von Schulleitungen, denn nur damit lassen sich die fast täglich neuen Herausforderungen und langfristigen Problemen lösen. Mit Changemanagement, als die planvolle Steuerung von Schul- und Unterrichtsentwicklung, bleiben Schulleitungen handlungsfähig und aktiv, und brauchen nicht resignieren. Wir können flexibel und beweglich auf die Krisen reagieren, z.B. wenn Schulen von sich aus Angebote zur Aufnahme von ukrainischen Schüler:innen machen.

1. Schritt: Das Feld der Veränderungsbereitschaft erkunden

Von allen Change Modellen scheint mir das bekannte Modell von P. Senge, auch unter dem Begriff »Lernende Organisation« diskutiert, heute noch ein lohnenswerter Ansatz um für Schulleitungen eine Orientierung und ein Vorgehen in der Schulentwicklung zu finden P. Senge nennt dies »Personal Mastery«, die Disziplin der Selbstführung und Persönlichkeitsentwicklung. Der Schwerpunkt im Folgendem wird auf die Erkundung der eigenen Veränderungsbereitschaft gelegt, denn bei allen Veränderungen ist der erste und wichtigste Schritt, bereit zu sein, sich selbst zu ändern. Nach dem Motto:

Meine Einstellung zu Veränderungen

  • In welchen Momenten fühle ich mich in der Schule lebendig?
  • Bin ich bereit für Veränderungen?
  • Halte ich lieber an alten Gewohnheiten fest? Warum?
  • Glaube ich, dass es in der Schule wieder so sein wird wie vor der Corona-Krise?
  • Wie schätze ich meine Veränderungsbereitschaft auf einer Skala von 1–10 ein? Begründung! Was müsste passieren, um auf die nächste Stufe zu kommen?

2. Schritt: Selbstfindung oder die Kunst den eigenen Weg zu finden

Selbstfindung meint, dass wir uns immer wieder über die Dinge klar werden, die für uns wichtig sind. Dinge, die unserem Leben die Würze und den Antrieb geben, weil wir unsere Arbeit in den Dienst von höheren Zielen stellen. Natürlich gründet Selbstfindung in meiner Kompetenz und meinem Fachwissen, aber darüber hinaus meint es die Entfaltung und Offenheit, die ich gegenüber der Welt und meiner Umwelt zeige. Es bedeutet, Arbeit und Leben als schöpferischen Prozess aufzufassen, der Neues zulässt auch auf das Risiko damit zu scheitern. Wir alle haben das Bedürfnis und den Antrieb etwas zu gestalten und zu erschaffen, das können einfache Dinge sein oder große Vorhaben. Nur reaktiv zu handeln, also nur auf den Anstoß von außen zu warten, macht mürbe und unzufrieden. Eine solche Situation war in der Corona-Zeit, in der Schulleiter manchmal bis freitagnachmittags warten mussten, um die neusten Anweisungen für die kommende Woche aus dem Ministerium zu bekommen. Eigenverantwortliches Handeln war unerwünscht. Dagegen beinhaltet aktives Handeln ein tätiges Vorgehen mit der Absicht, eine Entwicklung bewusst zu beeinflussen und zu steuern, dabei die Führung und Initiative zu übernehmen. Proaktives Verhalten meint dagegen ein frühzeitiges und differenziertes Vorbereiten, um auf möglich eintretende Ereignisse reagieren zu können. So hat die Alemannenschule in Wutöschingen mit der Covid-Pandemie kein Problem und beschult die Schüler/-innen einfach weiter, da die Schule vor Jahren schon erfolgreich die digitale Lernplattform »DiLer« eingerichtet hat.

Fragen zur Selbstfindung als Führungskraft

  • Was ist der tiefere Sinn meines Tuns und was lässt mich morgens mit Freude aus dem Bett springen?
  • Wie sehe ich mich in 5 oder 10 Jahren?
  • Welche Veränderungen und neuen Projekt stehen in meiner Schule an?

3. Schritt: Selbstführung heißt sich Ziele zu setzen

Erfolgreiche Schulen und Schulleitungen haben die Fähigkeit, sich selbst persönlich Ziele zu setzen und eine langfristige Vision für ihre Organisation zu entwickeln. Die persönlichen Ziele müssen in einem Austausch- und Kommunikationsprozess zu einer gemeinsamen Zukunftsvision für alle Mitglieder der Schule werden. Gemeinsame Ziele erzeugen Identität und Synergieeffekte, die Bereitschaft sich zu engagieren und einzubringen, gemeinsame Ziele verbinden und machen ein Kollegium stark.

Die Menschen wachsen über sich hinaus und lernen aus eigenem Antrieb. Die gemeinsamen Ziele oder Visionen können aber nur, sollen sie ihre Wirkung entfalten, in einer offenen Dialogkultur entstehen. Indem wir lernen, aufeinander zu hören, gemeinsam zu denken und uns mitzuteilen. So kommen wir auch eigenen oder kollektiven Abwehrmechanismus und Killerphrasen (»das klappt doch nie«, »haben wir…«) auf die Spur. Die Disziplin der Vision bezeichnet P. Senge als die Fähigkeit, gemeinsam Zukunftsbilder freizulegen, sich auf die Zukunft einzulassen, um echtes Engagement und Teilnehmerschaft zu fördern und nicht bloß eine Zustimmung. Die Bedeutung einer Vision ist nicht zu unterschätzen und ein mächtiger Hebel bei Veränderungsprozessen.

Fragen zur gemeinsamen Visions- und/oder Leitbildentwicklung

  • Auf welche gemeinsamen Ziele können wir uns einigen?
  • Was will ich noch in die Welt bringen? Was möchte ich als Schulleitung meiner Schule hinterlassen?
  • Was muss ich selber tun, wo muss ich mich verändern, um meine Ziele zu erreichen?
  • Was ist uns als Schule so wichtig, dass wir darauf nicht verzichten wollen?
  • Wie wollen wir diese Ziele umsetzen? Wie gehen wir dabei vor?

4. Schritt: Selbstführung ist die Arbeit an der eigenen Haltung

Unsere innere Haltung, auch als mentalen Modelle bzw. Mindset bezeichnet, sind unsere tief verwurzelten, oft unbewussten, Annahmen, Bilder oder Symbole, wie wir glauben, dass das Leben und die Welt funktioniert. Sie haben großen Einfluss, ja bestimmen sogar letztlich, wie wir die Welt und uns sowie das Handeln anderer wahrnehmen und beurteilen. Unsere innere Haltung drückt sich auch in Glaubensätzen und Überzeugungen aus (»Das schaffe ich nie«). Solche Lebensregeln navigieren uns durch den Alltag, helfen uns auch, weil sie uns Orientierung geben. Doch oft stellen sie uns Fallen und stehen uns im Wege, weil sie dafür sorgen, unsere Komfortzone nicht zu verlassen. Um an sie heranzukommen, empfiehlt P. Senge, dass man den »Spiegel nach innen kehrt« (S. 18).

Wir müssen uns mit unseren inneren Bildern von der Welt beschäftigen, »sie an die Oberfläche holen und einer kritischen Betrachtung unterziehen«. Die Auseinandersetzung mit den mentalen Modellen erfordert die Bereitschaft zu »lernintensiven Gesprächen«, in denen wir lernen, uns zu erkunden und in dem wir klar zum Ausdruck bringen, was wir denken und unser Denken für die Einflüsse anderer öffnen. C. Dweck unterscheidet beim Mindset zwischen Menschen mit statischem und dynamischen Selbstbild. Menschen mit statischem Weltbild glauben an die Macht der Veranlagung und Tradition. In ihrem Weltbild sind alle menschlichen Fähigkeiten in Stein gemeißelt. So ist man entweder dumm oder intelligent, faul oder fleißig und wird es immer so bleiben. Ein dynamisches Weltbild fördert den Glauben, Dinge verändern zu können, und hilft alle Kräfte zu entwickeln und die eigenen Potentiale zu entfalten. Die positive Nachricht ist, solche Selbstbilder sind erlernbar, also auch veränderbar. Die meisten Menschen haben eine Mischung von beiden Anteilen.

Fragen zur Arbeit an der eigenen persönlichen Haltung

  • Welche Anteile haben bei mir die statischen und welche Anteile die dynamischen Selbstbilder? Welches Selbstbild entspricht mir eher?
  • Welche anderen Einstellungen prägen meine Haltung zu Veränderungsprozessen?
  • Was ist von meinen Einstellungen oder Selbstbilder hilfreich für mein Handel und wo blockiert es mich und verhindert mein Wachstum?

5. Schritt: Selbstführung von und mit anderen zu lernen

Mit anderen zusammen zu arbeiten, muss gelernt werden. Deshalb beginnt »teamlernen« mit dem Dialog: Das heißt eigene Annahmen offen zu legen und aufzuheben und sich auf ein gemeinsames Lernen einzulassen. Griechisch bedeutet dia-logos das ungehinderte Fließen von Sinn einer Gruppe, wodurch die Gruppe zu Einsichten gelangen kann, die dem Einzelnen nicht möglich sind. D. Bohm hat drei Grundbedingungen, die für einen Dialog erfüllt sein müssen: 1. Eigene Annahmen in der Schwebe halten; 2. Alle Teilnehmer müssen sich als gleichberechtigt betrachten; und 3. muss es einen helfenden Begleiter geben, der den Dialog strukturiert. Der Fluss von widersprüchlichen Ideen ist von großer Bedeutung für das kreative Denken, für das Finden neuer Lösungen, zu denen man nur zusammen hinkommt.

So hat eine Schule dazu ein besonderes Forum geschaffen. Bevor neue Konzepte auf der Lehrerkonferenz diskutiert und beschlossen werden, kann jeder in der Schule eine Idee zur Schulentwicklung oder ein besonders Projekt an einem Abend in einer offenen Diskussionsrunde vorstellen.

Wie lerne ich mit anderen zusammen zu arbeiten?

  • Wie schaffen wir es, als Gruppe über uns hinauszuwachsen und etwas Konstruktives zu bewirken?
  • Welche persönlichen Fähigkeiten kann ich in ein Team einbringen? Wo kann ich andere unterstützen? Wo wünsche ich mir eine Unterstützung?
  • Welchen Rahmen oder Umfeld brauch ich, um mein kreatives und innovatives Potential zu entfalten und Anerkennung und Wertschätzung für meine Arbeit zu finden?

6. Schritt: Selbstführung ist Reflexion des eigenen Tuns

Das Herzstück des Systemdenkens und Grundlage für die eigene Reflexion ist die Einsicht, dass wir erkennen, »wie wir selbst durch unser Handeln zu unseren Problemen beitragen« (P. Senge, S. 22). Wenn wir uns dies eingestehen, dann ist auch der Boden für eine Lösung bereit und möglich. So wird die Schule als lernende Organisation zu einem Ort, wo wir entdecken, wie wir unsere Realität durch unser Handeln selbst erschaffen und dass wir sie verändern können. Das ist der tiefere Sinn von Lernen und Veränderung. P. Senge benutzt dafür den griechischen Begriff »Metanoia«, was Umdenken bedeutet. Die Bedeutung von Metonia ist für ihn identisch mit der tieferen Bedeutung von Lernen als ein fundamentales Umdenken und eine tiefgreifende Sinnesänderung. Ein solches Lernen berührt den Kern der menschlichen Existenz, pathetisch bezeichnet P. Senge dies als »echtes Lernen« (ebd., S. 24) – das heißt:

  • wir erschaffen uns ständig neu.
  • erwerben Fähigkeiten, die uns vorher fremd waren.
  • sehen die Welt und unsere Beziehung zu ihr mit anderen Augen.
  • Entdecken unsere kreative Kraft.
  • entfalten unsere Fähigkeit, am lebendigen Schöpfungsprozess teilzunehmen.

Bei allen Menschen besteht eine tiefe Sehnsucht nach dieser Art des Lernens und ist ebenso elementar wie der Sexualtrieb. Ein solches Lernen ist keine schlechte Voraussetzung, um die Herausforderung und Krisen unserer komplexen Welt zu meistern. Bildung hat bei der Lösung sicher eine Schlüsselrolle.

Helfen und unterstützen kann bei diesem Prozess die Haltung einer »reflektiven Offenheit« im Schulleitungsteam. Die reflektierte Offenheit beginnt damit, dass wir in uns hineinsehen und unser Denken erkunden. Das heißt die Bereitschaft das eigene Denken in Frage zu stellen, und zu erkennen, dass jegliche Annahme, die wir haben, bestenfalls eine Annahme über die Welt ist. Egal, wie überzeugt wir davon sein mögen, egal wie klar und einsichtig uns unsere Idee ist.

Wie reflektiere und beurteile ich meinen Entwicklungsprozess und die Umsetzung meiner Vorhaben?

  • Zu welchen Grenzüberschreitungen bin ich bereit und in welchen Bereichen?
  • Wo bin ich bereit, meine Komfortzone zu verlassen und etwas zu wagen?
  • Was sind die Faktoren in meiner Organisation und im Umfeld, die mich behindern und wo gibt es Hebelpunkte für Veränderungen?

7. Schritt: Veränderung geht nur zusammen

Über die neue Qualität der Kooperation von Schule, Schulträger und Schulbehörden. Meine Beobachtung ist, dass Changemanagement in Schulen in eine neue Phase kommt. Lag es bisher in erster Linie in den Händen der Schulen und Schulleitungen, Change Prozesse auf der Ebene der Schul- und Unterrichtsebene voranzutreiben, die beratend und wohlwollend von Schulaufsicht unterstützt wurde, so ist ein deutlicher Wandel zu verzeichnen. Die Herausforderungen mit den Schulen zu tun haben, erfordern spätestens seit der Corona-Pandemie bessere und wirksamere Unterstützungsmaßnahmen. Schulen können die Probleme und die ständig wachsenden Aufgaben, die an sie herangetragen werden, nicht mehr alleine lösen. Zum Beispiel einen digitalen Unterricht zu organisieren bei fehlender digitaler Ausstattung und entsprechender Netzverbindung. Sie brauchen, um ihren Bildungsauftrag zu erfüllen und auch um sich weiterzuentwickeln, die kontinuierliche Zusammenarbeit und tatkräftige Unterstützung in Form von Ressourcen, Personalversorgung, Fort- und Weiterbildungen des Schulträgers und der Schulbehörde. Im nächsten Schritt eine gute Vernetzung mit anderen Schulen und außerschulischen Einrichtungen, ob Synergieeffekte zu erzeugen und sich manchen Umweg zu ersparen (s. Abb. 1).

Bildnachweis: tadamichi/stock.adobe.com

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