Rückforderung von Anwärterbezügen
Recht & Verwaltung25 Januar, 2023

BVerwG: Rückforderung von Bezügen wegen Vertretenmüssen charakterlicher Nichteignung?

Redaktion eGovPraxis Personal

BVerwG entscheidet über eine Rückforderung von Anwärterbezügen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen fehlender charakterlicher Eignung.

Rückforderung von Bezügen nach Entlassung wegen fehlender charakterlicher Eignung?

Die 1991 geborene Klägerin wurde im September 2014 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Kommissaranwärterin ernannt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom November 2015 entließ das zuständige Polizeipräsidium die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass der von der Klägerin praktizierte mehrfache Konsum von Cannabis und ihr dienstliches Verhalten nach der festgestellten Verfehlung gegenüber Dienstvorgesetzten und Kollegen berechtigte Zweifel an ihrer charakterlichen Eignung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst begründe.

Das zuständige Landesamt für Besoldung und Versorgung hat mit Bescheid vom April 2016 für den Zeitraum von September 2014 bis zum November 2015 den Teil der Anwärterbezüge zurückgefordert, der einen Betrag von 383,47 Euro monatlich übersteigt, insgesamt einen Betrag von 10 670,25 Euro. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin die Auflage für die Gewährung der Anwärterbezüge nicht erfüllt habe. Sie habe gegen die Wohlverhaltenspflicht verstoßen und damit ihre Entlassung zu vertreten. Auf den Widerspruch der Klägerin gewährte das Landesamt die Tilgung der Rückforderung in monatlichen Raten und wies den Widerspruch im Übrigen mit Bescheid vom März 2017 zurück.

Das Berufungsgericht hat das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Rückforderung der Anwärterbezüge sei rechtmäßig.

Mit ihrer Beschwerde richtet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des OVG.

BVerwG entscheidet: Vertetenmüssen der fehlenden charakterlichen Eignung im Einzelfall möglich

Das BVerwG hat mit der vorliegenden Entscheidung zu den Voraussetzungen einer Rückforderung von Anwärterbezügen bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf Stellung genommen und die Revision nicht zugelassen.

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels gestützte Beschwerde habe keinen Erfolg. Die Revision sei nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sei hier § 15 Abs. 2 S. 1 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 14.06.2016 (LBesG NRW) in Verbindung mit § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Danach bestehe ein Anspruch des Dienstherrn auf Rückzahlung von Bezügen, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eintrete. Der Dienstherr dürfe die Zahlung der Anwärterbezüge daran knüpfen, dass der Anwärter nicht aus einem von ihm zu vertretenden Grund aus dem Vorbereitungsdienst ausscheide.

Das Ausscheiden aus dem Dienst sei dann von dem Beamten auf Widerruf zu vertreten, wenn es auf Umständen basiere, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen seien. Dies sei in der Regel der Fall, wenn die Umstände maßgeblich durch das Verhalten des Beamten geprägt seien, wobei die Motive für das Ausscheiden aus dem Dienst zu berücksichtigen seien.

Ob dies anzunehmen sei, bedürfe einer Prüfung und Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dies gelte auch bei einer Entlassung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wegen charakterlicher Nichteignung. Ein Vertretenmüssen des Ausscheidens aus dem Dienst sei in dieser Fallkonstellation nicht per se ausgeschlossen.

Das OVG sei zu Recht nicht der Annahme des VG gefolgt, dass die fehlende charakterliche Eignung im Allgemeinen kein vom Beamten zu vertretender Grund sein könne. Es habe geprüft, ob die Klägerin die zum Widerruf des Beamtenverhältnisses führenden Umstände zu vertreten habe. Es sei hier nachvollziehbar zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Dienstherrn beanstandeten Verhaltensweisen - der Konsum von Cannabis, die Aussagen über eine Kollegin, die fehlende Einsichtigkeit gegenüber Vorgesetzten sowie die uneinsichtige und kritikunfähige Reaktion gegenüber Ausbildern - dem Einfluss der Klägerin unterlägen und es ihr freigestanden hätte, diese zu unterlassen oder anzupassen.

Praktische Bedeutung des BVerwG Beschlusses vom 04.07.2022 - 2 B 5.22 -

Das BVerwG macht in dieser Entscheidung auch deutlich, dass der Begriff der charakterlichen Eignung in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt und einer weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist. Nach Auffassung des BVerwG ist demnach für die charakterliche Eignung die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Dies schließt nach Worten des Gerichts nicht aus, dass sich die begründeten Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Beamten auch aus einem einmaligen Fehlverhalten ergeben können, wenn dieses die charakterlichen Mängel hinreichend deutlich zu Tage treten lässt.
Dabei kann es sich nach Ansicht des BVerwG natürlich auch um willensgesteuerte Verhaltensweisen des Beamten handeln, die auf die charakterliche Nichteignung schließen lassen.

Bildnachweis: BullRun/stock.adobe.com
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