Vertragsgestaltung-AGB-Kontrolle
Recht & Verwaltung13 März, 2023

Smarte Maschinen: Vertragsgestaltung & AGB-Kontrolle 

Anpassungsbedarf nach Umsetzung der Warenkauf-RL und Digitale-Inhalte-RL im B2B-Bereich

Prof. Dr. Mary-Rose McGuire/Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke*

Dieser Beitrag zeigt, wie eine Neuregelung im BGB, die primär der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Verbraucherrecht dient, auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen Anbietern und Nutzern smarter Maschinen genutzt werden kann. Denn die neuen Vorschriften enthalten einzelne Normen, vor allem aber übergeordnete Rechtsgedanken, die auch auf Verträge unter Unternehmen angewendet werden können und wahrscheinlich auch werden. Sowohl die Vertragspflichten (z.B. Updates und Upgrades) als auch die Mängelrechte (z.B. Recht zur Beendigung und zum Anbieterwechsel) werden durch die Neuregelung beeinflusst. Zudem wird durch die gesetzliche Definition des Begriffs der »digitalen Güter« und der Öffnung des Kauf- und Mietvertragsrechts erstmals ein gesetzlicher Rahmen für Softwareüberlassungsverträge vorgegeben. Die Neuregelung gibt Anlass zur Überprüfung des Geschäftsmodells und der Vertragsgestaltung bei smarten Maschinen mit dem Ziel, die Vertragspflichten und die Rechte an Software zu präzisieren. Zugleich gibt die Neuregelung Orientierung für die notwendige Anpassung der von den Anbietern verwendeten Terms & Conditions an die Vorgaben des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

1. Einleitung

Aus juristischer Perspektive werfen smarte Maschinen sowohl vertragsrechtliche als auch haftungsrechtliche Fragen auf. Für beide bietet eine sorgfältige Vertragsgestaltung die beste Vorsorge. Fehlt es daran, greift das dispositive Recht – hilfsweise die ergänzende Vertragsauslegung – ein. Es liegt auf der Hand, dass ein ausgewogenes dispositives Recht den Regelungsbedarf und damit die Transaktionskosten vermindert.

Während der Gesetzgeber durch die Umsetzung der Warenkauf- RL und Digitale-Inhalte-RL Regelungen für Verbraucherverträge über smarte Geräte (bspw. Smartphones, Fitnessarmbänder) getroffen hat, sind diese auf smarte Maschinen, also Geräte, die ausschließlich von Unternehmen im Rahmen des Produktionsprozesses genutzt werden (bspw. Fertigungsroboter, Landmaschinen), nicht anwendbar. Die nähere Betrachtung der Änderungen durch Warenkauf-RL und Digitale-Inhalte-RL zeigt indes, dass der überwiegende Teil dieser Regelungen der Modernisierung des allgemeinen Vertragsrechts dient und keinen genuin verbraucherschützenden Charakter hat.1 Gerade die technische Weiterentwicklung sowie die veränderten Erwartungen von Kunden sind auch im B2B-Bereich zu beobachten:

  • Klassische Kaufverträge über Maschinen ohne digitale Inhalte werden seltener. Zunehmend entstehen Dauerschuldverhältnisse, die eine Bereitstellung digitaler Inhalte vorsehen.2
  • Die neuen Regelungen über die Bereitstellung digitaler Inhalte, z.B. zu Interoperabilität, Aktualisierung, Änderung oder Beendigung, setzen einen Standard, der auch außerhalb des Verbraucherrechts Erwartungen schafft.
  • Da bei smarten Maschinen typischerweise mindestens zwei Leistungen, nämlich eine körperliche Sache und eine Software bzw. softwaregestützte Dienstleistung, kombiniert werden, finden sich auch hier dieselben Kombinationsmöglichkeiten, die im Verbraucherrecht in § 327a BGB durch die Dreiteilung in Warenkauf mit digitalem Element, Paketvertrag und verbundenem Vertrag inzwischen geregelt sind.
Da weder die vertragstypologische Einordnung noch die Art der Verknüpfung der beiden Leistungen davon abhängt, ob der Vertragspartner ein Verbraucher oder ein Unternehmer

ist, liegt es nahe, diese Unterscheidungen auch im B2B-Bereich anzuwenden.3 Aus demselben Grund ist nicht ersichtlich, warum die Anforderungen an Interoperabilität und Aktualisierung für den Mangelbegriff nur bei Einordnung als Kaufvertrag, nicht aber bei einem Miet- oder Lizenzvertrag gelten sollen. Auch hier kann die Neuregelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angewendet werden.4 Dies alles gilt umso mehr, als die Anforderungen aus dem B2CBereich aller Voraussicht nach in der Lieferkette nach oben durchgereicht werden und dadurch bald die Verkehrserwartung auch im Bereich B2B prägen könnten.5

Jedenfalls so lange der (europäische) Gesetzgeber den Bereich B2B nicht explizit regelt, ist davon auszugehen, dass das durch Warenkauf- und Digitale-Inhalte-RL vorgezeichnete Leitbild einer interessengerechten Pflichten- und Risikoverteilung auch der wichtigste Maßstab für die ergänzende Vertragsauslegung sowie die Inhaltskontrolle von B2B-Verträgen sein wird.6 Weiter in die Zukunft geblickt zeichnet sich überdies schon ab, dass der EU Data Act7 eine Inhaltskontrolle für »unverhältnismäßige und missbräuchliche« Klauseln bei Beteiligung eines KMU auch für den B2B Bereich vorsieht, soweit es um den Datenzugang und die Datennutzung oder die Haftung und Rechtsbehelfe bei Verletzung oder Beendigung datenbezogener Pflichten geht. 2.

Gestaltungsmöglichkeiten durch Formulierung der Leistungspflichten

Das neue Recht kombinierter Leistungen mit digitalen Elementen strahlt nicht nur auf die Rechtslage bei smarten Maschinen aus. Er bietet umgekehrt auch Möglichkeiten, durch Gestaltung von Geschäftsmodellen und Verträgen deutlich mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

  • Die Abgrenzung zwischen Kaufvertrag mit digitalem Element, Paketvertrag und verbundenem Vertrag kann im Bereich B2B durch Vertragsgestaltung beeinflusst werden.

Umfasst der Gegenstand des Vertrags mehrere Hauptleistungspflichten, so besteht Regelungsbedarf hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen eine Nicht- oder Schlechtleistung einer einzelnen Pflicht auf den Bestand und die Erfüllung der übrigen Bestandteile haben kann. Durch die vertragliche Beschreibung der Leistungspflichten in Anlehnung an die drei nunmehr in § 327a BGB verankerten Modelle (Ware mit digitalem Element, Paketvertrag, verbundener Vertrag) kann diese Frage mit einer schlanken Regelung klargestellt werden.

  • Die Unsicherheit, ob eine smarte Funktion wesentlicher Vertragsgegenstand oder bloßes Add-On ist, kann durch Vertragsgestaltung verringert werden.

Kann ein Produkt sowohl analog als auch mit einer smarten Zusatzfunktion genutzt werden, so kann versucht werden, durch die Beschreibung der Leistungspflichten klarzustellen, ob es sich bei der smarten Alternative um einen wesentlichen Vertragsbestandteil oder ein bloßes Add-On handelt.

Praktisch bedeutsam ist dies etwa für die Aktualisierungspflicht, die sich (bei Verbraucherverträgen) aus § 475b Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 BGB ergeben würde. Händler haben z.B. ein Interesse, nicht zur Aktualisierung verpflichtet zu sein, da sie diese Pflicht – im Gegensatz zum Hersteller – oft gar nicht selbst erfüllen können. Mit einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung8 kann der Händler versuchen, seine Aktualisierungspflicht einzugrenzen, und zwar sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht.9 Soweit eine Aktualisierungspflicht des Händlers verbleibt, die er, wie normalerweise, nicht selbst erfüllen kann, kann der Händler versuchen, nach dem Modell eines Selbstbelieferungsvorbehalts (vgl. § 308 Nr. 8 BGB) seine Haftung einzuschränken, wenn der Hersteller – entgegen einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Händler – die versprochenen Aktualisierungen nicht vornimmt.

  • Insbesondere bei Test- und Betaversionen sollte die Leistungspflicht durch eine – vorsorglich ausdrückliche und hervorgehobene – negative Beschaffenheitsangabe beschränkt werden.
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Besteht zwischen den mehreren Leistungen ein Funktionszusammenhang, treffen die Anbieter der einzelnen Leistungen, also z.B. Verkäufer und Dienstleistungserbringer, gesteigerte Anforderungen an die Funktionsfähigkeit des smarten Produktes. Dies ist unmittelbare Konsequenz der Abschwächung des Vorrangs der subjektiven Beschaffenheit. Zudem wird durch die Verpflichtung zur Funktionsfähigkeit während des üblichen Nutzungszeitraums die Erwartung geweckt, dass die smarten Funktionen über einen gewissen Zeitraum verfügbar bleiben oder sogar aktualisiert werden.

Ist die dauerhafte Funktionsfähigkeit nicht sichergestellt, gilt es, mögliche Beschränkungen durch den Entwicklungsstand der smarten Komponente als ausdrückliche und hervorgehobene negative Beschaffenheitsvereinbarung im Vertrag zu verankern. Dabei ist von einer bloßen Bezeichnung als »Betaversion « abzuraten. Eine rechtssichere Gestaltung erfordert vielmehr, dass die aufgrund des Test- oder Beta-Charakters einer smarten Leistungskomponente möglichen Einschränkungen der Funktionsfähigkeit bzw. Verfügbarkeit konkret beschrieben werden.10

Ein Beispiel für eine weitgehende negative Beschaffenheitsvereinbarung, die eine jederzeitige Einschränkung oder Anpassung bis hin zur Einstellung erlauben würde, ist etwa:

»Die Funktionen der zur Verfügung gestellten App sind Test- Funktionen, die jeweils so erbracht werden, wie sie sind (›asis‹),11 und jederzeit angepasst oder beendet werden können. Dies bedeutet, dass keine Verpflichtung zur zukünftigen Erbringung von Leistungen der App übernommen wird.«

  • Umfasst der Vertrag zwei oder mehr unterschiedliche Hauptleistungspflichten, sollte eine Vereinbarung über die Auswirkung der Beendigung einer Leistungspflicht auf den Bestand des Restvertrags getroffen werden.

Wenngleich §§ 327 ff. BGB nicht direkt anwendbar sind, enthalten sie ein Modell, wie sich Normkonflikte bei Verträgen mit unterschiedlichen Leistungsinhalten auflösen lassen. Dabei haben insbesondere die Regelungen in § 327m BGB über die Möglichkeit zur Beendigung bei Mangelhaftigkeit einer Teilleistung Vorbildcharakter. Sie legen nahe, bei Verträgen mit mehreren Hauptleistungspflichten vertraglich zu regeln, ob ein Mangel einer Leistung auf die andere durchschlägt. Besondere Bedeutung hat dies, wenn die beiden Leistungen von unterschiedlichen Vertragspartnern bezogen werden.

3. Grenze: AGB-Kontrolle

Jedoch ist zu bedenken, dass die Vertragsgestaltung auch im unternehmerischen Verkehr an die Grenzen des AGB-Rechts stößt. Die oben genannten Beispiele haben den Vorteil, dass die Beschreibung der Hauptleistungspflichten einschließlich negativer Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich nicht kontrollfähig ist.12 Dass negative Beschaffenheitsvereinbarungen, sofern sie transparent sind, zulässig und wirksam sind, ergibt sich inzwischen auch aus dem Zusammenspiel der objektiven und der subjektiven Anforderungen in der Definition des Mangels für Kaufverträge (§ 434 BGB) und für Verträge über digitale Inhalte (§ 327e BGB).13 Die AGB-rechtliche Grenze liegt zwischen – kontrollfreien – Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der versprochenen Leistung festlegen, und – kontrollfähigen – Einschränkungen des Leistungsversprechens, welche die Hauptleistungspflichten abweichend von einem gesetzlichen Modell oder von Treu und Glauben beschneiden. So sind z.B. Baubeschreibungen, die VOB/C, DIN-Normen oder ähnliche technische Beschreibungen der Leistung in Bezug nehmen, kontrollfrei.14 Ähnliches dürfte für die technische Beschreibung der Fähigkeiten einer App gelten.

Jedoch ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber – für Verbraucherverträge – ausdrückliche Regelungen geschaffen hat, die den Zweck haben, es den Unternehmern zu erschweren, wirksam eine negative Beschaffenheitsvereinbarung mit Verbrauchern abzuschließen.15 Insbesondere stellen § 327h BGB sowie § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB strenge und neuartige Transparenzanforderungen, die sicherstellen sollen, dass Verbraucher den Vertrag nur in Kenntnis der Abweichungen von den objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit eines Produkts schließen. Da mit Ausstrahlungen auf den unternehmerischen Verkehr zu rechnen ist, empfiehlt es sich vorsorglich, negative Beschaffenheitsvereinbarungen auch in B2B-Verträgen sehr deutlich hervorzuheben.16

Zu beachten ist weiterhin, dass Werbeaussagen oder Anpreisungen im Verkaufsprozess (auch in der Lieferkette, vgl. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2b BGB) im Widerspruch zu derartigen Klauseln stehen können.17 Die naheliegende Folge ist dann, dass Gerichte im Wege der Vertragsauslegung zu dem Ergebnis kommen können, dass die formularmäßige negative Beschaffenheitsvereinbarung wegen Widersprüchlichkeit oder abweichender Individualvereinbarung nicht zum Vertragsinhalt geworden und deshalb unwirksam ist. Besondere Vorsicht ist bei generellen Haftungsbeschränkungen geboten, wie z.B. dem Ausschluss »Eine Haftung für Leistungen der App wird nicht übernommen.« Sie sind grundsätzlich kontrollfähig und regelmäßig unwirksam, wenn sie gegen die auch im unternehmerischen Verkehr geltenden Klauselverbote verstoßen.18 Dies gilt insbesondere für Vertragsklauseln, welche die Haftung für vertragswesentliche Pflichten, übernommene Garantien, Produktmängel, Personenschäden oder grobe Fahrlässigkeit einschränken.19 Daher sollte eine negative Beschaffenheitsvereinbarung zu einer App-Testversion, die nur klarstellt, dass die App jederzeit geändert oder eingestellt werden kann,20 nicht mit einer derart weitreichenden Haftungsbeschränkung kombiniert werden. Sonst besteht wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion die Gefahr, dass die gesamte Klausel fällt,21 wenn z.B. auch die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist. Es könnte sich sogar empfehlen klarzustellen, dass eine solche Testversion-Klausel die Haftung für Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit, Personenschäden etc. unberührt lässt.

Auch einseitige Beendigungsrechte oder der Ausschluss der Vertragsbeendigung für den Fall, dass eine von mehreren verschiedenartigen Pflichten nicht erfüllt wird, erscheinen problematisch. Denn hier ist davon auszugehen, dass für Klauseln, die die Vertragsbeendigung beschränken, wenn z.B. nur eine App nicht ordnungsgemäß funktioniert, die Abgrenzungen in § 327a BGB und die Maßstäbe für eine Durchschlagsbeendigung in § 327m Abs. 4 und 5 BGB Indizwirkung bei der AGB-Kontrolle haben und die bisher aus § 308 Nr. 3 und § 309 Nr. 8a BGB zu entnehmenden Wertungen bei der Inhaltskontrolle von Klauseln zu Vertragslösungsrechten überlagern. Eine Klausel, welche die Beendigung eines Vertrags über eine smarte Maschine ausschließt, wenn eine digitale Leistung fehlerhaft ist, dürfte z.B. auch in einem B2B-Vertrag deshalb nach § 307 BGB unwirksam sein, wenn es sich um einen Paketvertrag handelt und der Erwerber bzw. Nutzer an der Maschine ohne die digitale Leistung kein Interesse hat.

Als weitere neue Ebene der Inhaltskontrolle könnte alsbald der EU Data Act hinzutreten.22 Der Entwurf des Data Act sieht für Datenzugang und Datennutzung eine neue AGB-rechtliche Generalklausel23 sowie neue Klauselverbote vor, die z.B. den Ausschluss des Zugangs des Nutzers zu den von ihm generierten Daten oder die Haftungsfreizeichnung seitens des Anbieters gegenüber KMU für unzulässig erklären.24

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4. Berücksichtigung des Urheberrechts

Die Neuregelung löst in zahlreichen Fällen Gestaltungsbedarf hinsichtlich der Software aus. Denn die im Zuge der Digitale- Inhalte-RL eingefügten Normen in §§ 453 BGB, 548a BGB erleichtern die Rechtsanwendung bei Softwareverträgen, weil die von der Rechtsprechung tradiert vorgenommene Abgrenzung zwischen Softwarekauf und Softwaremiete nun eine Grundlage im BGB findet. Allerdings setzt die Anwendung des Mietrechts nach der Vorstellung des Gesetzgebers weiterhin die Überlassung einer Kopie einer (statischen) Software auf einem Datenträger voraus. Wie das in der Gesetzesbegründung erwähnte Beispiel der Servermiete zeigt, ist eine Öffnung aber insoweit erfolgt, als der Datenträger keine körperliche Sache, sondern bspw. auch ein designierter Speicherplatz in einer Cloud sein kann.25 Ist Gegenstand des Vertrags demgegenüber nicht eine Vervielfältigung, sondern das Nutzungsrecht selbst, bleibt es bei der Anwendung »nur« der §§ 31 ff. UrhG sowie des allgemeinen Schuldrechts. Für diese Fälle einer Softwarelizenz ergibt sich als gravierende Lücke die fehlende ordentliche Kündigung. Sie sollte daher vertraglich vereinbart werden.

Die grundsätzlich zweckmäßige Erfassung solcher smarten Verträge durch das reformierte BGB darf zudem nicht den Blick dafür verstellen, dass die über §§ 453, 548a BGB anwendbaren Regelungen neben die zwingenden Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes treten. Bei der Vertragsgestaltung ist daher zu beachten, ob Gegenstand des Vertrags ein Datenträger/ Werkstück ist, mit dessen Überlassung Erschöpfung des Urheberrechts eintritt, oder ob der Schuldner zur Gewährung eines Nutzungsrechts (Lizenz) verpflichtet ist, dessen Umfang sich aus §§ 31, 69c f. UrhG ergibt.26 Unabhängig von der Einordnung als Kauf, Miete oder Lizenz ist der Umfang der Nutzungsbefugnis an einer Software durch Gesetz begrenzt (z.B. Dekompilierung, Bearbeitung, Weiterentwicklung etc.). Abweichungen sollten explizit vereinbart werden, da eine konkludente Auslegung zu Gunsten des Erwerbers, Mieters oder Lizenznehmers i.d.R. am sogenannten Zweckübertragungsgrundsatz27 scheitert. Entsprechend wichtig ist es, eine Vereinbarung über den Umfang der Lizenz festzulegen.

Im Fall der Lizenz empfiehlt sich eine ausführliche Regelung aber auch deswegen, da das UrhG etwa mit Blick auf das Gewährleistungsrecht sowie die schon erwähnte Vertragsbeendigung lückenhaft bleibt und der Rückgriff auf das allgemeine Schuldrecht häufig keine (passende) Lösung bereithält. Praktische Bedeutung hat das überall dort, wo die Software nicht zum schlichten Gebrauch, sondern zur Weiterentwicklung oder Weitergabe an Dritte genutzt wird. Die Berechtigung zur Übertragung und Unterlizenzierung ist aber nach § 34 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 UrhG von der Zustimmung des Rechtsinhabers abhängig. Zu beachten ist schließlich, dass Lizenzen besonders fragil sind, weil der Vertragspartner wechseln kann (Übernahme des Softwareanbieters, z.B. eines Start Ups, durch ein anderes Unternehmen), sie gekündigt werden können (§ 314 BGB, § 42 UrhG) und nicht insolvenzfest (§ 103 InsO) sind. Die Überlassung eines Datenträgers gegen Einmalzahlung bietet insoweit Vorteile.

5. Zusammenfassung & Ausblick

Die neuen Regelungen über Verträge über digitale Produkte sind zwar größtenteils nur im Bereich B2C anwendbar, strahlen aber erheblich auf den Bereich B2B aus und halten für wichtige Regelungsbereiche nun zweckmäßige Lösungen bereit.

Anders als das (halb)zwingende Verbraucherschutzrecht besteht aber im B2B-Bereich bei der Kombination von Sachen und digitalen Produkten die Möglichkeit, durch Vertragsgestaltung zu steuern, in welche der drei Kategorien des Rechts der digitalen Produkte (Kaufvertrag mit digitalem Element, Paketvertrag oder verbundene Verträge) die Verträge fallen.

Bei der Formulierung von AGB ist zu berücksichtigen, dass die neuen Regelungen über digitale Produkte auch als Kontrollmaßstab herangezogen werden können, also potentiell eine Indizwirkung insbesondere für Klauseln über Gewährleistung bei B2B-Verträgen haben. Für bereits laufende Verträge, insbesondere Dauerschuldverhältnisse, kann Anpassungsbedarf bestehen.

Für die bei smarten Produkten besonders wichtigen Fragen der Nutzung von nutzergenerierten Daten durch z.B. den Hersteller und eines Zugangsrechts des Nutzers des smarten Produkts zu diesen Daten sieht der geplante EU Data Act neue Klauselverbote für den Bereich B2B vor.

Zwingenden Charakter haben die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes, die immer dann zu berücksichtigen sind, wenn Vertragsgegenstand nicht bloß die endgültige Überlassung einer Kopie, sondern die zeitweise Überlassung der Software oder die Gewährung eines Nutzungsrechts ist.

* Prof. Dr. Mary-Rose McGuire, M.Jur., Inhaberin der Professur für Bürgerliches Recht, das Recht des Geistigen Eigentums sowie deutsches und europäisches Zivilprozessrecht, Universität Osnabrück; Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke, MAE, Inhaber der Professur für Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung und Europäische Rechtsgeschichte, Universität Osnabrück. Die Universität Osnabrück ist Projektpartner des vom BMWK geförderten Projekts Agri-Gaia und dem von BMDV geförderten Projekt 5G Nachhaltige Agrarwirtschaft. 
1 Vgl. die Gruppierung bei BeckOK/Wendland, 2022, BGB, § 327 Rn. 30 ff. 
2 Gsell ZUM 2018, 75, 80; Kumkar ZfPW 2020, 306, 313 f.
3 Riehm RDi 2022, 209, 212. 
4 MüKoBGB/Metzger, 9. Aufl. 2022, Vor § 327 Rn. 39; zustimmend Riehm RDi 2022, 209, 212. 
5 Schöttle MMR 2021, 683. 
6 Metzger JZ 2019, 577. 
7 Vorschlag für eine Verordnung über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz) v. 23.02.2022, COM(2022) 68 final. 
8 Zu Begriff und Funktionen von negativen Beschaffenheitsvereinbarungen BeckOK/Faust, BGB, 2022, § 434 Rn. 66 ff.; Schöttle MMR 2021, 683, 684; Schulte-Nölke ZGS 2003, 184. 
9 Dubovitskaya MMR 2022, 3, 5. 
10 Schöttle MMR 2021, 683, 684. 
11 Die Formulierung »as-is« wurde u.a. 1999 in den frühen Terms of Service von Google verwendet (»You understand and agree that Google’s services are provided ›AS-IS‹«), abrufbar unter https: / / policies.google.com/terms/archive/19990920?hl[04.12.2022]; zweifelnd, ob solche Klauseln in Datenlizenzverträgen mit dem EU Data Act vereinbar sein würden, Bomhard/Merkle RDi 2022, 168, 172.
12 Metzger JZ 2019, 577, 580 m.w.N. 
13 Grünberger AcP 2018, 213, 256. 
14 Leuschner/Rieländer, AGB im unternehmerischen Rechtsverkehr, 2021, § 307 BGB Rn. 160. 
15 Überblick bei Schreier/Michels RDi 2022, 381. 
16 Metzger JZ 2019, 577, 580. 
17 Zu Haftungsbeschränkungen für Aussagen zum Produkt in der Lieferkette, Lapp ITRB 2021, 244, 247. 
18 Duisberg/Schweinoch/Wollny RDi 2021, 249, 257 f. 
19 Überblick über wichtige Klauselverbote in Verträgen zwischen Unternehmen Leuschner/Leuschner, AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr, 2021, Klauseln (Freizeichnungsklauseln), Rn. 116 ff.; MüKoBGB/Fornasier, 9. Aufl. 2022, § 307 Rn. 83–88; Schulze et al./Schulte-Nölke, BGB-Kommentar, 11. Aufl. 2021, § 307 Rn. 9–14, 16–18. 
20 Vgl. das Beispiel oben unter 2. 
21 Dazu Leuschner/Leuschner, AGB-Recht im unternehmerischen Rechtsverkehr, 2021, Klauseln (Freizeichnungsklauseln), Rn. 116 ff. 
22 Deutscher Titel: Vorschlag für eine Verordnung über harmonisierte Vorschriften für einen fairen Datenzugang und eine faire Datennutzung (Datengesetz), COM(2022) 68 final. 
23 Vgl. Art. 13 Abs. 2 EU Data Act (Vorschlag): »Eine Vertragsklausel ist missbräuchlich, wenn ihre Verwendung gröblich von der guten Geschäftspraxis beim Datenzugang und der Datennutzung abweicht und gegen das Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verstößt.«
24 Vgl. z.B. Art. 13 Abs. 3 EU Data Act (Vorschlag): »Eine Vertragsklausel ist missbräuchlich im Sinne dieses Artikels, wenn sie Folgendes bezweckt oder bewirkt: (a) den Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung der Partei, die die Klausel einseitig auferlegt hat, für vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen; (b) den Ausschluss der Rechtsbehelfe, die der Partei, der die Klausel einseitig auferlegt wurde, bei Nichterfüllung von Vertragspflichten zur Verfügung stehen, oder den Ausschluss der Haftung der Partei, die die Klausel einseitig auferlegt hat, bei einer Verletzung solcher Pflichten; …«. 
25 Kramme RDi 2021, 20, 29. 
26 Grünberger AcP 2018, 213, 228 ff., 274 ff. 
27 Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 7. Aufl. 2022, § 31 UrhG Rn. 110–113.
Bildnachweis: Yaroslav Astakhov/stock.adobe.com

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