Vergabe notwendige Gewerke Verbraucherbauvertrag
Recht & Verwaltung17 Juli, 2023

Liegt bei einzelner Vergabe der notwendigen Gewerke ein Verbraucherbauvertrag vor?

Bislang war umstritten, ob ein Verbraucherbauvertrag auch vorliegt, wenn die notwendigen Gewerke zum Bau eines neuen Gebäudes einzeln an verschiedene Unternehmer vergeben werden. Ferner war strittig, ob § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB entsprechend auch auf Bauverträge mit Verbrauchern Anwendung findet, die nicht als Verbraucherbauverträge gelten. Diese Fragen hat der BGH in einer Grundsatzentscheidung geklärt.

RA Claus Rückert

Grundsätzlich kann der Unternehmer vom Besteller aufgrund eines Bauvertrages für die (auch in Zusatzaufträgen) vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung eine Bauhandwerkersicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB verlangen. Dies gilt gemäß § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB u.a. dann nicht, wenn der Besteller ein Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650i BGB handelt.

Bis dato herrschte Unklarheit darüber, ob ein Verbraucherbauvertrag auch dann gegeben ist, wenn die erforderlichen Gewerke für den Bau eines neuen Gebäudes einzeln an unterschiedliche Unternehmer vergeben werden. Als Argument hierfür wurden insbesondere Gründe des Verbraucherschutzes angeführt. Strittig war auch, ob § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB aus Gründen des Verbraucherschutzes zumindest entsprechend Anwendung findet auf Bauverträge mit Verbrauchern, bei denen es sich nicht um ein Verbraucherbauvertrag handelt.

Diese Fragen hat der BGH nun in einer Grundsatzentscheidung abschließend entschieden (Urteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22).


Der Fall

Im Zuge eines Neubaus wird ein Unternehmer (AN) von privaten Bauherren (AG) mit der Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten beauftragt. Der Vertrag wird im August 2018 auf Einheitspreisbasis mit einer Angebotssumme von 28.699,61 € geschlossen. Der AN führt die Arbeiten im Zeitraum von November 2018 bis Januar 2019 aus. Er stellt über die geleisteten Arbeiten Abschlagsrechnungen in Höhe von 29.574,80 €. Hierauf leisten die AG Zahlungen in Höhe von insgesamt 20.337,61 €.

Nach Abzug einer Position fordert der AN die AG zur Zahlung eines offenen Restwerklohns in Höhe von 8.981,86 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € auf. Kurze Zeit später fordert er die AG außerdem zur Stellung einer Sicherheit gemäß § 650f Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 9.880,05 € auf.

Die AG leisten weder die geforderte Zahlung, noch stellen sie die geforderte Sicherheit.

Der AN macht daraufhin die Stellung der geforderten Sicherheit nebst der Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 € zuzüglich Zinsen gerichtlich geltend. Das Landgericht Landau gibt der Klage auf Sicherheitsleistung mit Urteil vom 11.03.2021 statt. Im Übrigen weist es die Klage ab.

Am 29.03.2021 zahlen die AG an den AN einen Betrag in Höhe von 9.880,05 €.

Am 16.04.2021 legen die AG beim OLG Zweibrücken Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein und begründen ihre Berufung am 14.06.2021.

Daraufhin erklärt der AN den Rechtsstreit wegen der geleisteten Zahlung für erledigt. Die AG widersprechen der Erledigungserklärung. Der AN beantragt daher festzustellen, dass sich die Hauptsache mit der Zahlung in Höhe von 9.880,05 € erledigt hat.

Das Berufungsgericht weist die auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage mit Urteil vom 29.03.2022 ab. Gleichzeitig lässt es die Revision gegen das Urteil zu. Die Klageabweisung begründet das Berufungsgericht damit, dass die Klage von Anfang an unbegründet gewesen sei. Es handele sich um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB. Daher habe der AN von Anfang an keinen Anspruch auf Stellung einer Sicherheit nach § 650 f Abs. 1 BGB gehabt.


Das Urteil

Der BGH hebt das Urteil des Berufungsgerichts auf. Er stellt fest, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache mit der Zahlung in Höhe von 9.880,05 € erledigt hat. Der AN hatte Anspruch auf Stellung einer Sicherheit nach § 650f Abs. 1 BGB. Eine Ausnahme nach § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB liegt nicht vor.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag handelt es sich nicht um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i BGB.

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verbraucherbauvertrages ist, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet wird. Dafür genügt es nicht, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen des Neubaus übernimmt.

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 650i BGB, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte und aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Verbraucherschutzvorschriften bei einem Verbraucherbauvertrag sind insgesamt nicht nur günstiger für den Verbraucher, sondern in bestimmten Fällen für ihn auch nachteilig (vgl. etwa die Voraussetzungen für eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers nach Widerruf einerseits in § 357a Abs. 2 S. 1 BGB und andererseits in § 357e BGB).

Schließlich verbietet auch das Gebot der Rechtsklarheit in besonderer Weise, den Begriff des Verbraucherbauvertrages aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar wäre. Denn der Unternehmer muss erkennen können, ob und welche Unterrichtungs- und Belehrungspflichten ihn schon im Vorfeld des Vertrages treffen.

Wenn ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, muss der Unternehmer dem Besteller grundsätzlich nach § 650j BGB i.V.m. Art. 249 EGBGB schon vor Vertragsschluss in Textform eine Baubeschreibung zur Verfügung stellen. Gemäß Art. 249 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB muss die Baubeschreibung alle wesentlichen Eigenschaften des angebotenen Werks darstellen. Mindestens muss sie gemäß Art. 249 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB unter anderem eine allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes (Nr. 1), Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte (Nr. 3), Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktion aller wesentlichen Gewerke (Nr. 5) sowie Angaben zu Qualitätsmerkmalen, denen das Gebäude genügen muss (Nr. 8), enthalten.

Diese Mindestangaben der Baubeschreibung werden gemäß § 650k Abs. 1 BGB grundsätzlich Vertragsbestandteil. Sie setzen erkennbar voraus, dass das angebotene Werk der Bau des gesamten Gebäudes ist. Die Vorschrift ergibt dagegen keinen Sinn bei der Verpflichtung zur Herstellung nur eines einzelnen Gewerks im Zusammenhang mit der Errichtung eines neuen Gebäudes.

Auch eine analoge Anwendung von § 650f Abs. 6 Nr. 2 Fall 1 BGB auf Bauverträge mit Verbrauchern kommt nicht in Betracht. Denn es liegt keine planwidrige Regelungslücke vor. Stattdessen hat der Gesetzgeber mit den verbraucherschützenden Regelungen des Verbraucherbauvertrages gezielt eine Lücke in den bisherigen verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften schließen wollen.


Praxishinweis

Das BGH-Urteil bringt den Baubeteiligten zusätzliche Rechtssicherheit.

Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, wenn der Unternehmer mit dem überwiegenden Teil der Leistungen beauftragt wird und der Verbraucher den Rest selbst ausführt oder an einen Drittunternehmer beauftragt.

Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass dies bei untergeordneten Leistungen (z.B. Malerarbeiten) nichts an der Natur des Vertrages als Verbraucherbauvertrag ändert. Werden allerdings wesentliche Gewerke (z.B. die Elektrik oder etwa Heizung, Lüftung und Sanitär) separat beauftragt, dürfte kein Verbraucherbauvertrag mehr vorliegen. Insofern bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten.
Claus Rückert

Autor

Claus Rückert

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der auf das Baurecht spezialisierten Kanzlei Ulbrich § Kollegen mit Sitz in Würzburg.
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