Pflicht elektronischer Kommunikation im Insolvenzverfahren
Recht & Verwaltung13 Dezember, 2022

Elektronische Kommunikation bei Insolvenzantrag und Forderungsanmeldung

Ass. iur. Thomas Reck, Bremen

Grundsatz: Aktive Nutzungspflicht elektronischer Kommunikation

Seit 01.01.2022 besteht nach § 130d ZPO für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts die Verpflichtung, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen elektronisch zu übermitteln. Dies gilt über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren. In diesem Beitrag wird dargestellt, welche Auswirkungen damit verbunden sind. 

 

Ersatzeinreichung in nicht elektronischer Form nur unter strikten Voraussetzungen

Grundsätzlich bedeutet diese sogenannte aktive Nutzungspflicht für die Adressaten, dass sie nur noch auf elektronischem Wege formwirksam mit dem Insolvenzgericht kommunizieren können. Ein durch einen Absender aus dem vorgenannten Kreis in Papierform eingereichter Antrag ist daher unwirksam. Eine ausnahmsweise Einreichung in analoger Form kommt nach § 130 S. 2, 3 ZPO nur bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung in Betracht. Technische Unmöglichkeit liegt jedoch nicht bei technischem Unvermögen auf Absenderseite durch fehlende IT-Ausstattung vor (AG Hamburg, Beschluss vom 21.02.2022 - 67h IN 29/22). 

Für Anforderungen an eine zulässige Ersatzeinreichung zeichnen sich bereits strikte Voraussetzungen ab: Bei einem gestörten Internetzugang muss der Rechtsanwalt auf das Telekommunikationsunternehmen einwirken, um eine beschleunigte Reparatur zu erreichen, oder einen mobilen Hotspot verwenden (OVG Münster, Beschluss vom 06.07.2022 - 16 B 413/22). Ein Versand als Brief oder Telefax scheidet damit in der Regel bis auf die Fälle technischer Unmöglichkeit auf Gerichtsseite aus.  

Versuche, die Einreichung mit einem Handeln als Bote zu begründen, sind nicht aussichtsreich. Die Nutzungspflicht wird aus der Eigenschaft als Rechtsanwalt abgeleitet, nicht aus der Rolle beim jeweiligen Auftreten (AG Ludwigshafen, Beschluss vom 26.04.2022 - 3c IK 115/22). Der Bevollmächtigte kann sich bei einer nicht § 130d ZPO genügenden Form der Übermittlung nicht darauf berufen, nur als Bote gehandelt zu haben, wenn dem Antrag eine auf ihn lautende Vollmacht beigefügt war und er den Schuldner bereits außergerichtlich vertreten hat (AG Essen, Beschluss vom 24.05.2022 - 163 IK 66/22). Woran genau die außergerichtliche Vertretung erkennbar war, lässt sich der Entscheidung des AG Essen nicht entnehmen.  
 

Potentiell schwerwiegende Folgen fehlerhafter Antragstellung

Fehlerhafte Antragstellungen werden in der Regel dazu führen, dass die Gerichtskosten des ersten Antrages Insolvenzforderungen im zweiten Verfahren nach formal korrekter Antragstellung sind. Damit ist letztlich niemandem gedient. 

Zu besonders schwerwiegenden Folgen kann es kommen, wenn der Antrag fehlerhaft gestellt wird, nachdem bereits ein Fremdantrag vorliegt. Das kann darauf hinauslaufen, dass mangels wirksamen Eigenantrages die Eröffnung auf der Grundlage des Fremdantrages und somit ohne Aussicht auf Restschuldbefreiung in diesem Verfahren erfolgt. 

Nach § 305 InsO anerkannte Schuldnerberatungsstellen sind von § 130d ZPO grundsätzlich nicht betroffen. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung ist jedoch für solche Stellen relevant, bei denen es sich um Organisationseinheiten einer Behörde oder juristischen Person des öffentlichen Rechts handelt. Das trifft dann zu, wenn eine Schuldnerberatungsstelle zum Beispiel als dem Sozialamt zugehörig unmittelbar in die Kommunalverwaltung eingegliedert ist. Ausgehend von der Sichtweise, nach der für Rechtsanwälte als Absender bereits die Eigenschaft Rechtsanwalt zur Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs führt, muss der Antrag in diesen Fällen durch die Schuldnerberatungsstelle ebenfalls elektronisch übermittelt werden. Das gilt auch dann, wenn keine Vertretung im Verfahren erfolgt, sondern die Einreichung der Antragsunterlagen lediglich als Serviceleistung für den Schuldner erfolgt. 

Forderungsanmeldungen nicht unmittelbar betroffen

Forderungsanmeldungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 130d ZPO, da sie gegenüber dem Insolvenzverwalter erfolgen. Insoweit gilt die Regelung in § 174 Abs. 4 S. 1 InsO, nach der eine Übermittlung elektronischer Dokumente mit Zustimmung des Insolvenzverwalters möglich ist. Nach dem Prüfungstermin erfolgende Erklärungen über die Minderung oder Rücknahme einer bestrittenen Forderung sind gegenüber dem Insolvenzgericht abzugeben (BGH, Urteil vom 11.04.2019 - IX ZR 79/18). Diesbezüglich müssen Rechtsanwälte und öffentlich-rechtliche Gläubiger daher nach § 130d ZPO die elektronische Übermittlung vornehmen. 
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