Aufenthaltsrecht Vermeidung außergwöhnlicher Härte
Recht & Verwaltung28 September, 2023

LSG Berlin-Brandenburg: Aufenthaltsrecht zur Vermeidung außergewöhnlicher Härte?

Redaktion eGovPraxis Jobcenter

Gegenstand der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg ist der Leistungsausschluss für Ausländer. Das Gericht beschäftigte sich in der Entscheidung insbesondere mit der Frage, wann einem Ausländer ein Aufenthaltsrecht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte für schutzbedürftige Familienangehörige gewährt werden kann.

Der Fall

Der Hilfesuchende ist polnischer Staatsbürger. Sein minderjähriger Enkelsohn besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und lebt seit dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter bei seinem alleinsorgeberechtigten Großvater in der Bundesrepublik. Der Hilfesuchende bezog nach einem Unfall jahrelang Leistungen nach dem SGB II. Das Jobcenter lehnte seinen Weiterbewilligungsantrag mit dem Argument ab, er sei von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen, da er kein Aufenthaltsrecht besitze.

Die Entscheidung

Das LSG entschied, wie auch das SG, dass der Hilfesuchende ein Aufenthaltsrecht als sonstiger Familienangehöriger seines deutschen Enkelkindes und somit Anspruch auf SGB II-Leistungen habe. Unter Berücksichtigung des sich aus Art. 6 GG ergebenden Umfangs des Schutzes der Familie sei die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte für den Enkelsohn des Klägers erforderlich. Denn das minderjährige Kind sei zwingend auf Betreuungsleistungen angewiesen, die faktisch nur der Hilfesuchende erbringen könne. Die tatsächlich gelebte familiäre Bindung des Hilfesuchenden mit seinem deutschen Enkelsohn sei gleichwertig mit einer Eltern-Kind-Beziehung.

Fazit

Ein Aufenthaltsrecht aus Gründen des Familiennachzugs zu Deutschen ist zu gewähren, wenn der Deutsche (dem nachgezogen wird) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Berechtigt dazu sind - in entsprechender Anwendung des § 36 AufenthG - auch sonstige Familienangehörige eines Deutschen zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte.

Entscheidend ist:

  • die Erforderlichkeit familiärer Lebenshilfe

sowie

  • die Gewährung des Schutzes des Art. 6 GG.

Hierbei ist auch die Zumutbarkeit der Konsequenzen einer ablehnenden Entscheidung für den minderjährigen Deutschen zu berücksichtigen.

Quelle: Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.06.2023 - L 32 AS 2002/19

Anmerkung der Redaktion

Lesen Sie hierzu bitte auch die Ausführungen unserer Autorin, Frau Rodopi Panidou, in der eGovPraxis Jobcenter:

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