Energiepreispauschale pfaendbar
Recht & Verwaltung14 Dezember, 2022

Rechtsprechungsüberblick: Ist die Energiepreispauschale pfändbar?

Von Sylvia Wipperfürth LL.M. (com.), Dipl.-Rechtspflegerin und Mediatorin BM® 
[Anmerkung der Redaktion:

Der durch das JStG zum 21.12.2022 eingeführte § 122 Satz 2 EStG regelt, dass die Energiepreispauschale in Höhe des in § 112 Abs. 2 EStG bezeichneten Betrags unpfändbar ist, sodass es gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO am Insolvenzbeschlag mangelt. Trotz der neuen gesetzlichen Regelung bleiben einige Fragen offen. Die Autorin hat sich diesen in der ZInsO 2023, 76 gewidmet.]
Kontrovers! So könnte man die auch in der Rechtsprechung angekommene Diskussion auf die Frage nach der (Un-)Pfändbarkeit der „Energiepreispauschale“ wohl auf den Punkt gebracht beantworten. 

Eingeführt durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 v. 23. Mai 2022 (§§ 112 bis 122 EStG) für einkommensteuerpflichtig Beschäftigte, soll die „Energiepreispauschale“ in Form einer Einmalzahlung in Höhe von 300 € weitere Härten im Bereich der Energiepreise abfedern.  

Anfängliches Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Unpfändbarkeit 

Das anfängliche Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Unpfändbarkeit – wie sie allerdings hinsichtlich der Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner durch das Rentenbeziehende-Energiepreispauschalengesetz (RentEPPG) sowie für Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger des Bundes durch das Versorgungsrechtliches Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz (VEPPGewG) etabliert wurde (vgl. § 4 Abs. 2 RentEPPG und § 3 Abs. 2 VEPPGewG) - bewegt die Fachpraxis. Nicht nur maßgeblich für die Einzelzwangsvollstreckung, hat die Wertung zur (Un-)Pfändbarkeit der Zusatzleistung auch Einfluss auf die Frage des Insolvenzbeschlags der Pauschale. 

Die Instanzengerichte, die sich bislang mit der Frage beschäftigt haben, positionieren sich unterschiedlich. 

Pfändbarkeit in Ermangelung einer Zweckbindung 

Das Amtsgericht Norderstedt (Beschluss vom 15.09.2022, Az. 6 IN 90/19) sowie das Amtsgericht Wolfratshausen (Beschluss vom 20.10.2022, Az. IK 130/21) verneinen eine Zweckbindung der Pauschale, welche zur grundsätzlichen Unpfändbarkeit gem. § 851 ZPO führen würde und kommen, da auch andere Vollstreckungsschutznormen nicht verfangen, zu dem Ergebnis, dass die Energiepreispauschale grundsätzlich. pfändbar und damit Bestandteil der Insolvenzmasse ist.  

Nach Ansicht der Gerichte kommt allenfalls Pfändungsschutz auf Antrag des Schuldners i.S.v. § 765a ZPO in Betracht, wenn die engen Voraussetzungen, insbesondere die ganz besonderen Umstände der Vollstreckungsmaßnahme eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist, vorgetragen werde. In den entschiedenen Fällen war dies aber nicht erkennbar. 

Der Wertung „pfändbar“ schließt sich ebenfalls das AG Aschaffenburg (Beschluss vom. 07.11.2022 – 654 IK 298/21) an mit der Begründung, dass „nach § 120 Absatz 1 Satz 1 EStG die Vorschriften der Abgabenordnung über Steuervergütungen auf die Energiepreispauschale entsprechende Anwendung finden. Nach § 46 Absatz 1 AO können Steuervergütungen gepfändet werden. Somit ist nach Auffassung des Gerichts auch die im EStG geregelte Energiepreispauschale pfändbar.“ 

Unpfändbarkeit als besondere Härte? 

Zu einer abweichenden Auffassung gelangt das Amtsgericht Lüneburg (Beschluss vom 15.09.2022 – 46 IK 75/18), das die Energiepreispauschale zwar nicht wegen Zweckgebundenheit i.S.v. § 851 ZPO, aber gem. § 765a ZPO für unpfändbar hält. Zur Begründung führ das Gericht an, dass es „Sinn und Zweck des § 765a ZPO ist, eine Existenzgefährdung des Schuldners zu vermeiden, sofern dies mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Die Energiepreispauschale dient allein dazu, weitere Härten im Bereich der Energiepreise und deren Folgen abzufedern, und keinesfalls zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners.“ Überdies führ das Gericht an, dass „Insolvenzschuldner aufgrund der Tatsache, dass ihnen ohnehin nur der nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 850c ZPO monatlich unpfändbare Einkommensbetrag zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verbleibt, zum einkommensschwachen Bevölkerungsanteil gehören. Somit würde es für den Schuldner eine ganz besondere Härte darstellen, würde die ihm zustehende Energiepreispauschale in die Insolvenzmasse fallen.“ 

Die Begründung erscheint nicht zwingend der Intention des § 765a ZPO zu entsprechen, eine Vorschrift, die als Ausnahmeregelung Pfändungsschutz nur unter ganz besonderen und sehr engen Einzelfallvoraussetzungen zu gewähren vermag. Eine Begründung, dass Schuldner aufgrund der Tatsache, dass sie lediglich den unpfändbaren Teil des Einkommens zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zu Verfügung haben und daher zum „einkommensschwachen Bevölkerungsanteil“ gehören sollen, überzeugt bereits deswegen nicht, weil der vollstreckungsrechtliche Motivationscharakter des § 850c ZPO verkannt wird. So verbleibt einem Schuldner mit einem Pfändungsnettoeinkommen in Höhe von 3.500 € nach Abzug des pfändbaren Betrags unter Berücksichtigung von 2 unterhaltsberechtigten Personen ein Pfändungsnettobetrag in Höhe von 2.943,87 €. Dass es hierbei eines Schutzes vor einer „Kahlpfändung“ nach § 765a ZPO bedarf, ist pauschaliert kaum vertretbar.  

Vielmehr erweckt die Entscheidung schon aufgrund der angeführten Begründung, „die Energiepreispauschale diene allein dazu, weitere Härten im Bereich der Energiepreise und deren Folgen abzufedern, und keinesfalls zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners“, die Annahme, dass das Säumnis des Gesetzgebers, eine Regelung für Pfändungsschutz zu etablieren, ausgleichen soll. Hierfür bietet aber nach hiesigem Dafürhalten § 765a ZPO als lex specialis keine Grundlage, mag es auch dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden nahekommen. 

Pfändungsschutz gem. § 765a ZPO wohl nur im Einzelfall 

Pfändungsschutz gem. § 765a ZPO kann nach – übergeordneter – Auffassung aller Gerichte wohl in Betracht gezogen werden. Hierzu bedarf es aber eines begründeten Antrags des Schuldners, der eine Einzelfallentscheidung aufgrund besonderer Umstände unter voller Würdigung auch des Schutzbedürfnisses der Gläubiger gebietet, wenn der Vollstreckungszugriff eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.  
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Ende der Diskussion und Heilung durch den Gesetzgeber? 

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) intendiert der Gesetzgeber die Regelung, dass die Energiepreispauschale unpfändbar ist (§ 122 Satz 2 EStG). Das Gesetz ist z.Zt. des Redaktionsschlusses noch nicht verabschiedet. Zur Begründung führt der Gesetzgeber an: „Der neue Satz 2 regelt, dass die Energiepreispauschale nicht pfändbar ist. Mit der Gesetzesänderung soll sichergestellt werden, dass die Energiepreispauschale den Empfängern tatsächlich zur Verfügung steht und nicht von Gläubigern gepfändet werden kann. Dadurch können die Empfänger die Energiepreispauschale einsetzen, um Zahlungen zu leisten, die durch gestiegene Energiekosten verursacht wurden […]". 

Eine Übergangsregelung ist nicht vorgesehen, was im Sinne einer echten Rückwirkung auch verfassungsrechtlich zumindest bedenklich wäre. Dies wäre war keine Feststellung, die der Rechtsanwender zu treffen hätte, sondern die verfassungsgerichtlich zu klären wäre. Es scheint aber auch dahinstehen zu können, denn jedenfalls hat der Gesetzgeber einen Willen zur Rückwirkung (auch wenn er vorhanden gewesen sein mag), in Art. 43 nicht zum Ausdruck gebracht. Eine verfassungskonforme Auslegung des JStG 2022 muss also zu dem Ergebnis kommen, dass die Regelung zur Unpfändbarkeit erst ab dem ersten Tag nach der Verkündung Gültigkeit haben soll (vgl. Inkrafttreten, Art. 43 JStG 2022). Dass dies unter Umständen bedeutet, Gleiches ungleich zu behandeln, ist eine verfassungsrechtlich zu wertende Frage, die nach hiesigem Dafürhalten aber nicht den Raum dafür öffnet, in jedem Fall über § 765a ZPO zu generellem Pfändungsschutz auch für die Vergangenheit zu gelangen. 

Bildnachweis: maho/stock.adobe
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