Die wichtigsten 7 Fragen und Antworten aus arbeitsrechtlicher Sicht
Das Wasser ist weg. Doch die Schäden bleiben. Arbeitsplätze, Warenlager, Maschinenpark: Viele Betriebe in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten stehen vor dem Nichts. Doch was bedeutet das für die in den Regionen beschäftigten Arbeitnehmer? Hier sind die Antworten auf die wichtigsten 7 Fragen, wie sich die Flut und deren Folgen auf die Arbeitsverhältnisse auswirken.Frage Nr. 1: Können Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben, wenn sie daheim vom Hochwasser betroffen sind?
Ja, das ist grundsätzlich möglich. Wer aus persönlichen Gründen unverschuldet daran gehindert ist, zur Arbeit zu gehen, hat sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung und auf Lohnfortzahlung (§ 616 BGB). Allerdings gilt das nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit. 5 Tage sind in der Regel das Maximum. Wer mehr Zeit braucht, sollte mit dem Arbeitgeber reden – oder Urlaub nehmen.Frage Nr. 2: Darf der Arbeitgeber alle Beschäftigten zu Aufräumarbeiten im Betrieb heranziehen?
Ja, da darf sich keiner drücken. Mitanpacken gehört sich nicht nur, Arbeitnehmer sind dazu sogar aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Rücksichtspflicht auf die Belange des Arbeitgebers verpflichtet. Diese Pflicht trifft jeden Beschäftigten – bis hin zum Prokuristen.Frage Nr. 3: Erhalten die Arbeitnehmer weiter Lohn, auch wenn der Betrieb wegen der Flutschäden geschlossen ist?
Auch hier ein klares „Ja“! Denn auch der Lohnfortzahlungsanspruch ist für solche Fälle gesetzlich geregelt. Die Arbeitnehmer können die vereinbarte Vergütung auch dann verlangen, wenn die Arbeit infolge von Umständen ausfällt, für die der Arbeitgeber das Risiko trägt (§ 615 Satz 3 BGB). Demnach trägt der Arbeitgeber also das betriebliche Risiko, seine Arbeitnehmer zu beschäftigen und zu bezahlen (BAG, Urteil vom 23.09.2015, 5 AZR 146/14).Dieses Betriebsrisiko, dass der Arbeitgeber bei Naturkatastrophen oder bei einem Brand trägt, ist gerade noch einmal gerichtlich bestätigt worden – und zwar auch für den Fall einer wegen der Corona-Pandemie erfolgten Betriebsschließung (LAG Düsseldorf, am 02.08.2021 veröffentlichtes Urteil vom 30.03.2021, 8 Sa 674/20).
Frage Nr. 4: Dürfen Arbeitnehmer ins Home-Office wechseln, wenn der Arbeitsplatz beschäftigt ist?
Das hängt von der Art der Tätigkeit und vom Arbeitgeber ab. Solange die vereinbarte Beschäftigung auch von zu Hause aus verrichtet werden kann und der Arbeitgeber – was er in der Regel sein dürfte – mit der Tätigkeit in den eigenen vier Wänden einverstanden ist, spricht nichts gegen eine Beschäftigung im Home-Office.Dafür, dass der Arbeitnehmer im Home-Office tätig werden muss, wenn der betriebliche Arbeitsplatz wegen der Hochwasserschäden nicht nutzbar ist, spricht wiederum die vertragliche Fürsorgepflicht. Am besten wird es aber sein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Home-Office-Vereinbarung schließen, in der gleich alle Details einer solchen Beschäftigung geregelt sind.
Was viele Arbeitgeber aber nicht wissen: Wechselt der Arbeitnehmer ins Home-Office, muss der Arbeitgeber sich an den Haushaltskosten – also zum Beispiel an Miete, Heizkosten und Internet – beteiligen (§ 670 BGB).
Frage Nr. 5: Müssen Arbeitnehmer zur Beseitigung der Flutschäden gratis Überstunden machen?
Unter Umständen, ja. Grundsätzlich ist jeder Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet, um Schaden von seinem Betrieb abzuwenden oder die Folgen eines Schadensereignisses zu beseitigen. Dazu zählt das Ergreifen von Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel die Sicherung des betrieblichen Inventars oder das Füllen von Sandsäcken genauso, wie die nachfolgende Behebung des Schadens, um den Betrieb wieder zum Laufen zu bringen. Das bestätigt auch ein Urteil im Zusammenhang mit der „Jahrhundertflut“ in den ostdeutschen Bundesländern (Arbeitsgericht Leipzig, 04.02.2003, 7 ca 6866/02).Ob diese Überstunden vom Arbeitnehmer allerdings kostenlos erbracht werden müssen, verrät ein Blick in den Arbeitsvertrag: Manche Verträge enthalten Klauseln, nach denen eine gewisse Zahl an Überstunden bereits mit dem Gehalt abgegolten sind. Mehr als zehn Überstunden dürfen aber nicht gratis sein, sonst ist die entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag hinfällig.
Frage Nr. 6: Was droht, wenn der Arbeitnehmer wegen der Flutschäden zu spät zur Arbeit kommt?
Zunächst kann der Arbeitgeber für die Zeit, die der Arbeitnehmer zu spät kommt, den Lohn kürzen. Denn das so genannte „Wegerisiko“, also die Gefahr, unpünktlich zu sein, trägt der Arbeitnehmer. Danach muss jeder Arbeitnehmer alles in seiner Macht stehende tun, um pünktlich an der Arbeitsstelle zu sein. Das gilt auch für Fälle, in denen „höhere Gewalt“, also zum Beispiel eine Naturkatastrophe, der Grund für die Verspätung ist (BAG, Urteil vom 08.09.1982, 5 AZR 283/80).Bei häufigen Verspätungen kann der Arbeitgeber auch mit einer Abmahnung und bei weiterem Zuspätkommen sogar mit einer Kündigung reagieren.
In der aktuellen Situation in den Hochwassergebieten und infolge der Beschädigung zahlreicher Verkehrsstrecken, werden die Arbeitgeber bei betroffenen Arbeitnehmern aber sicher von solchen Maßnahmen – auch von Lohnkürzungen – absehen, zumal es mit der Beschäftigung im Home-Office zumindest eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit besteht
Frage Nr. 7: Können vom Hochwasser betroffene Betriebe Kurzarbeit anmelden?
Ja. Arbeitgeber, die von der Flutkatastrophe unmittelbar betroffen sind, haben noch bis zum 31.12.2021 die Möglichkeit, Kurzarbeit anzumelden. Der Vorteil: Noch sind die Bedingungen für die Beantragung von Kurzarbeitergeld wegen der Corona-Pandemie erleichtert. Es reicht deshalb auch für vom Hochwasser geschädigte Unternehmen, wenn mindestens 10 % der Arbeitnehmer einen Entgeltausfall von 10 % erleiden. Kurzarbeit können auch kleine Betriebe ab einem beschäftigten Arbeitnehmer beantragen. Der Betrieb muss dabei nicht selbst unter Wasser gestanden haben, es genügt auch eine mittelbare Betroffenheit – also wenn zum Beispiel infolge des Hochwassers die Lieferketten unterbrochen sind.
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