Kündigungsfreiheit Handelsvertreter
Recht & Verwaltung23 Februar, 2023

Kündigungsfreiheit eines Handelsvertretervertrages: Welche Beschränkungen sind zulässig?

Redaktion Wolters Kluwer Online

Eine unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit eines Handelsvertreters ist nicht nur unmittelbar möglich. Sie kann auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen gegeben sein.


Sachverhalt: Rückzahlungsbegehren eines Darlehens

Die Klägerin begehrt vom Beklagten nach Beendigung des zwischen ihnen am 26.07.2013 geschlossenen Handelsvertretervertrages die Rückzahlung eines Darlehens.

Die Klägerin produziert und vertreibt Möbel.
Der Beklagte war seit dem 01.09.2013 für die Klägerin als selbständiger Handelsvertreter tätig. Die Klägerin rechnete die Provisionen des Beklagten monatlich ab und verbuchte sie auf einem Provisionskonto. In der Zeit von Oktober 2013 bis Mai 2014 erhielt der Beklagte vereinbarungsgemäß Vorauszahlungen zwischen 6.500 Euro und 8.763,78 Euro auf die Provision. Die abgerechneten Provisionen lagen unter den Vorauszahlungen. Am 31.05.2014 ergab sich ein Saldo zu Lasten des Beklagten in Höhe von 8.637,58 Euro. Daraufhin schlossen die Parteien unter dem 03.06.2014 einen Darlehensvertrag. Darin ist vereinbart, dass die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen in Höhe von 8.637,58 Euro gewährt hat, das bereits ausbezahlt ist. Für die Gewährung des Darlehens zahlt der Darlehensnehmer ab dem 01.06.2014 an den Darlehensgeber Zinsen in Höhe von 3,5 % p.a. Das Konto ist flexibel ausgestaltet, und zwar in der Form, dass sich durch die vereinbarte Mindestzahlung in Höhe von 7.100 Euro im Rahmen der Provisionsabrechnung monatlich die Restschuld des Darlehens erhöhe oder vermindere.

Die Klägerin leistete an den Beklagten in der Zeit von Juni 2014 bis Dezember 2014 die vereinbarte Mindestzahlung in Höhe von 7.100,- Euro.
Ab Januar 2015 wurde der Betrag einvernehmlich auf 6.900,- Euro reduziert.
Zum 31.12.2016 betrug der rechnerische Saldo zu Lasten des Beklagten auf dem Provisionskonto 54.937,47 Euro. Dies teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 31.12.2016 mit und forderte ihn zur Zahlung der aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 1.571, 46 Euro auf.
Der Beklagte überwies diesen Zinsbetrag am 21.04.2017 an die Klägerin. Die Klägerin kündigte den Handelsvertretervertrag daraufhin fristlos. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Sie gehen aber von einer Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30.09.2018 aus.
Der Beklagte nahm die Klägerin in einem von dem Landgericht Paderborn geführten Rechtsstreit im Wege der Stufenklage auf Erteilung eines Buchauszuges in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung in Höhe von 54.937,47 Euro verurteilt Zug um Zug gegen Erteilung eines Buchauszugs nach näherer Maßgabe. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Begründung: Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann auch bei mittelbaren Erschwernissen vorliegen

Mit dem vorliegenden Urteil vom 19.01.2023 - VII ZR 787/21 - hat der BGH zu den Ansprüchen eines Unternehmers bei der Beendigung eines Handelsvertretervertrags Stellung genommen.

Nach Auffassung des BGH kann mit der Begründung des Berufungsgerichts kein Anspruch des klagenden Unternehmens auf Rückzahlung der dem beklagten Handelsvertreter als Darlehen gewährten Zahlungen angenommen werden.

Der BGH erläutert, dass der Zahlungsanspruch auch auf den bei Beendigung des Handelsvertretervertrags bestehenden Abschlusssaldo gestützt worden ist.

Die an die Beendigung des Handelsvertretervertrags anknüpfende Vereinbarung der Parteien kann hier wegen Verstoßes gegen § 89a Abs. 1 S. 2 HGB in Verbindung mit § 134 BGB eine unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis darstellen.

Nach § 89a Abs. 1 S. 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.

Eine unzulässige Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann nach Auffassung des BGH nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen gegeben sein. Es ist hierbei eine Frage des Einzelfalls, unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbeendigung vertraglich geknüpften Nachteile ein solches Gewicht haben, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt. Die Beantwortung hängt insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten sind, ab.

Daher können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Abs. 1 S. 2 HGB erfasst werden. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis kann bestehen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrags die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verbunden ist, die seine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können.

Eine Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung würde sich nicht auf die vertragliche Vereinbarung der Parteien zur Fälligkeit des Darlehensanspruchs beschränken, sondern den Rückzahlungsanspruch insgesamt umfassen.

Im konkreten Fall stellt die Vereinbarung eines Darlehens nach Ansicht des BGH ein Umgehungsgeschäft dar, durch das die Anwendbarkeit von § 89a Abs. 1 S. 2 HGB nicht ausgeschlossen wird.

Bei der erforderlichen wirtschaftlichen Betrachtung handelt es sich bei der vertragsgemäßen Darlehensgewährung hier wie bei vereinbarten Vorschusszahlungen auf künftige Provisionsforderungen des Handelsvertreters um eine Vorauszahlung auf eine zu erwartende Vergütung. Hierdurch wird der Handelsvertreter in seiner Entscheidungsfreiheit, das Vertragsverhältnis zum Unternehmer aufzulösen, beschränkt. Es ist daher unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls am Maßstab des § 89a Abs. 1 S. 2 HGB zu prüfen, ob diese Beschränkung unzulässig ist.

Der BGH hat die Sache im Ergebnis zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat dann zu prüfen, ob eine unzulässige Kündigungsbeschränkung im Sinne der genannten Vorschrift vorliegt.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 19.01.2023, VII ZR 787/21

Der BGH weist in diesem Urteil darauf hin, dass mittelbare Erschwernisse in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen, die die Kündigungsfreiheit eines Handelsvertreters unzulässig einschränken, vorliegen können, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrags wesentliche, die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Dies gilt nach Auffassung des BGH auch für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen.

Nach Überzeugung des BGH kann der Unternehmer außerdem die gewährten Vorauszahlungen nicht nach Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zurückfordern, wenn eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionseinnahmen eine unzulässige Kündigungsbeschränkung darstellt. Der BGH begründet dies damit, dass die geleisteten Zahlungen in einem solchen nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sind, da der Handelsvertretervertrag wirksam bleibt.

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