Berufshaftpflicht-BRAO-Reform
Recht & Verwaltung20 Juli, 2022

BRAO Reform 2022 – Wirkung auf die Berufshaftpflichtversicherung

Von Lars Wolff, Dipl-Kfm (FH), Allianzagentur Lars Wolff, Dozent an der HWR-Berlin

Am 1. August 2022 tritt das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe in Kraft. Die auch abkürzend als „BRAO-Reform“ bezeichnete umfangreiche Gesetzesreform ändert in erster Linie die berufsrechtlichen Regelungen für Gesellschaften, die Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater zur Ausübung ihres Berufes bilden dürfen („Berufsausübungsgesellschaften“).

Die Versicherungspflicht gilt zukünftig für alle Berufsausübungsgesellschaften unabhängig von ihrer Rechtsform. Die Versicherungspflicht für Berufsausübungsgesellschaften tritt neben die Versicherungspflicht für Rechtsanwälte, Patentanwälte und Steuerberater als natürliche Personen.  

Die Reformänderungen haben Auswirkungen auf den Versicherungsschutz zahlreicher Kanzleien. Inwieweit Handlungsbedarf besteht, hängt davon ab, in welcher Gesellschaftsform diese heute organisiert sind und welchen Versicherungsschutz sie bereits vorhalten.

Die Überprüfung der eigenen Berufshaftpflichtversicherung ist dringend empfohlen. Ob der bestehende Vertrag den neuen Vorgaben entspricht, kann mit den folgenden Überlegungen leicht ermittelt werden.

Berufshaftpflichtversicherung

Die Hauptaufgaben jeder Haftpflichtversicherung sind die Abwehr unberechtigter Forderungen und die Begleichung berechtigter Forderungen. Bei der Berufshaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte handelt es sich aus Sicht von Versicherungsgesellschaften technisch um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Hierbei handelt es sich um eine besondere Art der Haftpflichtversicherung, welche Vermögensschäden versichert (im Folgenden: Berufshaftpflichtversicherung). 

Naturgemäß haben Versicherer aufgrund ihrer Regulierungspraxis eine gute Expertise bei der Abwehr oder der Minderung von Forderungen. Die Besonderheit von Vermögensschäden liegt in der Ermittlung des Fehlverhaltens der Versicherten (Rechtsanwälte), und den daraus direkt ergebenden Einfluss auf die Schadenhöhe im Vermögen der Mandanten. Der Versicherer steht somit seinen Kunden (Rechtsanwälten) mit ausgeprägtem Fachwissen zur Seite, wickelt die Korrespondenz mit Anspruchstellern ab und trägt das Kostenrisiko.

Wichtig zu erwähnen ist, dass neben den Vermögensschäden durch die anwaltliche Tätigkeit ebenfalls Personen- oder Sachschäden aus dem Betrieb einer Kanzlei entstehen können. Diese sind im engeren Sinne nicht automatisch in einer Berufshaftpflichtversicherung gedeckt. Die dazu notwendige Bürohaftpflichtversicherung als Deckungserweiterung kann im Vertrag mitversichert sein. Lohnenswert ist eine diesbezügliche Prüfung in jedem Fall, um Deckungslücken zu vermeiden.

Die persönliche Berufshaftpflichtversicherung

Jeder Anwalt unterhält weiterhin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung, deren Bestand der zuständigen Rechtsanwaltskammer nachgewiesen wird. Die Neuregelung der BRAO hat daran nichts geändert. Weiterhin gilt hier eine Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR vierfach je Versicherungsjahr maximiert. Somit können angestellte Rechtsanwälte oder ausschließlich allein tätige Rechtsanwälte ihre Prüfung darauf reduzieren, ob die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme dem tatsächlichen Risiko entspricht. 

Die Versicherungssumme steht für die maximale Leistung für einen Fall – 250.000 EUR beispielsweise bei der Mindestdeckung. Die Jahreshöchstentschädigung gibt an, wie viel Geld insgesamt in einem Versicherungsjahr zur Verfügung steht – im Fall der Mindestversicherungssumme 1 Million EUR.

In der Praxis ist es häufig so, dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung seit dem Versicherungsbeginn nicht mehr angepasst wurde. Seither können sich entscheidende Parameter verändert haben, die in der Berufshaftpflichtversicherung nicht berücksichtigt sind.

Zudem bieten die Versicherungsgesellschaften Deckungskonzepte an, die beispielsweise durch die Wahl einer Selbstbeteiligung oder die Erweiterung des Rechtsraums direkten Einfluss auf die Versicherungsprämie haben.

Berufshaftpflichtversicherung für Berufsausübungsgesellschaften

Rechtsanwälte, die nicht allein tätig sind, kommen nicht umhin, zu prüfen, ob die neuen Regelungen der Berufsausübungsgesellschaften anzuwenden sind. Für ausnahmslos jede Berufsausübungsgesellschaft unabhängig von ihrer Größe, Organisationsform und Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer ist eine eigene Berufshaftpflichtversicherung erforderlich.

Somit sind insbesondere Scheinsozietäten und zwei-Personen-Sozietät (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) entsprechenden zu prüfen.

Für Rechtsanwälte, die gemeinsam mit Steuerberatern eine Berufsausübungsgesellschaft betreiben sei in diesem Zusammenhang sei auf die Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 55g BRAO hingewiesen.

Haftungsbeschränkt vs. haftungsunbeschränkt

Anhand der gewählten Haftungsbeschränkung ergibt sich der erforderliche Versicherungsschutz und die Verpflichtung zur Zulassung bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer entsprechend § 59f BRAO.

Bereits bestehende Partnergesellschaften mit beschränkter Haftung sind lediglich angehalten zu prüfen, ob die erhöhte Mindestversicherungssumme von 2,5 Millionen EUR gemäß § 59o Abs. 1 BRAO entsprechend versichert werden muss. Dies entfällt, wenn bis zu zehn Berufsträger tätig sind (§ 59o Abs. 2 BRAO).

Die Versicherungssumme muss im Versicherungsjahr mindestens vierfach zur Verfügung stehen. Bei mehr als vier Gesellschaftern ist die Zahl der Jahreshöchstentschädigung entsprechend mit der Anzahl der Gesellschafter zu vervielfachen (§ 59o Abs. 4 BRAO).
Für Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung ist 1 Million EUR Mindestversicherungssumme (vgl. § 55f Abs. 3 StBerG-N) erforderlich. Auf die Auswirkungen der Versicherungssummen in Bezug auf die Wirksamkeit von Haftungsbeschränkungen durch AAB/AGB sei auf § 67a Abs. 1 Nr. 2 StBerG hingewiesen.

Für Berufsausübungsgesellschaften ohne beschränkte Haftung gilt eine Mindestversicherungssumme von 500.000 EUR. Auch für Berufsausübungsgesellschaften ohne beschränkte Haftung gilt § 59o Abs. 4 BRAO. Die Versicherungssumme muss im Versicherungsjahr mindestens vierfach zur Verfügung stehen. Bei mehr als vier Gesellschaftern ist die Zahl der Jahreshöchstentschädigung entsprechend mit der Anzahl der Gesellschafter zu vervielfachen. 

Zudem sind Berufsausübungsgesellschaften ohne beschränkte Haftung gemäß § 59f Abs. 1 BRAO nicht zulassungspflichtig.

Anpassung bei bestehender Berufshaftpflichtversicherung 

Sind mehrere Rechtsanwälte in einer Berufsausübungsgesellschaft tätig, so ist für diese Gesellschaft ein eigener Versicherungsvertrag zum 1. August 2022 erforderlich. Die Wahl der Versicherungsgesellschaft ist unabhängig davon, welche Verträge bestehen.

Der für jeden zugelassenen Rechtsanwalt bestehende Versicherungsschutz kann nun ebenfalls zum 1. August 2022 angepasst werden. Dieser bestehende Vertrag dient weiterhin gegenüber der zuständigen Rechtsanwaltskammer als für die Zulassung erforderlicher Nachweis einer bestehenden Berufshaftpflichtversicherung.

Sollte der bestehende Vertrag beispielsweise eine höhere Versicherungssumme als die oben genannte Mindestversicherungssumme aufweisen, so kann der Vertrag entsprechend angepasst werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Rechtsanwalt außerhalb der Berufsausübungsgesellschaft tätig werden könnte und somit in die Haftung genommen werden kann, und deshalb einen Versicherungsschutz beibehalten möchte. 


Fazit

Grundsätzlich ergibt sich aufgrund der Änderung der BRAO kein Sonderkündigungsrecht! Die aktuelle Praxis zeigt überwiegend ein kulantes Verhalten der Versicherungsgesellschaften in Bezug auf die Anpassung der Laufzeiten und Versicherungssummen.

Zum Abschluss noch ein Tipp: Die Versicherer bieten üblicherweise ergänzend zur Berufshaftpflichtversicherung der Berufsausübungsgesellschaft für jeden Gesellschafter eine stark rabattierte zusätzliche Police als Nachweis gegenüber der Rechtsanwaltskammer an. Für den Schadensfall im Grenzbereich beider Versicherungsverträge ist somit die Frage geklärt, welche Gesellschaft bei Schadenbearbeitung eintrittspflichtig ist.
Unser Autor
Lars Wolff
Lars Wolff, Dipl-Kfm (FH)

Allianzagentur Lars Wolff, Dozent an der HWR-Berlin

Bildnachweis: 
ONLINE-MODUL

Gewerblicher Rechtsschutz

Das Modul enthält über 55 Top-Titel im gewerblichen Rechtsschutz in einem Online-Modul.
Bleiben Sie dran:
Jetzt zum Newsletter anmelden und über Neuigkeiten im gewerblichen Rechtsschutz informiert werden.
Back To Top