BRAO-Teil3
Recht & Verwaltung20 September, 2022

Arbeitsbedingungen-Richtlinie: Änderungen im Nachweisgesetz

von Prof. Kai Litschen, Professor für Wirtschaftsprivatrecht mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht sowie Sozialrecht und Dekan der Brunswick European Law School

Ausgangslage: Die Arbeitsbedingungen-Richtlinie

Der Deutsche Bundestag hatte am 26. Juli 2022 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts verkündet.

Ziel des Gesetzes ist:

  • Erweiterung der bereits in der Nachweisrichtlinie vorgesehenen Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses (sog. Nachweispflichten),
  • Festlegung von Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen in Bezug auf die Höchstdauer einer Probezeit, Mehrfachbeschäftigung, Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit, Ersuchen um einen Übergang zu einer anderen Arbeitsform sowie Pflichtfortbildungen,
  • sogenannte horizontale Bestimmungen zur Durchsetzung der vorgenannten Bestimmungen.
  • Die Änderungen sind mit Wirkung zum 01.08.2022 in Kraft getreten und bedeuten für Arbeitgeber wieder einen erhöhten Verwaltungsaufwand im Personalbereich.

Insbesondere folgende Informationen muss der Arbeitgeber zusätzlich mitteilen:

  • Enddatum von befristeten Arbeitsverhältnissen,
  • Freie Wählbarkeit des Arbeitsortes (optional),
  • Dauer einer Probezeit,
  • Überstundenzuschlag – Höhe und Zustandekommen,
  • Vereinbarte Ruhepausen, Schichtsysteme und -rhythmus,
  • Bei Arbeit auf Abruf die Vereinbarung, die (Referenz-) Stunden, der Zeitrahmen, ggf. Ankündigungsfristen,
  • Anspruch auf Fortbildung,
  • Abgaben zum Versorgungsträger bei bAV,
  • Weitergehende Information zur Kündigung und -schutzklage,
  • Hinweis auf anwendbare Tarifverträge sowie vergleichbares Kirchenrecht.

Praxishinweis:

Da auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht auf den Vertragsabschluss abgestellt wird, sind die Neuerungen auch für Arbeitsverträge zwingend anzuwenden, die bereits vor dem 01. August 2022 vereinbart wurden, aber bei denen der erste Arbeitstag erst am oder nach dem 01. August gelegen hat.

Die neuen Vorschriften sind auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar, die ab dem 01. August 2022 beginnen. Hier treffen die Arbeitgeber die weitergehenden Unterrichtungspflichten unmittelbar und zwingend.

Im Grundsatz gilt weiterhin, dass Arbeitsverträge formfrei abgeschlossen werden können. Um die Transparenz insbesondere für die Beschäftigten zu erhöhen, was im einzelnen Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses ist, schreibt § 2 Nachweisgesetz (NachwG) allerdings vor, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer fristgebunden auszuhändigen hat. Das neue Gesetz soll durch die geänderten Bestimmungen diese Transparenz erreichen.

Neue Fristen gemäß § 2 Abs. 1 S.3 NachwG

Bisher reichte es aus, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigten bis spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses informiert hat. Nach § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG n.F. ist dem Arbeitnehmer

  • die Niederschrift mit den Angaben nach S. 2 Nr. 1, 7 und 8 (Name, Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, Arbeitszeit, Schichtarbeit) spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung,
  • die Niederschrift mit den Angaben nach S. 2 Nr. 2 bis 6, 9 und 10 (Beginn AV, Befristung, Arbeitsort, Tätigkeit, Probezeit, Arbeit auf Abruf, Überstunden) spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und
  • die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach S. 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.

Verkürzte Fristen gelten auch bei eventuellen späteren Änderungen. Diese sind den Beschäftigten spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam werden, schriftlich mitzuteilen.

Die neuen Hinweispflichten betreffen jedoch nicht nur Neuverträge, die nach dem 01. August 2022 geschlossen werden, sondern auch Altverträge. Allerdings muss der Arbeitgeber nicht von sich aus tätig werden, sondern nur dann, wenn der Beschäftigte dies anfordert. In diesem Fall muss spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung beim Arbeitgeber die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 10 NachwG ausgehändigt werden. Die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG ist entsprechend spätestens einen Monat nach Zugang fällig.

Grundsatz der Schriftform: Keine Digitalisierung des Arbeitsrechts

Die festgelegten Informationen müssen nicht bereits im Arbeitsvertrag enthalten sein. Wie bislang ist es auch möglich, Beschäftigte in einem separaten Schreiben über die wesentlichen Vertragsbedingungen zu unterrichten. Dies ergibt sich bereits zwanglos aus den Fristenregelungen. Um jedoch den (zeitlich und formalen) Mehraufwand zu vermeiden, dürfte es praktischer sein, zumindest bei Neuverträgen bereits im Arbeitsvertrag alle notwendigen Inhalte aufzuführen.

Trotz eingehender Beratung hat der Gesetzgeber jedoch an der Schriftform festgehalten. Die Beschäftigten müssen daher schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet werden. Die Schriftform gemäß § 126 BGB verlangt, dass der Arbeitgeber eine eigenhändig unterzeichnete Urkunde aushändigen müssen.

Arbeitsverträge können auch weiterhin mündlich oder elektronisch geschlossen werden. In diesem Fall erfüllt der mündliche oder elektronische Arbeitsvertrag nicht die Schriftform. Grade in Zeiten voranschreitender Digitalisierung des Wirtschaftslebens und die Notwendigkeit nachhaltigen Umgangs mit den Rohstoffen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn auch die einfache digitale Version ausgereicht hätte. Unbenommen bleibt es den Arbeitgebern eine digitale signierte Information gemäß § 126a BGB zu erstellen. Da dies immer noch sehr aufwendig ist, steht nicht zu erwarten, dass sich diese Form der Unterrichtung von einfachen Arbeitsverhältnissen durchsetzen wird.

Praxishinweis:

Aus Beweisgründen ist es ratsam, Arbeitsverträge schriftlich zu schließen. Es bedeutet eine Arbeitserleichterung, wenn in diesem Dokument bereits alle Informationen enthalten sind. Anderenfalls müssten die notwendigen Dokumente, etwa bei Vertragsänderungen, doppelt gepflegt werden.

Anforderungen des Nachweisgesetzes an Tarifverträge

Auch weiterhin können sich Arbeitgeber im Geltungsbereich eines Tarifvertrages das Leben etwas einfacher machen. Es reicht dann ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen vorzunehmen, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Dies gilt jedoch nicht für alle Vertragsinhalte. Eine gesonderte Mittelung ist daher in folgenden Fällen auch bei einschlägigen kollektivrechtlichen Arbeitsbedingungen erforderlich:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien,
  • Beginn des Arbeitsverhältnisses,
  • Informationen zu befristeten Arbeitsverhältnissen,
  • Informationen zum Arbeitsort,
  • Tätigkeitsbeschreibung,
  • Informationen zur Arbeit auf Abruf.

Praxishinweis:

Die Erleichterung beschränkt sich nicht auf die Tarifbindung im engeren Sinne (§ 3 TVG). Auch wenn im Arbeitsvertrag ein einschlägiger Tarifvertrag in Bezug genommen wird, erfüllt der Hinweis auf diesen Tarifvertrag die Anfonderungen nach dem NachwG. Werden jedoch nur Teile des Tarifvertrages oder ein branchenfremder Tarifvertrag in Bezug genommen, müssen die Informationsverpflichtungen in vollem Umfang schriftlich erfolgen.

Typischerweise sind derartige Vertragsbestandteile auch nicht in kollektivrechtlichen Bestimmungen enthalten, daher sind diese Ausnahmen auch kein Manko im Sinne der Verwaltungsvereinfachung.

Verstöße gegen das Nachweisgesetz

Bislang war das NachwG ein sogenannter „zahnloser Tiger“, da Verstöße für die Arbeitgeber keine nachteiligen Folgen hatten. Diese waren lediglich in einem Rechtstreit zu befürchten, wenn der Arbeitgeber seine Ansprüche oder Verteidigung auf eine Vertragsbestimmung gestützt hat, die in keiner Form verschriftlicht den Beschäftigten zur Kenntnis gegeben worden sind. In diesem Fall durfte das Gericht davon ausgehen, dass die entsprechende Vereinbarung nicht getroffen worden ist.

Verstöße gegen das NachwG führen auch weiterhin nicht zur Unwirksamkeit von Arbeitsverträgen. Jedoch begeht der Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit nach § 4 NachwG, wenn er:

  1. entgegen § 2 Abs. 1 S. 1 eine in § 2 Abs.1 S. 2 genannte wesentliche Vertragsbedingung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt,
  2. entgegen § 2 Abs. 2, auch in Verbindung mit Abs. 3, eine dort genannte Niederschrift nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aushändigt oder
  3. entgegen § 3 S. 1 (Änderung wesentlicher Arbeitsbedingungen) eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht.

Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.000,- Euro geahndet werden.

Weitere Gesetzesänderungen durch die Arbeitsbedingungs-Richtlinie

Neben dem NachwG werden durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 auch andere Gesetze geändert, bei denen vergleichbare Informationspflichten zu erfüllen sind:

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Im neu geschaffenen § 13a Abs. 2 AÜG ist eine weitere Informationsverpflichtung des Entleihers aufgenommen worden. Danach hat der Entleiher einem Leih-Arbeitnehmer, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der ihm in Textform den Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeitsvertrages angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht, sofern der Leiharbeitnehmer dem Entleiher diesen Wunsch in den letzten zwölf Monaten bereits einmal angezeigt hat. Im Gegensatz zum NachwG genügt hier für die Antwort die Textform, so dass die Antwort auch z.B. als E-Mail versendet werden kann.

Praxishinweis:

Da auch hier zumindest Textform verlangt wird, reicht eine reine mündliche Angabe nicht aus. Allerdings muss der Verleiher ohne dies dem Leih-Arbeitsnehmer mitteilen, wo er demnächst eingesetzt wird. Hier macht es daher Sinn einen Prozess zu etablieren, dass die Mitteilung über den nächsten Einsatzort bereits im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 4 AÜG erfolgt.

Ergänzend hat darüber hinaus der Verleiher dem Leih-Arbeitnehmer die Firma und Anschrift des Entleihers, dem er überlassen wird, in Textform mitzuteilen. Dies kann selbstverständlich nur vor der einzelnen Überlassung und nicht bereits zum Vertragsschluss erfolgen. Es muss aber der Überlassung zeitlich vorgelagert sein.

Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

Anders als in den vorhergehenden Gesetzen betreffen die Änderungen im TzBfG auch materielle Ansprüche des Beschäftigten. Die Änderungen betreffen folgende Vorschriften:

  • § 7 Abs. 2 S. 1 TzBfG
    Mitteilungspflicht des Arbeitgebers über vorhandene Arbeitsplätze bei Wunsch des Beschäftigten auf Veränderung der Arbeitszeit.

  • § 7 Abs. 3 TzBfG
    Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden und der ihm in Textform den Wunsch auf Veränderung angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen (alle 12 Monate erlaubt).

  • § 12 Abs. 3 TzBfG
    Bei Arbeit auf Abruf muss der Arbeitgeber den Zeitrahmen, bestimmt durch Referenzstunden und Referenztage, festlegen, in dem auf seine Aufforderung hin Arbeit des Beschäftigten stattfinden kann.

Gänzlich neu sind folgende Vorschriften eingefügt worden:

  • § 15 Abs. 3 TzBfG
    Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen. Damit muss eine Probezeit bei kurzen befristeten Arbeitsverhältnissen ebenfalls vergleichbar kurz sein (vgl. etwa § 2 Abs. 4 TVöD zu § 30 Abs. 4 TVöD).

  • § 18 Abs. 2 TzBfG
    Der Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden und der ihm in Textform den Wunsch nach einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag angezeigt hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen (alle 12 Monate erlaubt).

Fazit

Die Neuerungen bedeuten zwar eine Erhöhung des Verwaltungsaufwandes, dieser kann jedoch durch gute Vertragsmuster leicht erfüllt werden. Ärgerlich ist allein das Festhalten an der Schriftform. Selbst in einfachsten Berufen sind es die Beschäftigten zwischenzeitlich gewohnt, sich digitale Informationen zu beschaffen. Zwar würde eine digitale Signatur des Arbeitgebers diese auch erfüllen, dem Zweck des Gesetzes hilft dies jedoch wenig weiter als etwa eine einfache E-Mail.

Prof. Dr. iur. Kai Litschen

Prof. Kai Litschen

Professor für Wirtschaftsprivatrecht mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht sowie Sozialrecht und Dekan der Brunswick European Law School
Bildnachweis: Jacob Lund/stock.adobe.com
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