Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online
Recht & Verwaltung09 Dezember, 2022
Vorvertragliche Informationspflichten zu Herstellergarantien im Online-Handel
Einen Unternehmer trifft beim Onlinehandel eine vorvertragliche Pflicht zur Information über eine Herstellergarantie für das angebotene Produkt, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Wenn das Angebot des Unternehmers die gewerbliche Garantie des Herstellers hingegen nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise erwähnt, sodass es im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, so kann der Unternehmer nicht schon aufgrund dieser bloßen Erwähnung verpflichtet sein, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über die Garantie zur Verfügung zu stellen.
Sachverhalt
Die Parteien stehen beim Vertrieb von Taschenmessern im Wege des Onlinehandels miteinander in Wettbewerb.Die Beklagte bot im April 2018 auf der Internetplattform A. ein Taschenmesser des Schweizer Herstellers V. an.
Die A. -Angebotsseite enthielt selbst keine Angaben zu einer von der Beklagten oder einem Dritten gewährten Garantie für das angebotene Messer, aber - unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" - einen elektronischen Verweis (Link) mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Beim Anklicken dieses Links öffnete sich ein auf einem Server des Betreibers der Internetplattform A. gespeichertes Dokument, das ein zwei Seiten umfassendes, vom Hersteller des Messers gestaltetes und textlich formuliertes Produktinformationsblatt wiedergab. Auf dessen erster Seite fanden sich Erläuterungen zu einem in das Messer integrierten Mehrzweck-Werkzeug. Die zweite Seite enthielt Hinweise auf weitere in das Messer integrierte Werkzeuge, zur Pflege des Messers sowie folgenden Hinweis auf die sogenannte "V. -Garantie":
Die V. -Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe damit keine ausreichenden Angaben zu der für das Messer gewährten Garantie gemacht. Sie hat zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Angebote für den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu versehen, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, hinzuweisen und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben, wie geschehen am 13.04.2018 auf der Handelsplattform durch den Hinweis.
Das LG die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Der BGH hat dem EuGH zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Begründung
Mit dem vorliegenden Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19 - hat der BGH zu den Voraussetzungen einer Informationspflicht eines Unternehmers über eine Herstellergarantie bei einem Internetangebot Stellung genommen.Der BGH hat entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 UWG nicht zusteht.
Nach Überzeugung des BGH hat die Beklagte hier keine unlautere geschäftliche Handlung dadurch begangen, dass sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat. Dadurch hat sich nicht gegen eine vorvertragliche Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB verstoßen. Außerdem hat sie keine Informationspflicht bei vertraglicher Übernahme einer Garantie nach § 479 Abs. 1, § 443 Abs. 1 BGB verletzt.
Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1 UWG kann nur bestehen, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme unlauter war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz unlauter ist.
Die nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 EGBGB n.F. vorvertraglich zu erteilende Information zu Garantien stellt auch eine wesentliche Information im Sinne von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG, § 5a Abs. 4 UWG a.F., § 5b Abs. 4 UWG n.F. dar.
Die Beklagte hat sich nach Auffassung des BGH hier nicht nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG n.F. unlauter verhalten, weil sie dem Verbraucher keine zu erteilende Information zu der "V. -Garantie" vorenthalten hat. Sie war nämlich nicht verpflichtet, in ihrer Internetpräsentation nähere Angaben zu der von dem Hersteller des offerierten Produkts versprochenen Garantie zu machen.
Nach § 312d Abs. 1 S. 1 BGB ist der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 EGBGB n.F. ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher gegebenenfalls Informationen über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zur Verfügung zu stellen.
Danach muss der Unternehmer dem Verbraucher, bevor dieser durch einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise gegebenenfalls einen Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien erteilen.
Im konkreten Fall begründete der auf der Angebotsseite der Beklagten ausgewiesene Link auf das Produktinformationsblatt des Herstellers nebst der darin angeführten Garantie keine Pflicht der Beklagten zur vorvertraglichen Information über die Bedingungen der Herstellergarantie.
Aus Sicht des BGH trifft den Unternehmer nämlich eine vorvertragliche Pflicht zur Information über eine Herstellergarantie für ein im Internet angebotenes Produkt, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht.
Erwähnt das Angebot des Unternehmers die gewerbliche Garantie des Herstellers hingegen nur beiläufig oder in belangloser oder vernachlässigbarer Weise, sodass sie im Hinblick auf Inhalt und Ausgestaltung des Angebots objektiv weder als Geschäftsargument angesehen werden noch einen Irrtum beim Verbraucher hervorrufen kann, so kann der Unternehmer nicht schon aufgrund dieser bloßen Erwähnung verpflichtet sein, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen über die Garantie zur Verfügung zu stellen.
Nach Überzeugung des BGH stellte die Herstellergarantie hier kein zentrales oder entscheidendes Merkmal der Internetpräsentation der Beklagten dar, das ihre Pflicht zur vorvertraglichen Information der Verbraucher über die Bedingungen dieser Garantie hätte begründen können.
Der BGH ist außerdem zu dem Ergebnis gelangt, dass sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Er hat daher entschieden, dass die Revision der Beklagten Erfolg hat und zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils führt.
Praktische Bedeutung
Der BGH verdeutlicht in diesem Urteil den Umfang der Informationspflichten über eine Herstellergarantie bei einem Angebot im Internet.Nach Auffassung des BGH ist eine Informationspflicht eines Unternehmers beim Onlinehandel nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Garantie nicht von ihm selbst, sondern von dem Hersteller des dargebotenen Produkts stammt. Aus Sicht des BGH umfasst die Informationspflicht des Unternehmers nicht nur seine eigene Garantie, sondern kann ihn auch dazu verpflichten, dem Verbraucher vor Abschluss des Fernabsatzvertrags Informationen über eine vom Hersteller gebotene Garantie zur Verfügung zu stellen.
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