Schulleitung als Krisen- und Transformationsmanagement
Aus der akuten Krisenphase in die gezielte Schulentwicklung
Corona-Szenarien der Krisenkommunikation sowie des Krisen- und Transformationsmanagements
Dass sich im Laufe des Jahres 2020 mehr und mehr Teile der deutschen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in den Krisenmodus begeben mussten, führte noch nicht automatisch dazu, dass die jeweiligen Akteure in der Lage waren, den Anforderungen der Krisenkommunikation und des Krisenmanagements gerecht zu werden. Insofern befanden sich viele Akteure der Schulen und des Bildungswesens zunächst in guter Gesellschaft. Nicht alle waren in der Lage die erforderliche Klarheit für die anstehenden kurz- und mittelfristigen Maßnahmen und die eigene Strategie zu entwickeln und über entsprechende Kommunikationsmaßnahmen an (Breyer-Mayländer 2020) die internen und externen Zielgruppen sowie Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder weiterzugeben. Die diskutierten Maßnahmen und Formate der Krisenkommunikation bedürfen zunächst eines passenden Krisenmanagements, um am Ende in ausreichendem Maße wirksam zu werden und alle Beteiligten, vor allem aber die Kernzielgruppen Lehrer/-innen, Schüler/-innen und Eltern, gut durch diese durch Ungewissheit und Ängste geprägte Zeit zu begleiten. Die zentralen Voraussetzungen aus Sicht des Schulmanagements im Sinne der Leitungsaufgaben einer Schule werden in diesem Beitrag schlaglichtartig vorgestellt.
So thematisieren Sie aktuelle Krisensituation in der Schule
Regel Nummer 1: Klarheit schafft Vertrauen
Der Mangel an Klarheit wird zumeist bei der internen und externen Abstimmungsarbeit als erstes deutlich. Daher muss neben der Klarheit in der handwerklichen Ausführung der Kommunikation von Schulleitungen, wie beispielsweise klare kurze Formulierungen, eine Wortwahl, die wenig Interpretationsspielraum bietet (Was wurde wie entschieden? Wer muss wann bei welchem Sachverhalt, wie z.B. positiven PCR-Tests, informiert werden?) und der Form der Kommunikation durch Mails, Newsletter, Rundschreiben und Videokonferenzen auch der Hintergrund geklärt sein, vor dem diese Arbeit der Krisenkommunikation stattfindet. Krisen sind Phasen von Unsicherheit und Überforderung und lösen bei den Beteiligten Mechanismen aus, die sich mit der Suche nach Halt, Stabilität, Routine und Berechenbarkeit ganz gut beschreiben lassen. In dieser Situation gilt es von Seiten der Schulleitungen über die Klarheit der Führung (vgl. Breyer-Mayländer 2015) für Sicherheit und Verlässlichkeit zu sorgen. Dies beinhaltet auf der Ebene der Ziele eine klare Zielhierarchie, die sich in Verbindung mit den unterschiedlichen Zeithorizonten von den kurzfristigen Maßnahmen der Schulhaushygiene bis zur Langfriststrategie der digitalen Infrastruktur und Unterrichtsentwicklung zur Vorbereitung auf geteilte Gruppen und die Kombination von Präsenz- und Fernunterricht untergliedern lässt. Das komplette Themenfeld für Klarheit im Krisenmanagement von Schulen ergibt sich aus der Struktur des Schulmanagements. Parallel zum akuten Krisenmanagement im Sinne der Krisenbewältigung geht es perspektivisch um die Einführung oder den Ausbau eines schulbezogenen Risikomanagements, mit dem in Verbindung mit den schulischen Sicherheitsbeauftragten die Wahrscheinlichkeit von Risiken bewertet und deren Auswirkungen analysiert werden, um in einem eigenen Risiko- und Krisenmanagementplan eine Prioritätenliste zu bilden und entsprechende Präventivmaßnahmen (Schließung bestimmter räumlicher Bereiche, Aussetzung bestimmter Unterrichts- und Veranstaltungsformen, Trennung von Gruppen auf Klassenebene wie etwa Einführung von koedukativem Sportunterricht etc.) und Standardreaktionen im Krisenmanagement (Checklisten zur Infokette bei Positivtest von Schüler/-innen und Kolleg/-innen, Kriseninterventionsteams für Probleme im häuslichen Umfeld in Phasen des Fernunterrichts, Varianten für Betreuungsgruppen in Abhängigkeit von beruflicher Situation von Eltern sowie der familiären und psychischen Situation der Kinder etc.) vorzubereiten. Auf der Ebene des Führungsstils bedeutet die Klarheit des Krisenmanagements zunächst eine Steigerung des Führungsanteils in den einzelnen Phasen der Zusammenarbeit, da Schulleitungen in diesen Situationen gerade auch gegenüber den Kolleg/-innen für Orientierung, Halt und Zusammenhalt sorgen müssen. Dies bedeutet auch, dass Entscheidungen und Entscheidungsprozesse noch klarer definiert werden müssen, und die Struktur, insbesondere die Verantwortlichkeiten auf ihre Klarheit hin neu überprüft werden sollten. Dies beginnt schon mit den Alltagsfragen, wie die Anlaufstellen für Informationen über Infektionen von Schüler/-innen, Kolleg/-innen, Angehörigen etc. ihre Informationen dokumentieren, an die Schulleitung weitergeben und wer im Schulleitungsteam dann die Entscheidungen für die nachfolgenden Schritte zu treffen hat. Hinter all diesen organisatorischen Elementen steht auch die Anforderung, dass die in den Leitbildern der Schule hinterlegten Werte auch in der entsprechenden Klarheit im Leitungshandeln wiederzufinden sind.
Regel Nummer 2: Langfristige Krisenbewältigung benötigt Transparenz und Partizipation
Während der Wunsch nach Sicherheit und Verlässlichkeit mehr Klarheit und damit auch im Führungsstil eine Steigerung der Top-Down-Elemente beinhaltet, ist gerade in Schulen die Krisenbewältigung als mittel- bis langfristig erfolgreiches Krisenmanagement keineswegs als autoritäres Führungshandeln möglich. Das kurzfristige Problem kann durch direkt angeordnete Maßnahmen gelöst werden (z.B. der Gebrauch des Hausrechts gegenüber maskenverweigernden Eltern o. ä.), aber die Weiterentwicklung des Systems Schule als Organisation und das Mitnehmen der zentralen Akteure, d.h. den Kolleg/-innen des pädagogischen und nicht-pädagogischen Personals steht in solchen Fällen nach wie vor aus. Hier ist es notwendig, dass Schulleitungen über (pandemierobuste) Kommunikationsformate den echten Dialog mit allen internen Zielgruppen steigern und somit die Weiterentwicklung des gesamten Kollegiums ermöglichen. Hier haben sich neben den in Hochphasen der Pandemie weniger geschätzten persönlichen Gesprächen kurzfristige unkomplizierte Videokonferenzen in unterschiedlichen Teilnehmerkreisen bewährt. Von der formalen Schulkonferenz über die Gesamtlehrerkonferenz, die Teilkonferenzen bis hin zu kleinen problembezogenen Gesprächsrunden, bestehend aus Schulleitung, Klassenleitung und pädagogischer Assistenz, dienen diese flexibel plan- und einsetzbaren Formate dazu, die formalen Informationen über Mails und Rundschreiben durch Diskussion und Interaktion zu ergänzen. So entsteht in der Summe eine möglichst große Transparenz über die aktuellen Entwicklungsschritte und durch die dialogorientierten Formate zudem die Möglichkeit der echten Partizipation, die über einzelne Themen- und Arbeitsgruppen noch ausgebaut werden kann. Dieser Schritt ist im Rahmen des Krisenmanagements an Schulen von zentraler Bedeutung, da er der Tradition und der rechtlichen Verfasstheit von Schulen und Schulkollegien entspricht und neben der Verlässlichkeit auch das Vertrauen in das Leitungshandeln in den Vordergrund rückt.
Regel Nummer 3: Nutzen Sie die Stärke von Zentralität und Dezentralität
Hier gilt für Schulleitungen das Managementprinzip all das zentral zu regeln, was immer wieder in ähnlicher Art und Weise auftritt und somit in standardisierter Form einer echten organisatorischen Lösung zugeführt werden kann. Gerade in den Zeiten der zusätzlichen Belastung der pädagogischen Arbeit durch eine Krise wie die der Corona-Pandemie führen diese abgestimmten und gut kommunizierten zentralen Festlegungen zu einer tatsächlichen Entlastung der Kolleg/-innen in den jeweiligen Situationen. Interne Checklisten zum Umgang mit Standardsituationen (Maske vergessen, Maske verweigert, Hygienemaßgaben nicht eingehalten, Quarantäne von Schüler/-innen, Quarantäne von (Fach-) Lehrer/-innen etc.) entlasten die Teile des Kollegiums, die nicht ständig mit diesen Themen umgehen, aber schnell und rechtssicher handeln müssen.
Zugleich sind gerade Krisensituationen typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass viele unvorhergesehene Situationen auftreten, die nicht antizipiert werden können und für die im Organisationssystem Schule rasch Antworten benötigt werden. Dies ist dann die Stunde der Improvisation als der kurzfristigen Schaffung vorläufiger Lösungen und der Disposition im Sinne des Treffens von Einzelfallentscheidungen. Beides erfordert auch dezentrale Entscheidungen von den Kolleg/-innen in der jeweiligen Situation, die im Sinne der Selbstverantwortung darin bestärkt werden Entscheidungen zu treffen, die dann ggf. wieder im Rahmen einer übergreifenden Lösung weiterentwickelt werden. Bei aller Verlässlichkeit des Organisationssystems Schule geht es in vielen Fällen auch um eine ausreichende Flexibilität, die ein hohes Maß an eigenverantwortlichem Handeln durch ein motiviertes Kollegium voraussetzen.
Auch beim Übergang des Krisenmanagements zum Transformationsmanagement kann die Stärke der Dezentralität und Zentralität für die Entwicklung von mittel- und langfristigen Konzepten und Strategien genutzt werden. So haben die meisten Schulen, die in der Lage waren, die Bundesmittel aus dem Digitalpakt Schule abzurufen und damit ihre digitale Leistungsfähigkeit und Resilienz zu stärken, im Rahmen der
Erstellung der Medienentwicklungspläne beide Prinzipien eingesetzt. Die in vielen Bundesländern gesondert
geregelte Abstimmung der Vorstellungen der Schulen im Hinblick auf die notwendige Infrastruktur mit den
finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Schulträger eignen sich aus vielerlei Gründen
vorwiegend für einen straff organisierten, eher zentralisierten Prozess. Hingegen können in diesen zentral
gesteuerten Prozess im Hinblick auf pädagogische Konzeptionen, Möglichkeiten der Integration digitaler
didaktischer Hilfsmittel in unterschiedliche Unterrichtsvarianten eine Reihe von dezentral erarbeiteten Themen
integriert werden. Wie aktiv man hier die Vorteile aus Sicht der Schulleitung nutzen kann, zeigen zentral
angestoßene Themengruppen, die beispielsweise durch zentrale externe Impulsvorträge im Rahmen von
Videokonferenzen geschaffen werden. Diese Arbeitsgruppen (etwa zu Fragen der interaktiven
Unterrichtsgestaltung bei Fernunterricht) können anschließend wieder dezentral Themen aufbereiten, die
dann im Rahmen des gemeinsamen Austauschs am Ende dem kompletten Kollegium zur Verfügung stehen.
Auch dies schafft wieder Formen der Transparenz und Partizipation.
Fazit: Schulleitung vom Krisen- zum Transformationsmanagement
Damit wird deutlich, wie der Übergang vom Krisen- zum Transformationsmanagement gestaltet werden kann. Die kurz- und mittelfristigen Themen des Krisenmanagements müssen gerade im Hinblick auf die organisatorischen und pädagogischen Herausforderungen im Zuge der Covid-19-Krise durch mittel- und langfristige Planungen und Strategien abgelöst werden. Dazu gehört auch der Umstand, dass durch die Einschränkungen während der Phasen mit hohen Inzidenzwerten die digitale Unterstützung der pädagogischen Arbeit als Handlungsfeld einen neuen Stellenwert bekam und die dabei zu erledigenden Hausaufgaben von Schulleitung, Kollegium und Schulträger oder vereinfacht gesagt vom System Schule selbst deutlicher als Themenfeld zutage treten. Damit geht das als Leitungsaufgabe schon länger bestehende Aufgabenfeld der digitalen Transformation in einem breiteren Corona-induzierten Transformationsprozess auf. Das Transformationsmanagement betrifft dabei im ersten Schritt die Schulleitung als maßgeblicher Managementakteur: Hier muss klar sein, dass es sich um einen gezielten Veränderungsprozess handelt, bei dem beispielsweise die Unterrichts- und Betreuungsformate sowie die digitalen Hilfsmittel vom heutigen Ist-Zustand A in den im Rahmen der pädagogischen Konzeption erarbeiteten Soll-Zustand B überführt werden sollen. Dies erfordert viele Maßnahmen der Organisationsentwicklung als bekanntem Bestandteil der Schulentwicklung, in die im Regelfall Bottom-Up in Entwicklungsprozesse eingebunden sind und beispielsweise aus Arbeitsgruppen zur Unterrichtsentwicklung sowie der fachlichen oder klassenstufenorientierten kollegialen Zusammenarbeit entstehen können. Transformationsmanagement beinhaltet jedoch im Rahmen des Leitungshandeln der Rektorate auch Top-Down-geprägte Schritte des Change-Managements. Denn im Rahmen der Transformation müssen auch bestehende »alte« Strukturen, Prozesse und Angebote, die nicht in neue zukunftsfähige Formen überführt werden können, entweder radikal verändert oder gar eingestellt werden. Für Schulen, die mehr Formen der digitalen Kommunikation für die interne Kooperation und die Unterrichtsarbeit im Rahmen der Corona-Krise für sich entdeckt und entwickelt haben, wäre es nicht sinnvoll in allen Bereichen lediglich ein »Zurück zum Ausgangspunkt« anzustreben. Hier ist es die Aufgabe der Schulleitung darauf zu achten, dass Erfahrungen und Fähigkeiten des Systems Schule, wie etwa die Kombination aus unterschiedlichen Situationen von Lernenden und Lehrenden in synchronen Unterrichtsformaten des Präsenz- und Fernunterrichts, wie sie mitunter im Rahmen von Hybridszenarien beschrieben werden, auch dann künftig zu nutzen, wenn sie für die Schule und ihre Stakeholder vorteilhaft sind