Der folgende Beitrag geht der Frage nach, ob nicht von Seiten der Gerichte Hindernisse für die Schlüssigkeit einer Klage aufgebaut werden, die nicht leicht zu überwinden sind. Wodurch letztlich die Klage als unschlüssig abgewiesen werden könnte.
VROLG a.D. Karl-Heinz Keldungs
Am 24.02.2005 hat der Bundesgerichtshof entschieden (VII ZR 141/03 = BauR 2005, 857), dass der Auftragnehmer substantiiert zu den durch Behinderungen seiner Leistung entstandenen Schaden vortragen muss. Dazu sei i.d.R. eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Dabei haben es einige Oberlandesgerichte nicht bewenden lassen und sich von der vom Bundesgerichtshof geforderten Darstellung der konkreten Behinderung entfernt.
Das OLG Köln hat gefordert (24 U 199/12 = BauR 2014, 1309), dass der Auftragnehmer im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs wegen Bauzeitverzögerung auch selbst verursachte Verzögerungen aufzuführen hat. Damit hat sich das OLG Brandenburg (Urt. v. 18.02.2016 – 12 U 222/14 = NZBau 2016, 493) nicht begnügt. Es verlangt, dass der Auftragnehmer darzulegen hat, wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hat, d.h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte.
Er soll darstellen, ob die angesetzten Bauzeiten mit den von der Preiskalkulation vorgesehenen Mitteln eingehalten werden konnten (so inzwischen auch das OLG Köln in seiner Entscheidung v. 29.08.2019 – 7 U 113/18 = BauR 2022, 647) und ob die Baustelle tatsächlich mit ausreichenden Arbeitskräften besetzt war.
Das OLG München (Teilurt. v. 26.09.2017 – 28 U 2834/09 = BauR 2021, 266) verlangt zudem die Vorlage von aussagekräftigen Bautagesberichten, in denen nicht nur die Anzahl der auf der Baustelle eingesetzten Arbeiter erfasst ist, sondern auch der konkrete Arbeitsbereich. Das hat mit dem, was der Bundesgerichtshof entschieden hat, nur noch wenig Ähnlichkeit.
Wenn ich z.B. als Bauunternehmen ein Fußballstadion zu errichten habe und beginne absprachegemäß mit dem Bau der Südkurve, kann dort aber wegen Kontaminierung des Erdreichs nicht weiterarbeiten, gehe wegen der Einhaltung von § 6 Abs. 3 VOB/B mit meiner Baustelleneinrichtung in die Nordkurve und nach Fertigstellung der Arbeiten dort in die Südkurve zurück. Wieso bin ich verpflichtet, darzulegen, wie ich den Arbeitskräfteeinsatz im Fußballstadion geplant habe, wenn ich lediglich die Zusatzkosten für die zusätzliche Baustelleneinrichtung verlange?
Aus Platzgründen sollen hier die weiteren seltsamen Anforderungen der Gerichte nicht hinterfragt werden, sondern vielmehr, was Richter bewegt, die Schlüssigkeit einer Klage von der Einhaltung solcher Substantiierungsanforderungen abhängig zu machen. Gehen sie wirklich davon aus, dass die Rechtsanwälte und ihre Mandanten die gestellten Anforderungen erfüllen können? Welcher Unternehmer ist in der Lage, den Bauablauf in den Einzelheiten zu dokumentieren, wie sie das OLG Brandenburg verlangt?
Wenn nicht, muss man sich fragen, warum von den Gerichten Hindernisse für die Schlüssigkeit einer Klage aufgebaut werden, die niemand überwinden kann. Wenn ein Gericht die Vorlage aussagekräftiger Arbeitsberichte verlangt, macht es sich dann bewusst, dass es schon mit der Klageschrift die Gerichtsakte überfrachtet (welcher Richter macht sie freiwillig dick?), oder verlangt es die Vorlage dieser Arbeitsberichte, weil es vermutet, dass der Auftragnehmer die Bautagesberichte mit den gewünschten Einzelheiten nicht vorlegen und damit die Klage als unschlüssig abgewiesen werden kann? Das aber wäre im Ergebnis Rechtsverweigerung.
Solche Überlegungen auf Richterseite möchte man sich nicht vorstellen. Das Ergebnis derartiger Überlegungen wäre eine Verlagerung dieser Prozesse auf die Schiedsgerichte. Kann ich als Auftragnehmer aber erwarten, dass sich der Auftraggeber auf ein Schiedsgerichtsverfahren einlässt, wenn er beim staatlichen Gericht wesentlich „bessere Karten“ hat?
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung v. 14.12.2022 – VII ZR 271/19 – (BauR 2023, 692) klargestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben. Das aber geschieht bei Prozessen um Bauablaufstörungen in eklatanter Weise.
Das Kammergericht hat am 10.01.2017 entschieden (21 U 14/16 = BauR 2017, 1204), dass der Unternehmer bei einem Anspruch aus § 642 BGB nur darlegen muss, dass ihm im Annahmeverzug ein Nachteil entstanden ist und es dann keiner bauablaufbezogenen Darstellung bedarf. Ob dies ausreicht, mag dahinstehen. Jedenfalls kommt diese Rechtsauffassung der BGH-Rechtsprechung näher als die zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln, Brandenburg und München. Im Interesse der Rechtssuchenden rufe ich diesen Oberlandesgerichten deshalb zu: Kehrt um! Ihr seid auf dem falschen Weg.
VROLG a.D. Karl-Heinz Keldungs
Am 24.02.2005 hat der Bundesgerichtshof entschieden (VII ZR 141/03 = BauR 2005, 857), dass der Auftragnehmer substantiiert zu den durch Behinderungen seiner Leistung entstandenen Schaden vortragen muss. Dazu sei i.d.R. eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Dabei haben es einige Oberlandesgerichte nicht bewenden lassen und sich von der vom Bundesgerichtshof geforderten Darstellung der konkreten Behinderung entfernt.
Das OLG Köln hat gefordert (24 U 199/12 = BauR 2014, 1309), dass der Auftragnehmer im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs wegen Bauzeitverzögerung auch selbst verursachte Verzögerungen aufzuführen hat. Damit hat sich das OLG Brandenburg (Urt. v. 18.02.2016 – 12 U 222/14 = NZBau 2016, 493) nicht begnügt. Es verlangt, dass der Auftragnehmer darzulegen hat, wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hat, d.h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte.
Er soll darstellen, ob die angesetzten Bauzeiten mit den von der Preiskalkulation vorgesehenen Mitteln eingehalten werden konnten (so inzwischen auch das OLG Köln in seiner Entscheidung v. 29.08.2019 – 7 U 113/18 = BauR 2022, 647) und ob die Baustelle tatsächlich mit ausreichenden Arbeitskräften besetzt war.
Das OLG München (Teilurt. v. 26.09.2017 – 28 U 2834/09 = BauR 2021, 266) verlangt zudem die Vorlage von aussagekräftigen Bautagesberichten, in denen nicht nur die Anzahl der auf der Baustelle eingesetzten Arbeiter erfasst ist, sondern auch der konkrete Arbeitsbereich. Das hat mit dem, was der Bundesgerichtshof entschieden hat, nur noch wenig Ähnlichkeit.
Darlegung des geplanten Arbeitskräfteeinsatzes beim Projekt
Wenn ich z.B. als Bauunternehmen ein Fußballstadion zu errichten habe und beginne absprachegemäß mit dem Bau der Südkurve, kann dort aber wegen Kontaminierung des Erdreichs nicht weiterarbeiten, gehe wegen der Einhaltung von § 6 Abs. 3 VOB/B mit meiner Baustelleneinrichtung in die Nordkurve und nach Fertigstellung der Arbeiten dort in die Südkurve zurück. Wieso bin ich verpflichtet, darzulegen, wie ich den Arbeitskräfteeinsatz im Fußballstadion geplant habe, wenn ich lediglich die Zusatzkosten für die zusätzliche Baustelleneinrichtung verlange? Aus Platzgründen sollen hier die weiteren seltsamen Anforderungen der Gerichte nicht hinterfragt werden, sondern vielmehr, was Richter bewegt, die Schlüssigkeit einer Klage von der Einhaltung solcher Substantiierungsanforderungen abhängig zu machen. Gehen sie wirklich davon aus, dass die Rechtsanwälte und ihre Mandanten die gestellten Anforderungen erfüllen können? Welcher Unternehmer ist in der Lage, den Bauablauf in den Einzelheiten zu dokumentieren, wie sie das OLG Brandenburg verlangt?
Hindernisse für die Schlüssigkeit einer Klage
Wenn nicht, muss man sich fragen, warum von den Gerichten Hindernisse für die Schlüssigkeit einer Klage aufgebaut werden, die niemand überwinden kann. Wenn ein Gericht die Vorlage aussagekräftiger Arbeitsberichte verlangt, macht es sich dann bewusst, dass es schon mit der Klageschrift die Gerichtsakte überfrachtet (welcher Richter macht sie freiwillig dick?), oder verlangt es die Vorlage dieser Arbeitsberichte, weil es vermutet, dass der Auftragnehmer die Bautagesberichte mit den gewünschten Einzelheiten nicht vorlegen und damit die Klage als unschlüssig abgewiesen werden kann? Das aber wäre im Ergebnis Rechtsverweigerung. Solche Überlegungen auf Richterseite möchte man sich nicht vorstellen. Das Ergebnis derartiger Überlegungen wäre eine Verlagerung dieser Prozesse auf die Schiedsgerichte. Kann ich als Auftragnehmer aber erwarten, dass sich der Auftraggeber auf ein Schiedsgerichtsverfahren einlässt, wenn er beim staatlichen Gericht wesentlich „bessere Karten“ hat?
Offenkundige Überspannung der Substantiierungsanforderungen
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung v. 14.12.2022 – VII ZR 271/19 – (BauR 2023, 692) klargestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben. Das aber geschieht bei Prozessen um Bauablaufstörungen in eklatanter Weise. Das Kammergericht hat am 10.01.2017 entschieden (21 U 14/16 = BauR 2017, 1204), dass der Unternehmer bei einem Anspruch aus § 642 BGB nur darlegen muss, dass ihm im Annahmeverzug ein Nachteil entstanden ist und es dann keiner bauablaufbezogenen Darstellung bedarf. Ob dies ausreicht, mag dahinstehen. Jedenfalls kommt diese Rechtsauffassung der BGH-Rechtsprechung näher als die zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln, Brandenburg und München. Im Interesse der Rechtssuchenden rufe ich diesen Oberlandesgerichten deshalb zu: Kehrt um! Ihr seid auf dem falschen Weg.