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Recht & Verwaltung13 Juli, 2023

Rechte der Schüler:innen! Und was ist mit Pflichten?

Julius Nikolaus Herbst, Experte für Schulrecht

Lesezeit: ca. 6 Minuten

Gerne werden Rechte und Pflichten von Lehrkräften, Schulleitungen und Eltern thematisiert, seltener jedoch wird eigentlich die Frage gestellt, in welchem Rechte- und Pflichtenkreis sich Schüler:innen eigentlich bewegen. Am ehesten diskutiert werden Rechte und Pflichten, wenn es um Pflichtverletzungen geht und diese Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen. Hierbei steht dann die Pflichtverletzung des Schülers oder der Schülerin im Vordergrund. Zeit also, die Rechte, aber auch die Pflichten, die verletzt werden können, einmal zu definieren.

Verhältnis Schüler:in / Schule

Zunächst einmal ist das Verhältnis zwischen Schüler:in und der Schule für die Ausgestaltung von Rechten und Pflichten maßgeblich. Bei der Aufnahme in die Schule, also dem Beginn des sog. Beschulungsverhältnisses, besteht erstmalig die Möglichkeit, dass Rechtsfolgen aus dem jeweiligen Schulgesetz auf diese Person anwendbar werden. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um ein sog. Subordinationsverhältnis, also ein Über- Unterordnungsverhältnis, welches das Öffentliche Recht kennzeichnet. Hier handelt der Staat hoheitlich.

Charakterisiert wird das Rechtsverhältnis dadurch, dass auf der einen Seite die Schule die staatliche Gewalt der Exekutive, also die ausführende Gewalt repräsentiert. Auf der anderen Seite steht ein Bürger oder eine Bürgerin, also ein Grundrechtsträger. Das Grundgesetz schützt in seiner verfassungsrechtlichen Ausformung unter anderem den Bürger oder die Bürgerin vor verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriffen in Grundrechte. Auf das Verhältnis von Schüler:in und Schule bezogen heißt das, dass die Schule gerade nur soweit in die Grundrechtsposition eigreifen darf, wie hierbei eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ersichtlich ist.

Beispiel: „Hör sofort mit dem Kippeln auf, bevor du noch nach hinten stürzt!“

Um hierfür ein Beispiel zu geben, bietet sich die Weisung der Lehrkraft an den kippelnden Schüler an, die da regelmäßig lautet: „Hör sofort mit dem Kippeln auf, bevor du noch nach hinten stürzt!“

Einerseits schützt das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit, andererseits muss die Lehrkraft durch eine geeignete Aufsichtsführung Schäden, egal ob physisch, psychisch oder materiell, vom Schüler fernhalten. Eine Weisung der Lehrkraft an den Schüler, welche die Handlungsfreiheit einschränkt, muss hierbei also verfassungsrechtlich „sauber“ sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein wichtiger Grund für die Erteilung der Weisung vorliegt. In diesem Beispiel kommt als ein solcher wichtiger Grund die Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht. Daneben verpflichtet das jeweilige Schulgesetz zur Aufsicht und Gefahrenabwehr durch die Lehrkraft. Somit liegt in diesem Fall ein wichtiger Grund für die Erteilung der Weisung und somit auch für den Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Schülers vor. Der Eingriff ist also verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Anders sieht es aus, wenn kein wichtiger Grund für die Erteilung der Weisung ersichtlich ist. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, dass auf der Seite des Schülers oder der Schülerin zum Zeitpunkt der Weisung nicht das Verständnis für den Grund der Weisung vorliegen muss. Mit anderen Worten also muss die Weisung der Lehrkraft in jedem Fall erst einmal befolgt werden, auch wenn für den Schüler oder die Schülerin der Grund für die Weisung nicht direkt ersichtlich sein mag.

Neben den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten stehen Schüler:innen auch Rechte aus den jeweiligen Landesverfassungen zu. Am Beispiel Niedersachsens ist das Recht auf Bildung in Art. 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung geregelt: „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.“ Dieses Recht hatte zuletzt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur sog. Bundesnotbremse (Beschlüsse v. 30.11.2021, Az. 1 BvR 781/21, 1 BvR 971/21 u.a.) auf grundrechtlicher Ebene vor dem Hintergrund von Distanz- und Heimunterricht ausgestaltet.

Daneben kommen die allgemeinen Verbotsgesetze, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten in Betracht. Hierbei ist insbesondere auf das Jugendschutzgesetz hinzuweisen. Aus dem Schulgesetz des jeweiligen Bundeslandes ergeben sich sodann die dort geregelten Rechte und Pflichten. Hierbei steht die Erfüllung der Schulpflicht, die Anfertigung der erforderlichen Arbeiten und Hausaufgaben sowie die aktive Teilnahme am Unterricht und an Schulveranstaltungen im Vordergrund (Beispiel § 46 SchulG Berlin).

Bereits am 25.05.1973 erklärte die Kultusministerkonferenz in einem Beschluss (Stellung des Schülers in der Schule – Erl. d. MK v. 18.06.1973 – 301 – 403/1/1 – 5/73):

IV. Rechte des einzelnen Schülers: Die der Schule vorgegebenen Rechtsprinzipien und der Zweck der Schule erfordern, dass sie bei der Gestaltung von Unterricht und Erziehung die Interessen und Rechte des einzelnen Schülers respektiert und den Schülern ermöglicht, unmittelbar persönlich oder durch gewählte Vertreter *) am Leben und an der Arbeit der Schule mitzuwirken. Es gehört zu den Aufgaben der Schule, die Schüler mit diesen Rechten so vertraut zu machen, dass sie diese auch wahrnehmen können. […]

Fazit

Die Rechtstellung von Schüler:innen wird also maßgeblich durch die Grundrechte, die jeweilige Landesverfassung sowie das jeweilige Schulgesetz ausgeformt.

Bildnachweis: Christian Schwier/stock.adobe.com

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