LSG Medizinische Leistungen für minderjährige Asylbewerber
Recht & Verwaltung24 Oktober, 2023

LSG: Medizinische Leistungen für minderjährige Asylbewerber?

Redaktion eGovPraxis Asylbewerberleistungen


Bedarf es einer besonderen Rechtfertigung, um die Kostenübernahme für medizinisch erforderliche Behandlungen für minderjährige Asylbewerber zu verweigern? Diese Frage hat das LSG Niedersachsen-Bremen nun für Behandlungen, die zur Sicherung der Gesundheit nicht unerlässlich sind, entschieden.

Der Fall

Der 2006 geborene Hilfesuchende ist georgischer Staatsbürger und leidet seit seiner Geburt an einer chronisch-progressiv verlaufenden Erkrankung, die schwere Wachstumsstörungen sowie dauerhafte starke Schmerzen hervorruft. Die Asylanträge der Eltern wurden abgelehnt; die dagegen gerichtete Klage ist noch anhängig. Die den Hilfesuchenden untersuchenden Ärzte und das Gesundheitsamt sprachen sich für eine zeitnahe chirurgische Versorgung in einer Spezialklinik aus, deren Kostenübernahme vom Leistungsträger abgelehnt wurde.

Die Entscheidung

Das LSG - ebenso wie das SG - sprach sich im Eilverfahren für eine Übernahme der Operationskosten aus und präzisierte seine Rechtsprechung zu Leistungen für die medizinische Behandlung von Minderjährigen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Da durch die Operation die Aussicht bestehe, dass der Hilfesuchende künftig nicht mehr auf einen Rollstuhl angewiesen sei und gegebenenfalls sogar ohne Hilfsmittel schmerzarm beziehungsweise schmerzfrei laufen könne, sei es sachlich nicht gerechtfertigt, dem minderjährigen Antragsteller die medizinisch dringend indizierte Maßnahme vorzuenthalten. Dies ergebe sich aus den Umständen des Einzelfalles sowie aus der prognostisch längeren Aufenthaltsdauer des Hilfesuchenden in Deutschland.

Fazit

  • Vor allem bei Kindern muss es im Lichte des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention besonders gerechtfertigt werden, wenn eine nach den hiesigen Lebensverhältnissen medizinisch erforderliche Behandlungsmaßnahme als nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich abgelehnt werden soll.
  • Neben den Umständen des Einzelfalles sind die Qualität des betroffenen (Grund-)Rechts, das Ausmaß und die Intensität der tatsächlichen Beeinträchtigung
    im Falle der Leistungsablehnung sowie die voraussichtliche und bisherige Aufenthaltsdauer des Ausländers in Deutschland einzubeziehen.

Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.07.2023 zum Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.06.2023 - L 8 AY 16/23 B ER

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