Differenzierte Preisabrede bei Vorkaufrecht des Mieters
Recht & Verwaltung21 November, 2022

Entschädigungsanspruch bei Reiserücktritt nach § 651h BGB

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung einer Reise im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB ist eine an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie an Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierte Gesamtwürdigung erforderlich. Hierbei kann neben dem Anteil des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung auch von Bedeutung sein, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden auswirkt.

Sachverhalt: Rückzahlungsbegehren des Klägers trifft auf Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters 

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer Anzahlung für eine Pauschalreise.

Der Kläger buchte für sich und seine Familie bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Mallorca, die vom 05. bis zum 17.07.2020 stattfinden und 3.541 Euro kosten sollte. Er leistete am 05.02.2020 eine Anzahlung von 709 Euro.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 erklärte der Kläger unter Berufung auf die Covid-19-Pandemie den Rücktritt vom Reisevertrag. Zugleich widersprach er einem Abzug von Stornierungskosten in Höhe von 25% des Reisepreises. Trotzdem belastete die Beklagte die Kreditkarte des Klägers am nächsten Tag mit weiteren 177 Euro.

Das AG hat die Beklagte zur Rückzahlung der einbehaltenen Stornierungskosten in Höhe von 886 Euro und zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

Begründung: Kein Ausschluss des Entschädigungsanspruches nach § 651h Abs. 3 BGB 

Mit dem vorliegenden Urteil vom 30.08.2022 - X ZR 84/21 - hat der BGH zu den Ansprüchen eines Reiseinteressenten bei einem coronabedingten Rücktritt vom Reisevertrag Stellung genommen.

Der BGH hat entschieden, dass der beklagte Reiseveranstalter hier gemäß § 651h Abs. 1 S. 2 BGB seinen Anspruch auf den Reisepreis verloren hat, weil der klagende Reiseinteressent nach § 651h Abs. 1 S. 1 BGB wirksam von dem Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist. Daher ist die Beklagte zur Rückzahlung der erbrachten Anzahlung verpflichtet.

Nach Auffassung des BGH kommt im konkreten Fall jedoch ein Entschädigungsanspruch der Beklagten aus § 651h Abs. 1 S. 3 BGB in Betracht, den sie dem Klageanspruch entgegenhalten könnte und der einen Rechtsgrund für die zusätzliche Belastung des Kreditkartenkontos darstellen würde.

Nach § 651h Abs. 3 S. 1 BGB kann der Reiseveranstalter bei einem Rücktritt des Reisenden vor Reiseantritt von diesem keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Der BGH erläutert, dass das Berufungsgericht zu Recht die Covid-19-Pandemie als Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB bewertet hat, der grundsätzlich geeignet war, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beinträchtigen.

Der Tatbestand von § 651h Abs. 3 BGB setze außerdem voraus, dass die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Der BGH weist hierbei darauf hin, dass der Tatbestand von § 651h Abs. 3 BGB erfüllt ist, wenn schon vor Beginn der Reise eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine solche Beeinträchtigung gegeben ist, und dass dies eine Prognose vor Reisebeginn erfordert.

Nach Auffassung des BGH berechtigen im konkreten Fall jedoch die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht zu der Schlussfolgerung, dass die Durchführung der geschuldeten Reise hier erheblich beeinträchtigt war.

Eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB ergebe sich nicht schon aus der Annahme, dass das vom Kläger gebuchte Hotel im Reisezeitraum aufgrund der Pandemiesituation geschlossen gewesen sei.

Nach Ansicht des BGH begründet nämlich ein zur Minderung berechtigender Reisemangel nicht ohne weiteres eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB.

Der Reiseveranstalter solle das mit dem Verlust des Entschädigungsanspruchs verbundene volle wirtschaftliche Risiko nur dann tragen, wenn die aus den Umständen resultierenden Reisebeeinträchtigungen nicht nur geringfügige Mängel darstellen, sondern erheblich und damit dem Reisenden nicht mehr zumutbar sind.

Ob eine erhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliege, sei aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie an Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen. Neben dem Anteil des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung könne dabei auch von Bedeutung sein, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden auswirke.

Aus Sicht des BGH stellt außerdem die Auswahl eines bestimmten Hotels beim Abschluss eines Pauschalreisevertrags ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine besondere Vorgabe des Reisenden im Sinne von § 651g Abs. 1 S. 3 BGB dar. Im konkreten Fall habe der Kläger das gebuchte Hotel aus einer Reihe von angebotenen Hotels ausgewählt. Damit fehle es an einer besonderen Vorgabe des Reisenden.

Die Unterbringung in einem anderen Hotel stelle auch nicht ohne weiteres eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften im Sinne von § 651g Abs. 1 S. 3 BGB dar.

Im konkreten Fall hätte sich das Berufungsgericht daher zumindest mit dem Vorbringen der Beklagten auseinandersetzen müssen, wonach eine Unterbringung jedenfalls in einem zu derselben Anlage gehörenden, aber einer höheren Kategorie zugewiesenen Hotel möglich gewesen wäre.

Der BGH hat daher das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 30.08.2022 - X ZR 84/21

Der BGH setzt in diesem Urteil seine Rechtsprechung zu der Frage fort, wann eine erhebliche Beeinträchtigung einer Reise im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2017 - X ZR 111/16).

Er weist in diesem Urteil auch darauf hin, dass das Vorliegen einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für den betreffenden Zeitraum in der Regel ein erhebliches Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort und eine Beeinträchtigung der Reise dadurch darstellt. Beeinträchtigungen durch außergewöhnliche Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB können nach Ansicht des BGH aber auch dann gegeben sein, wenn eine solche Warnung nicht ergangen ist. Hierbei können auch Stellungnahmen fachkundiger Stellen wie des Robert-Koch-Instituts oder der Weltgesundheitsorganisation zu berücksichtigen sein.

Bildnachweis: Blackosaka/stock.adobe.com

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