Corona-Ueberbrueckungshilfen
Recht & Verwaltung06 März, 2023

Corona-Überbrückungshilfen – Keine Zeit zu verlieren!

Die Autorin: Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht. Sie ist als Insolvenzverwalterin bei Schultze & Braun tätig.
Den 30. Juni 2023 sollten sich nicht nur Geschäftsleiter, sondern auch Insolvenz- und Eigenverwalter rot im Kalender anstreichen. Denn bis zu diesem Stichtag müssen alle Unternehmen, die Corona-Überbrückungshilfen erhalten haben, eine sogenannte Schlussabrechnung einreichen – und das auch, wenn sie inzwischen insolvent sind. Dr. Elske Fehl-Weileder von Schultze & Braun hat als Insolvenzverwalterin in mehreren Verfahren mit der Prüfung und der möglichen Rückzahlung von Corona-Überbrückungshilfen zu tun. Sie hat sich auch deshalb mit den Anforderungen an solche Schlussabrechnungen beschäftigt und erläutert in diesem Expert Insight, worauf Insolvenz-, aber auch Eigenverwalter dabei achten sollten.

Während der Corona-Krise haben die staatlichen Hilfspakete viele Unternehmen vor einer existenziellen finanziellen Schieflage gerettet und die Insolvenzen auf einem niedrigen Niveau gehalten. Gleichwohl gab und gibt es weiterhin zahlreiche Sanierungen mit Hilfe der Instrumente und Verfahren des Insolvenzrechts. Hat ein Unternehmen Corona-Überbrückungshilfen erhalten, stellt die Überprüfung und die mögliche Rückzahlung von gewährten Hilfen, die nun – fast drei Jahre nach dem Start der Überbrückungshilfe I – bei vielen krisengebeutelten Unternehmen ansteht, sowohl in administrativer als auch in finanzieller Hinsicht eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar


Mehr Insolvenzen – weniger Sanierungen

Dieser grundsätzlich richtige Vorgang kommt angesichts der seit drei Jahren anhaltenden Multi-Dauerkrise für Unternehmen zur denkbar ungünstigsten Zeit: Anders als bei der Konzeption der Hilfsprogramme gedacht, lässt die wirtschaftliche und finanzielle Erholungsphase immer noch auf sich warten. 

Die Rückforderung von Corona-Hilfen kann daher einerseits dazu führen, dass viele Unternehmen dadurch in eine finanzielle Schieflage geraten und die Zahl der Insolvenzen zunimmt. Andererseits kann die mögliche Rückzahlung von erhaltenen finanziellen Hilfen auch eigentlich aussichtsreiche und erfolgversprechende Sanierungen be- oder sogar verhindern, und es drohen mehr Abwicklungen eigentlich sanierungsfähiger Unternehmen.


Die Rückzahlung an sich ist nicht das einzige Problem

In Insolvenz- und Eigenverwaltungsverfahren ist allerdings nicht nur die Rückzahlung von gewährten Corona-Hilfen an sich das Problem. Der Betrag – also die mögliche Rückforderung der Hilfszahlungen selbst – ist als Insolvenzforderung nach § 38 InsO zu werten, die zur Tabelle angemeldet werden kann. Sie trifft die Insolvenzmasse damit nicht im Rang einer vorrangig zu zahlenden Masseverbindlichkeit, sondern wird mit derselben Quote bedient, die für alle anderen ungesicherten Gläubiger ausgeschüttet wird.  Unmittelbar masserelevant ist jedoch die Frage, wie Insolvenz- und Eigenverwalter mit dem organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Erstellung der Schlussabrechnung umgehen. Zu berücksichtigen sind dabei folgende Parameter:

  • Grundsätzlich sind alle Unternehmen, die Corona-Überbrückungshilfen beantragt und erhalten haben, dazu verpflichtet, bis zum 30. Juni 2023 eine Schlussabrechnung einzureichen. Bei einem insolventen Unternehmen ist es gut möglich, dass die zuständigen Stellen – die von Bundesland zu Bundesland variieren – davon ausgehen, dass nach § 80 InsO auch die Pflicht zur Einreichung der Schlussabrechnung auf den Insolvenzverwalter übergeht. Den eigenverwaltenden Schuldner trifft diese Pflicht ohnehin.

Masseverbindlichkeiten und mögliche Haftung

Um die Schlussabrechnung einreichen zu können, muss der Verwalter daher einen Steuerberater beauftragen, was zu Masseverbindlichkeiten durch die dafür anfallenden Gebühren führt. In Insolvenzverfahren ist Liquidität jedoch meistens ein knappes Gut. Was soll also ein Verwalter tun, wenn er nicht sicher sein kann, dass er die anfallenden Gebühren aus der Masse bezahlen kann, ohne die Verfahrenskostendeckung oder vollständige Tilgung aller anderen Masseverbindlichkeiten zu gefährden? 

In einem solchen Fall ist guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer: Würde der Verwalter einen Auftrag an den Steuerberater zur Erstellung der Schlussabrechnung ohne ausreichende Liquidität erteilen, wäre er womöglich nach § 61 InsO persönlich haftbar, wenn er dessen Honorar nicht aus der Masse bezahlen kann. Wird die Schlussabrechnung nicht fristgerecht oder überhaupt nicht eingereicht, muss der gesamte gewährte Hilfsbetrag zurückgezahlt werden. Bei dieser Forderung handelt es sich – wie oben dargestellt - um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO. Vor diesem Hintergrund könnte ein Verwalter daher die Überlegung anstellen, den gesamten Hilfsbetrag als Insolvenzforderung in die Tabelle aufzunehmen, anstatt vorher eine aufwändige Schlussabrechnung durch einen Steuerberater erstellen zu  lassen – zumal die Masseschmälerung durch die anfallenden Kosten für die Schlussabrechnung und die aus ihr resultierende Reduzierung der Quotenauszahlung in vielen Fällen größer sein dürfte als die Verminderung der Quote, die sich aus der Aufnahme der gesamten Rückforderung in die Tabelle ergibt. 

Vorzugswürdige Schätz-Lösung

Bezüglich der steuerlichen Pflichten eines Insolvenzverwalters kommt es häufig vor, dass die Masse nicht ausreicht, die Kosten für die Erstellung rückständiger Steuererklärungen zu tragen. Wenn absehbar ist, dass sich durch die Erstellung und Einreichung keine Erstattungen zugunsten der Masse, sondern Forderungen des Finanzamtes ergeben, wird daher in der Praxis häufig mit den zuständigen Finanzbehörden abgestimmt, dass diese eine angemessene Schätzung vornehmen und diese Forderung in die Insolvenztabelle aufgenommen wird. Wie bei Steuerforderungen wäre auch bei der Prüfung und möglichen Rückzahlung von Corona-Überbrückungshilfen eine Schätz-Lösung vorzugswürdig. 
Eine solche Lösung wäre auch im Zusammenhang mit einem Insolvenzplanverfahren vorteilhaft, denn auch in diesem Zusammenhang gibt es Besonderheiten, die Insolvenz- und Eigenverwalter im Blick haben sollten. 

Insolvenzplan und übertragende Sanierung

So kann eine mögliche Rückforderung von Überbrückungshilfen bei einem Insolvenzplan in finanzieller wie auch in zeitlicher Hinsicht zu einer zusätzlichen Herausforderung werden. Das liegt daran, dass es sicherlich mehrere Monate dauert, bis die Höhe der Rückzahlung von der zuständigen Stelle festgesetzt ist. Zeit, die zum Beispiel in einem Schutzschirmverfahren in der Regel nicht vorhanden ist. Zudem stellt sich bei Insolvenzplänen die Frage, mit wem der Planersteller über die Rückforderung und ihre Höhe im Vorfeld verhandeln kann. Gibt es die Option einer Schätz-Lösung nicht, könnte es eine Möglichkeit sein, die Schlussabrechnung nicht einzureichen und den vollen Hilfsbetrag als Rückzahlung anzunehmen – so wäre zumindest die Höhe der Rückzahlung klar. 
Aber auch bei einer übertragenden Sanierung spielen Corona-Überbrückungshilfen eine wichtige Rolle. Ein Erfolgsfaktor einer übertragenden Sanierung ist es, dass es dabei keine Erwerberhaftung nach § 25 HGB gibt. Hat ein Unternehmen aber Corona-Überbrückungshilfen erhalten, kommt eine Haftung des Erwerbers unter Beihilfegesichtspunkten in Frage. Das ist dann der Fall, wenn – vereinfacht dargestellt – der Erwerber durch die Fortführung des Geschäftsbetriebs den durch die Beihilfe – in diesem Fall die Corona-Überbrückungshilfe – entstandenen Vorteil weiter nutzt und er für die Vermögenswerte keinen angemessenen Marktpreis gezahlt hat. Um eine solche Haftung auszuschließen, ist ein transparentes und an den Anforderungen des EU-Beihilferechts orientiertes M&A-Verfahren essenziell. Dadurch kann der Verwalter auch eine etwaige Kaufpreisreduzierung aufgrund des Haftungsrisikos abwehren.

Der Faktor Zeit

Bei der Prüfung und der möglichen Rückzahlung von Corona-Überbrückungshilfen spielt neben den genannten Herausforderungen der Faktor Zeit eine maßgebliche Rolle. Auch für Insolvenz- oder Eigenverwaltungsverfahren gilt für die Einreichung der Schlussabrechnung der Stichtag 30. Juni 2023. Vorher muss der zu beauftragende prüfende Dritte ausreichend Gelegenheit haben, sich die für die Schlussabrechnung nötigen Informationen und Daten zu verschaffen.  Es gilt also – wie so oft im Insolvenz- und Sanierungsbereich – die Devise: Keine Zeit zu verlieren!
Unsere Autorin
Dr. Elske Fehl-Weileder
Dr. Elske Fehl-Weileder

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Insolvenzverwalterin bei Schultze & Braun 

Frau Dr. Fehl-Weileder wird Ende November als Referentin ein Online-Seminar durchführen, zu dem sich alle Benutzer und Benutzerinnen des Online-Moduls Heymanns Insolvenzrecht Premium anmelden können.
Bildquelle Schultze & Braun
Bildnachweis: matttilda/stock.adobe.com
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