Betreuungsrechtsreform 2023: Wissenswertes aus notarieller Sicht
Recht & Verwaltung16 März, 2022

Betreuungsrechtsreform 2023 aus notarieller Sicht

Dr. Gabriele Müller-Engels, Referatsleiterin für Erb- und Familienrecht am Deutschen Notarinstitut, Würzburg

Grundlegende und umfassende Strukturreform

Bereits letztes Jahr wurde mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 (BGBl. I 2021, 882) eine wichtige familienrechtliche Reform verabschiedet, die auch bedeutsame Änderungen für die notarielle Praxis mit sich bringen wird. Das Gesetz tritt zum 01.01.2023, also in wenigen Monaten, in Kraft. Durch das Gesetz werden das Vormundschaftsrecht sowie das Betreuungsrecht neu strukturiert und inhaltlich modernisiert. Von Änderungen betroffen sind an die 200 Paragrafen, so dass in der Literatur – pointiert ausgedrückt – schon von „der großen Paragrafenwanderung“ die Rede war.

Ziele der Reform

Die Reform verfolgt u.a. das Ziel, die Rechtsanwendung zu erleichtern. Daher wurden zahlreiche Vorschriften aus dem Vormundschaftsrecht (u.a. zur Vermögenssorge, zur gerichtlichen Aufsicht und zu Aufwendungsersatz/Vergütung) entsprechend ihrer praktischen Bedeutung in das Betreuungsrecht (also „nach hinten“) verschoben. Gleichzeitig bemühte sich der Gesetzgeber, sachlich zusammengehörige Regelungen zusammen zu fassen (so regelt z.B. § 1823 BGB n.F. die Vertretungsmacht des Betreuers, die darauffolgende Vorschrift § 1824 BGB n.F. den Ausschluss der Vertretungsmacht).

Vorgaben des Art. 12 UN-BRK

Ein Anliegen der Reform ist es, die Vorgaben von Art. 12 UN-BRK deutlicher im Betreuungsrecht umzusetzen. Daher wurden z.B. alle als stigmatisierend empfundenen Begriffe, etwa bei den Betreuungsvoraussetzungen die Tatbestandsmerkmale „psychische Krankheit“ und „seelische Behinderung“, aus dem Gesetzeswortlaut entfernt (vgl. § 1814 BGB n.F.). Eine Änderung der Eingriffsschwelle war hierdurch nicht beabsichtigt. Ein weiterer Kernpunkt ist die stärkere Berücksichtigung der Wünsche des Betreuten, u.a. im Rahmen des Betreuerhandelns (vgl. § 1821 Abs. 2 und 3 BGB n.F.).

Das bislang geltende Betreuungsbehördengesetz (BtBG) wird durch das neue Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) ersetzt. Darin wird zur Sicherung der einheitlichen Qualität der beruflichen Betreuung erstmals ein formales Registrierungsverfahren für Berufsbetreuer eingeführt (vgl. §§ 23 ff. BtOG).

Für Notare besonders relevant

Aus notarieller Sicht besonders praxisrelevant sind die Änderungen im Bereich der Genehmigungspflichten. So werden die betreuungsgerichtlichen Genehmigungserfordernisse künftig in den §§ 1848 ff. BGB n.F. zusammenhängend geregelt und nach Lebenssachverhalten geordnet (so betrifft z.B. § 1850 BGB n.F. Grundstücksgeschäfte, § 1851 BGB n.F. erbrechtliche Rechtsgeschäfte und § 1852 BGB n.F. handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtsgeschäfte). Neu ist die Einführung eines Genehmigungstatbestandes für Schenkungen aus dem Vermögen des Betreuten (vgl. § 1854 Nr. 8 BGB n.F.). Bislang waren Schenkungen grundsätzlich verboten (vgl. §§ 1908i Abs. 2, 1804 BGB).

Im Rahmen der Reform wird auch erstmals ein Begünstigungsverbot für Berufsbetreuer (vgl. § 30 BtOG) normiert. Dieses verbietet sowohl Schenkungen als auch Zuwendungen im Rahmen von Verfügungen von Todes wegen.

Änderungen in Bezug auf die Vorsorgevollmacht

Betroffen von der Reform ist auch die Vorsorgevollmacht, die als Instrument der Privatautonomie große Anerkennung erfährt. Dies zeigt sich allein daran, dass die Vorsorgevollmacht einen eigenen Paragrafen erhält (vgl. § 1820 BGB n.F.). Dort enthalten ist die Unterrichtungspflicht des Besitzers eines betreuungsvermeidenden Schriftstücks (§ 1820 Abs. 1 BGB n.F.), die umfassende Neuregelung der sog. Kontrollbetreuung (§ 1820 Abs. 3 BGB n.F.) sowie des Widerrufs der Vorsorgevollmacht, der künftig vom Betreuungsgericht (vor Ausspruch) genehmigt werden muss (§ 1820 Abs. 5 BGB n.F.). Als „Zwischenstufe“ von Reaktionsmöglichkeiten bei bestehendem, aber noch nicht bestätigtem Missbrauchsverdacht führt der Gesetzgeber in Abs. 4 n.F. eine gerichtliche Möglichkeit ein, die Vollmacht vorläufig zu „suspendieren“, ggf. unter gleichzeitiger Anordnung der Herausgabe der Urkunde an den Betreuer.

Für die Form und Gestaltung von Vorsorgevollmachten gibt es keine neuen Anforderungen; allerdings wird das „Ausdrücklichkeitserfordernis“ für Vollmachten im Bereich der Personensorge künftig in § 1820 Abs. 2 BGB n.F. für alle Fälle zusammengefasst zu finden sein. Ferner wird der Kreis der als Bevollmächtigte grundsätzlich ungeeigneten Personen erheblich ausgeweitet und umfasst künftig alle Mitarbeiter von Diensten, die in der Versorgung des Vollmachtgebers tätig sind (vgl. § 1814 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB n.F. i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB n.F.). Schließlich wird die öffentliche Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörden für Vorsorgevollmachten modifiziert (vgl. § 7 BtOG).

Gesetzliches Vertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten, § 1358 BGB n.F.

Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich die Einführung eines auf 6 Monate befristeten gesetzlichen Ehegattenvertretungsrechts in Gesundheitsangelegenheiten im weiteren Sinne (§ 1358 BGB n.F.). Die vom Gesetz „aufgedrängte“ Vertretungsmacht kann durch Eintragung eines Widerspruchs im ZVR ausgeschlossen werden (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 7 VRegV n.F.). In diesem Zusammenhang sollen auch Ärzte ein Einsichtsrecht in das ZVR erhalten.

Ausblick

Das umfassende Gesetz bringt zahlreiche Neuerungen für den Rechtsverkehr mit Betreuten und wirkt sich in vielerlei Hinsicht auch auf Vorsorgevollmachten aus. Notarinnen und Notare sind daher gut beraten, sich rechtzeitig über die Reforminhalte zu informieren.

Autorin

Dr. Gabrielle Müller-Engels

Dr. Gabriele Müller-Engels

Referatsleiterin für Erb- und Familienrecht am Deutschen Notarinstitut, Würzburg

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