Anforderungen_Ersatztermine_von_Vorstellungsgespraechen
Recht & Verwaltung14 Februar, 2024

BAG: Anforderungen an Ersatztermine von Vorstellungsgesprächen schwerbehinderter Bewerber

Redaktion eGovPraxis Personal

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts und einer Behinderung. 

Die schwerbehinderte klagende Partei wurde zweigeschlechtlich geboren und bezeichnet sich als Hermaphrodit. Sie bewarb sich unter Angabe der Schwerbehinderung auf eine Stellenausschreibung der beklagten Stadt für »Fallmanager*innen im Aufenthaltsrecht«.  

Die Beklagte lud sie zu einem Vorstellungsgespräch am 18.11.2019 ein. Am 06.11.2019 teilte die klagende Partei mit, dass sie an diesem Tag »schon einen anderen Termin in Brandenburg« habe, weshalb sie um einen Ersatztermin bitte. Dies lehnte die Beklagte, die 2019 insgesamt 202 Stellenbesetzungsverfahren durchführte, ab – dies, weil die Auswahlkommission aufgrund anderer Termine zeitnah nicht nochmals zusammenkommen könne und das Stellenbesetzungsverfahren nicht weiter verzögert werden solle. 

Die klagende Partei meint, sie sei sowohl wegen ihres Geschlechts als auch ihrer Behinderung im Auswahlverfahren diskriminiert worden. Ersteres indiziere schon die Stellenausschreibung. Die Verwendung des sog. Gendersterns (»Fallmanager*innen«) bedeute eine Diskriminierung von Menschen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht angehörten. Die Beklagte habe zudem gegen ihre nach § 165 Satz 3 SGB IX bestehende Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Menschen zu einem Vorstellungsgespräch verstoßen. Sie habe auf die begründete Absage des angebotenen Termins trotz entsprechender Bitte keinen Alternativtermin angeboten. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.  

Zur Entscheidung

Das BAG stellt zunächst heraus, dass die klagende Partei keine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts wegen der Verwendung des Gendersterns dargelegt habe. 

Dass sich die Ausschreibung an Menschen jedweden Geschlechts richten solle, werde bei objektiver Betrachtung durch den Genderstern gerade zum Ausdruck gebracht. Durch die Verwendung des Gendersterns als symbolhaftes Sonderzeichen werde typischerweise mitgeteilt, dass sich die Ausschreibung an jede die Anforderungen erfüllende Person richte und das Geschlecht – gleich welches – bei der Auswahlentscheidung keine Rolle spielen werde. 

Die klagende Partei habe auch keine Benachteiligung wegen ihrer (Schwer)Behinderung wegen der unterbliebenen Durchführung eines Vorstellungsgesprächs dargelegt. Nach § 165 SGB IX seien nicht offensichtlich ungeeignete schwerbehinderte Menschen, die sich auf einen freiwerdenden und neu zu besetzenden bzw. neuen Arbeitsplatz beworben hätten, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers sei dann nicht mit dem Anbieten eines einzigen Vorstellungstermins erfüllt, wenn der schwerbehinderte Mensch seine Verhinderung vor der Durchführung des Termins unter Angabe eines hinreichend gewichtigen Grundes mitteile und dem Arbeitgeber bei Vornahme einer Gesamtschau das Anbieten eines Ersatztermins in zeitlicher und organisatorischer Hinsicht zumutbar sei. Denn eine formale Beschränkung der Einladungspflicht auf das Anbieten eines einzigen Termins würde der dargestellten Zielsetzung des § 165 Satz 3 SGB IX, im Auswahlverfahren die Chancen schwerbehinderter Bewerber zu verbessern, nicht gerecht. 

Ob ein Ersatztermin angeboten werden müsse, könne nur nach den Umständen des Einzelfalls im Ergebnis einer Interessenabwägung beurteilt werden. Informiere der schwerbehinderte Bewerber den öffentlichen Arbeitgeber unter Angabe von Gründen über das beabsichtigte Nichterscheinen, sei der Arbeitgeber verpflichtet, das Angebot eines Ersatztermins zu prüfen, falls die Absage ein weiterhin bestehendes Interesse an einer Vorstellung erkennen lasse. Ob der Arbeitgeber einen Ersatztermin anbieten müsse, hänge vom Gewicht des Verhinderungsgrundes und der Organisation des Auswahlverfahrens ab. Insbesondere bei einer kurzfristigen Erkrankung werde eine Verschiebung der Vorstellung bei organisatorischer Machbarkeit regelmäßig zumutbar sein. Gleiches gelte, falls der Bewerber seine Verhinderung mit Ortsabwesenheit oder einer zeitlichen Kollision mit einem anderen Termin begründe und belege (z.B. gebuchte Urlaubsreise, Arztbesuch). 

Demgegenüber sei dem Arbeitgeber eine Einschätzung der Situation nicht möglich, wenn der Bewerber zum Vorstellungstermin ohne Absage nicht erscheine oder die Absage keine nachvollziehbare Begründung anführe. Es sei dann schon nicht ausgeschlossen, dass der Bewerber kein Interesse an der Bewerbung mehr habe. Sollte das Interesse in diesem Fall (erkennbar) weiterbestehen, trete es zurück. Im Rahmen der wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten sei es Sache des Bewerbers, seine Beweggründe zu kommunizieren und damit für Klarheit zu sorgen. Dem Arbeitgeber sei es nicht zuzumuten, die Hintergründe des Nichterscheinens bzw. der Absage zu eruieren. Es bestehe daher weder eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu gesonderter Kontaktaufnahme mit dem Bewerber noch sei ein Ersatztermin veranlasst. 

Vorliegend sei die Beklagte nach diesen Maßstäben nicht verpflichtet gewesen, einen Ersatztermin für ein Vorstellungsgespräch anzubieten. Aus der Absage des Vorstellungstermins vom 06.11.2019 und dem darin enthaltenen Hinweis auf einen „anderen Termin in Brandenburg“ habe sich nichts zur Bedeutung und Verschiebbarkeit dieses Termins ergeben. Demgegenüber seien die organisatorischen Schwierigkeiten für die Beklagte bei Ermöglichung eines Ersatztermins infolge von über 200 durchzuführenden Stellenbesetzungsverfahren im Jahr 2019 und die Dringlichkeit der konkreten Stellenbesetzung mit Blick auf die langen Bearbeitungszeiten in der Ausländerbehörde der Beklagten im zweiten Halbjahr 2019 zu berücksichtigen gewesen. 

Praktische Bedeutung

Mit vorstehendem Urteil hat das BAG zum einen klargestellt, dass Arbeitgeber im Rahmen der Stellenausschreibung auf der sicheren Seite sind, wenn sie für die Tätigkeitsbezeichnung den sog. Genderstern verwenden. 

Vor allem aber hat das BAG die Frage geklärt, in welchen Fällen Arbeitgeber bei Verhinderung schwerbehinderter Bewerber einen Ersatztermin für das Vorstellungsgespräch anbieten müssen. Maßgeblich sind hierbei das Gewicht des Verhinderungsgrundes und die Organisation des Auswahlverfahrens.  

Wenn der Bewerber zu einem angebotenen Vorstellungstermin ohne Absage nicht erscheint oder seine Beweggründe für eine Absage nicht mitteilt oder die Absage keine nachvollziehbare Begründung enthält, muss der Arbeitgeber keinen Ersatztermin anbieten. Er muss dann die Hintergründe der Absage nicht erforschen, namentlich muss er hierzu keinen Kontakt zum Bewerber aufnehmen. Insoweit sorgt die Entscheidung aus Arbeitgebersicht für Anwendungssicherheit bei Stellenbesetzungsverfahren. 

Quelle: BAG, Urteil vom 23. November 2023 - 8 AZR 164/22 -

Bildnachweis:  思源 蒋/stock.adobe.com

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