Wenn Baurecht und Verbraucherschutz zusammentreffen, ist das immer für eine Überraschung gut – und die ist meistens unerfreulich für den Bauunternehmer. So kommt es regelmäßig dazu, dass Bauverträge mit einem Verbraucher als Auftraggeber vor Ort in seinem Haus oder seiner Wohnung geschlossen werden, dort, wo auch gebaut werden soll.
Aber vor Ort beim Verbraucher, das bedeutet außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers, sodass der Verbraucher den Vertrag widerrufen kann – und das auch noch nach einem Jahr, wenn der Unternehmer die Belehrung des Verbrauchers vergessen hat.
Die Folge eines Widerrufs nach Beginn der Leistungen ist zumeist, dass sie der Unternehmer vollständig abschreiben kann, denn er muss erhaltene Zahlungen zurückgewähren, erhält aber für seine verbauten oder mit dem Grundstück verbundenen Leistungen (zum Beispiel: Anstrich oder Einbauschrank) keinen Wertersatz (
§ 357a Abs. 2 BGB). Erst vor kurzem hat der Europäische Gerichtshof noch einmal die Schärfe dieses Prinzips betont (
EuGH, Urt. v. 17.05.2023 – C-97/22).
Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehren
Der Unternehmer hat es zwar in der Hand, ein solches Ergebnis zu vermeiden, indem er den Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt. Die beträchtliche Anzahl der Fälle, in denen dies unterbleibt, sollte einem aber zu denken geben.
Möglicherweise frisst der aufreibende Alltag kleiner Handwerksunternehmen zwischen Angebotskalkulation, Bietergesprächen, Personal- und Störungsmanagement, Dokumentation, Mitarbeitersuche, Compliance und – nicht zu vergessen – Arbeiten auf Baustellen einfach zu große Aufmerksamkeitskapazitäten, als dass auch noch an sämtliche Facetten des Verbraucherschutzes gedacht werden kann. Manchmal drängt sich dieser Eindruck auf.
In einem aktuellen Fall des
OLG Karlsruhe (Beschl. v. 14.04.2023 – 8 U 17/23) stellte sich die Frage, ob auch eine auf der Baustelle geschlossene Nachtragsvereinbarung zu einem bereits bestehenden Vertrag ein Außer-Geschäftsraum-Vertrag ist, den der Verbraucher widerrufen kann. Er könnte sich dann bei vergessener Belehrung durch den Unternehmer auch noch nach Monaten von der Zahlungspflicht befreien.
Das OLG Karlsruhe hat dies bejaht. Es handele sich zwar nur um eine zusätzliche Vereinbarung zu einem bereits geschlossenen Vertrag, ein Verbraucher könne hier aber ebenso unter „psychischen Druck“ geraten, wie beim anfänglichen Abschluss des Hauptvertrages. Und vor den Konsequenzen dieses Drucks wolle ihn die Verbraucherrechterichtlinie gerade schützen (vgl. Erwägungsgrund 21 der Richtlinie).
Widerrufsrecht bei „Außer-Geschäftsraum-Anordnung“?
Ist diese Ansicht ein Wertungswiderspruch zu der Situation, in der der Verbraucher eine geänderte oder zusätzliche Leistung des Unternehmers einfach gem.
§ 650b Abs. 2 BGB anordnet, ohne eine Nachtragsvereinbarung zu schließen?