Perspektiven für die finanzielle Beteiligung des
Recht & Verwaltung10 November, 2021

Perspektiven für die finanzielle Beteiligung des Bundes

von Niels Espenhorst

Wie die Finanzierung in Zukunft aussehen wird, bleibt offen

Aufgrund der gesamtgesellschaftlich herausragenden Bedeutung – und auch der herausragenden Kostenentwicklung – der Kindertagesbetreuung ist eine finanzielle Beteiligung des Bundes sinnvoll und notwendig. Im Folgenden soll ein Blick auf das bisherige finanzielle Engagement des Bundes für die Kindertagesbetreuung geworfen und daraus Perspektiven insbesondere für den weiteren Platzausbau und die Qualitätsentwicklung entworfen werden.

Erst seit vergleichsweise kurzer Zeit nimmt der Bund in der Kindertagesbetreuung eine finanzierende Rolle ein. Anlass für die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Kindertagesbetreuung war der Beschluss im Jahr 2008 zur Einführung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Erst ab diesem Zeitpunkt beteiligt sich der Bund auch finanziell an der Kindertagesbetreuung. Die hohe (Kosten-)Dynamik in dem Arbeitsfeld spiegelt sich in verschiedenen Bemühungen wieder, die Lasten zwischen Bund und Ländern zu verteilen. Das betrifft sowohl die Betriebskosten, die Neubaukosten, die Senkung der Elternbeiträge und die Qualitätsentwicklung.

Die Qualitätsentwicklung wurde 2018 unter großer öffentlicher Anteilnahme in dem sogenannten Gute-KiTa-Gesetz (offiziell »Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege« – KiQuTG) erstmals finanziell bedacht. Bevor auf die Herausforderungen der Förderung der Qualitätsentwicklung durch den Bund eingegangen wird, werden zunächst die unterschiedlichen Beteiligungen des Bundes dargestellt. Anschließend werden Perspektiven für die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Kindertagesbetreuung aufgezeigt.

1. Die finanzielle Beteiligung des Bundes

Es gibt viele gute Gründe für die dauerhafte finanzielle Beteiligung des Bundes: Der Bund hat durch die Einführung des Rechtsanspruches auf Kindertagesbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr die Nachfrage deutlich stimuliert. Kindertagesbetreuung ist ein wichtiges Instrument zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen profitieren überproportional von guter frühkindlicher Bildung und Betreuung. Gerade für Familien mit Migrationshintergrund findet über die Kindertagesbetreuung eine doppelte Integrationsleistung statt, da auch die Eltern einen positiven Effekt spüren. Und nicht zuletzt hat der Bund den Auftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet sicherzustellen. Das ist aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangslagen für die Kindertagesbetreuung in den Bundesländern eine enorme Aufgabe.

Das KiQuTG ist in der Gesamtschau nur ein Finanzierungsbaustein unter vielen. Um die Wirkung des KiQuTG einschätzen zu können, ist daher eine Einordnung in die bisherigen Ausgaben des Bundes für die Kindertagesbetreuung unter Berücksichtigung der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand für die Kindertagesbetreuung nötig. Von 2008 bis 2021 sind die Ausgaben des Bundes für das Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung von 382 Mio. Euro auf 3,5 Mrd. Euro gestiegen. Das liegt im Wesentlichen daran, dass der Bund den Ländern 2007 zusagte, ein Drittel der ausbaubedingten Mehrkosten zu tragen – und zwar sowohl in Bezug auf die Investitions- als auch die Betriebskosten. Die finanzielle Beteiligung des Bundes findet vor dem Hintergrund rasant steigender Ausgaben für die Kindertagesbetreuung statt. Von 2008 bis 2020 haben sich die öffentlichen Ausgaben beinahe verdreifacht, von 14 Mrd. Euro 2008 auf über 40 Mrd. Euro 2020.

1.1 Die Sondervermögen Kindertagesbetreuung

Mit den mittlerweile 5 Investitionsprogrammen zum Ausbau der Kindertagesbetreuung beteiligt sich der Bund anteilig an den Kosten für den Neubau von Kindertageseinrichtungen. Seit 2008 stellt der Bund etwa 300 bis 400 Mio. Euro jährlich zur Verfügung, um den weiteren Ausbau mitzufinanzieren. Das jüngste Investitionsprogramm ist Teil des Konjunkturpaketes zur Bewältigung der Corona-Pandemie und fügte dem Sondervermögen zusätzlich für die Jahre 2020 und 2021 jeweils 500 Mio. Euro hinzu. Für die Zeit danach gibt es noch keine Informationen, wie sich der Bund an dem Ausbau beteiligt.

1.2 Betriebskostenanteile

Zudem hat der Bund zugesagt, ein Drittel der ausbaubedingten zusätzlichen Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen zu übernehmen. Deshalb erhalten die Länder seit 2009 aufwachsend einen dreistelligen Millionenbetrag, der im Jahr 2015 845 Mio. Euro erreichte und seitdem auf diesem Niveau verharrt. In den Jahren 2016–2018 kam es jedoch faktisch zu einer Erhöhung, da den Ländern zusätzlich insgesamt 2 Mrd. Euro für die Kindertagesbetreuung aus dem gestrichenen Betreuungsgeld zur Verfügung gestellt wurden. Ob jedoch jemals tatsächlich ein Drittel der Mehrausgaben durch den Bund getragen wurden, lässt sich nicht genau beziffern.

1.3 Bundesprogramme

Seit dem Jahr 2011 nutzt der Bund verstärkt die Möglichkeit, über Bundesprogramme gezielt gute Praxis in der Kindertagesbetreuung zu fördern. Besonders hervor sticht dabei das Bundesprogramm Sprach-Kitas, das mit verschiedenen Ausprägungen seit 2011 besteht. Andere Bundesprogramme fördern die betriebliche Kindertagesbetreuung, die Kindertagespflege, den Kita-Einstieg und die Gewinnung von Auszubildenden (Fachkräfteoffensive). Im Jahr 2020 stellte der Bund für 7 verschiedene Programme fast 300 Mio. Euro zur Verfügung.

1.4 Finanzierung der Qualitätsentwicklung

Bereits im Jahr 2014 einigten sich Bund, Länder, Kommunen und Verbände darauf, dass sich der Bund finanziell an der weiteren Qualitätsentwicklung der Kindertagesbetreuung in Höhe von jährlich 5 Mrd. Euro beteiligt. Diese Verständigung mündete in dem sog. Gute-KiTa-Gesetz, das ab 2019 den Ländern insgesamt 5,5 Mrd. Euro für die Qualitätsverbesserung zur Verfügung stellt. Die Länder dürfen die Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung eigenständig auswählen und verpflichten sich gegenüber dem Bund zu einer verbindlichen Umsetzung dieser Maßnahmen.

1.5 Teilhabeverbesserung

Das Gute-KiTa-Gesetz ist nicht nur ein Instrument zur Qualitätsentwicklung, sondern auch zur Teilhabeverbesserung. Grundsätzlich besteht hier ein großer Bedarf. So wird die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung sozial selektiv in Anspruch genommen. Kinder aus migrantischen Familien oder Familien mit geringer formaler Bildung sind deutlich seltener und in geringerem zeitlichem Umfang in der Kindertagesbetreuung. Auch Kinder mit Behinderung werden teilweise strukturell benachteiligt. Daher sind nach dem Gesetz Maßnahmen zur Entlastung von Eltern bei den Gebühren förderfähig, sofern das dazu beiträgt, die Teilhabe an Kinderbetreuungsangeboten zu verbessern. Etwa ein Drittel der Bundesmittel haben die Länder dafür vorgesehen.

Perspektiven für die finanzielle Beteiligung des Bundes

Abb. 1: Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung in Mio. Euro.

2. Herausforderungen bei der Umsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes

Im Gegensatz zu den Aspekten Kitaplatzausbau, Betriebskosten und Bundesprogramme zeichnet sich das Vorhaben der Qualitätsentwicklung durch seine Komplexität und seinen deutlich größeren finanziellen Umfang aus. Im Folgenden soll daher ein Blick auf die Herausforderungen bei der Umsetzung der Qualitätsentwicklung und Teilhabeverbesserung geworfen werden.

2.1 Fehlendes Grundlagenwissen

Die öffentliche Hand gibt rund 40 Mrd. Euro pro Jahr für die Kindertagesbetreuung aus – da sollte man annehmen, dass sehr genau beobachtet wird, wie die Mittel mit welchem Effekt verwendet werden. Erstaunlicherweise wird jedoch relativ wenig über die Strukturen in der Kindertagesbetreuung erhoben. Das statistische Bundesamt erfasst jährlich, wie viele Menschen in den Kitas arbeiten und wie viele dort betreut werden – wesentlich mehr wird länderübergreifend weder systematisch noch regelmäßig erfasst. Zwar gibt es Studien, die immer mal wieder durchgeführt werden, aber ein systematisches Monitoring, das mehr als ein paar Grundwerte erfasst, wurde erst durch das KiQuTG eingeführt.

Dieser Mangel machte sich bei der Festlegung der Handlungsvereinbarungen bemerkbar. Denn die Länder waren aufgefordert, die Ausgangslage der Kindertagesbetreuung darzustellen, was sie nur rudimentär und in sehr unterschiedlichem Umfang zu leisten imstande waren. Das Ziel muss sein, ein aussagekräftiges Monitoring dauerhaft zu verankern und so auszugestalten, dass die Daten für die Steuerung des Systems genutzt werden können.

2.2 Prioritätensetzung

Die fehlende systematische Erfassung von Handlungsbedarfen spiegelt sich auch in der Prioritätensetzung mancher Bundesländer wider. Die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren unterschiedlicher Interessensgruppen blieben teilweise folgenlos, und eine fachlich fundierte Prioritäten- und Zielsetzung war nicht immer zu erkennen. So wurden zwar viele Maßnahmen umgesetzt, die den Fachkraft-Kind-Schlüssel verbessern sollten, aber nur vergleichsweise wenige Maßnahmen, um zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen und auszubilden. Das ist angesichts eines erheblichen Fachkräftemangels verwunderlich und dürfte dazu führen, dass die angestrebten Verbesserungen nur notdürftig mit geeignetem Personal realisiert werden können.

2.3 Fehlende Perspektive für die Beteiligung des Bundes

Manche Bundesländer wie Niedersachsen haben sich bereits aufgrund von Doppelhaushalten für die Ausgaben im Jahr 2023 festgelegt. Wer jedoch Ausgaben plant, möchte auch wissen, welche Einnahmen dem gegenüberstehen. Das gilt umso mehr, als dass die Corona-Pandemie die Haushaltsplanung noch schwieriger macht als ohnehin schon. Bislang hat der Bund aber noch keine Entscheidungen darüber getroffen, wie er sich über 2022 an dem Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Qualitätsentwicklung beteiligen will. Diese Entscheidung wird voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2022 getroffen. Das erschwert eine langfristige Planung für alle Beteiligten.

2.4 Teilhabeverbesserung ist dringend nötig – aber nicht so

Das sogenannte Gute-KiTa-Gesetz ist nicht nur ein Qualitätsentwicklungsgesetz, es ist gleichzeitig ein Teilhabeverbesserungsgesetz. Allerdings wurde Teilhabeverbesserung von den Ländern weitgehend so verstanden, dass sie die Elternbeiträge senkten. Dabei wäre eine echte Teilhabeverbesserung dringend notwendig. Der jüngste Familienbericht der Bundesregierung kommt zu der ernüchternden Erkenntnis, dass Betreuungsangebote für unter 3-Jährige sozial selektiv in Anspruch genommen werden. Der Bericht stellt fest, dass insbesondere die Qualität der pädagogischen Arbeit eine wichtige Dimension für ungleichheitsreduzierende Effekte im frühkindlichen Bereich ist. Wichtiger als die Gebühren, von denen Transferleistungsempfänger ohnehin grundsätzlich befreit sind, ist demnach die Qualität der Betreuung und eine vertrauensbildende Elternarbeit.

Gleichzeitig hat der Bund mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz auch die Inklusion in der Kindertagesbetreuung gestärkt. Diesen Impuls müssen die Länder jetzt in konkrete Maßnahmen umsetzen – auch so kann die Teilhabe deutlich verbessert werden.

3. Perspektiven für die Beteiligung des Bundes

Die Kindertagesbetreuung ist kein Tagesgeschäft, sondern ein nicht mehr wegzudenkender Baustein in der Bildungskette. Der Bund muss seiner Verantwortung für die Finanzierung gerecht werden und Planungssicherheit gewährleisten. Bislang agiert der Bund in sämtlichen Bereichen – sei es beim Sondervermögen Kindertagesbetreuung, bei den Bundesprogrammen und bei der Qualitätsentwicklung – sehr kurzfristig. Zudem ist weder ein langfristiges Ziel noch eine verlässliche Perspektive zu erkennen

3.1 Dauerhafte und aufwachsende Finanzierung

Der Bund sollte zu seinem Bekenntnis stehen, dauerhaft ein Drittel der ausbaubedingten Kosten für die Platzbeschaffung und den Betrieb zu decken. Das ist derzeit schon deswegen nicht möglich, weil dem Bund aus o.g. Gründen die Kosten für den Platzausbau unbekannt sind.

Der Bund müsste bei der Entwicklung von guter Praxis durch Bundesprogramme, wie etwa im Bundesprogramm Sprach-Kitas, eine Perspektive für die Fachkräfte nach dem Auslaufen des Bundesprogramms schaffen.

Und der Bund muss sich dauerhaft an der Qualitätssicherung beteiligen. Die Befristung der Mittel aus dem Gute-KiTa-Gesetz und vor allem die nicht rechtzeitige Verlängerung der Bundesmittel zum Ende der Legislaturperiode führt zu massiven Planungsunsicherheiten.

3.2 Bedarfsorientierung

Für die weitere Qualitätsentwicklung muss der Bund sicherstellen, dass die Mittel bedarfsgerecht eingesetzt werden. Dazu müssen auf Landesebene die Beteiligung der unterschiedlichen Akteursgruppen regelmäßig erfolgen. Hierbei ist sicherzustellen, dass insbesondere Kinder, Eltern, Fachkräfte und Träger zu beteiligen sind und verbindlich bei der Auswahl von Zielen und Maßnahmen berücksichtigt werden. Dafür sollten dauerhafte Beteiligungsverfahren auf Landesebene etabliert werden, um ausgehend von den bestehenden Bedarfen und den Ergebnissen des Monitorings verbindliche Empfehlungen für die Qualitätsentwicklung zu formulieren.

3.3 Verbesserung der Teilhabe

Die Vermeidung oder der Abbau von Benachteiligungen ist ein zentrales bildungs- und sozialpolitisches Anliegen – der gleichberechtigte Zugang aller Kinder zur Kindertagesbetreuung ist bei weitem nicht hergestellt. Dies muss prioritäres Ziel sein. Deswegen sollten Elternbeiträge prioritär dort gestrichen werden, wo Familien derzeit aufgrund von Elternbeiträgen die Kindertagesbetreuung nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen können. Durch eine Anpassung der Kriterien für die Entlastung von Elternbeiträgen in § 90 SGB VIII hat der Bund die Möglichkeit dazu.

Fazit

Wohin der Bund bei der weiteren Finanzierung der Kindertagesbetreuung in den kommenden Jahren steuert, ist völlig offen. Die große Koalition hat es versäumt, frühzeitig die Weichen für die Zukunft zu stellen: Sowohl die Finanzierung des weiteren Ausbaus, die Finanzierung der Qualitätsentwicklung und der Bundesprogramme sind nur bis Ende 2022 sicher. Was danach kommt, wird sich erst im Laufe des Jahres 2022 erweisen. Eine langfristige Entwicklung und vorausschauende Planung sind so kaum möglich.

Hinweis

Der Artikel gibt die Meinung des Autors wieder und stellt nicht notwendigerweise die Haltung des Paritätischen Gesamtverbands dar.

Niels Espenhorst

Niels Espenhorst

Referent für Kindertagesbetreuung beim Paritätischen Gesamtverband

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