Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses
Recht & Verwaltung13 Juni, 2023

Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses

Redaktion Wolters Kluwer Online
  1. Die Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses obliegt bei einer GmbH der Gesellschafterversammlung.
  2. Besteht die Gesellschafterversammlung jedoch nur aus einer Person, so ist für die Kündigung kein förmlicher Gesellschafterbeschlusses oder dessen Beifügung zum Kündigungsschreiben erforderlich. Vielmehr kann der Alleingesellschafter durch seine Vertretungsberechtigten jederzeit formlos Beschluss fassen und diesen durch das Kündigungsschreiben dokumentieren.
  3. Die Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags kann unwirksam sein, wenn der Geschäftsführer dieses einseitige Rechtsgeschäft nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen hat.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung der Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der Beklagten.

Die Klägerin war zur Geschäftsführerin beider Beklagter bestellt. Alleingesellschafterin beider Beklagter ist die U. Holding GmbH. Konzernobergesellschaft ist die (niederländische) R. G. S. BV.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 bestand ein Geschäftsführer-Dienstvertrag. Das monatliche Grundgehalt der Klägerin betrug zuletzt 22.270,- Euro zuzüglich eines Arbeitgeberanteils an vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 20,- Euro, eines Zuschusses zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 338,- Euro und eines Zuschusses zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 28,14 Euro, mithin zusammen 22.656,14 Euro. Der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Dienstwagens betrug monatlich 829,- Euro.

Die U. Holding GmbH kann nach ihrer Satzung vertreten werden durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen. Im August 2019 waren jedenfalls Herr R. Z. als Geschäftsführer und der Zeuge Ni. als Prokurist der U. Holding GmbH bestellt und auch als solche ins Handelsregister eingetragen.

Im Rahmen einer Besprechung am 06.08.2019 überreichten die Zeugin No. und der Zeuge M. der Klägerin ein Schreiben, in dem der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1 ordentlich zum Ablauf des Februars 2020 gekündigt wurde. Das Schreiben schließt mit dem Vermerk "für die Gesellschafterin U. Holding GmbH" und trägt die Unterschriften des Geschäftsführers Z. und des Zeugen M.

Die Klägervertreterin wies namens der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 die Kündigung mangels ausreichender Vollmachtsvorlage zurück und bot die Arbeitskraft der Klägerin an.

Mit Anwaltsschreiben vom 16.08.2019 übermittelten die Beklagtenvertreter an die Klägervertreterin ein von den Herren Z. und M. unterschriebenes Schreiben der Erstbeklagten, das mit dem 14.08.2019 datiert ist und namens der Gesellschafterversammlung der Erstbeklagten die Abberufung der Klägerin als Geschäftsführerin und ihre sofortige Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung enthielt.

Die Klägerin hält die Kündigung zum 29.02.2020 für unwirksam, sodass ihr jedenfalls das monatliche Grundgehalt in Höhe von je 22.656,14 Euro für die Monate März und April 2020 zustehe. Außerdem habe sie Anspruch für den unberechtigten Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens ab dem 10.03.2020. Zudem stehe ihr ein Betrag in Höhe von 235.114,- Euro als variable Vergütung für das Kalenderjahr 2019 zu.

Das Landgericht hat der Klägerin auf den Klagantrag 1 hin einen Betrag in Höhe von 153.572,86 Euro nebst gestaffelten Zinsen zuerkannt und die weitergehende Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Berufung gegen die Beklagte zu 2 zurückgenommen.

Die Beklagte zu 1 erstrebt mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung die Abweisung der Klage insgesamt.

Begründung

Mit der vorliegenden Entscheidung vom 03.05.2023 - 7 U 2865/21 - hat das OLG München zu Ansprüchen einer gekündigten Geschäftsführerin auf Dienst- bzw. Annahmeverzugsvergütung Stellung genommen.

Das OLG hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Dienst- bzw. Annahmeverzugsvergütung für die Monate März und April 2020 in Höhe von je 22.656,14 Euro, also insgesamt 45.092,28 Euro nebst Zinsen ab 01.04. bzw. 01.05.2020 zusteht.

Nach Überzeugung des OLG ist die Kündigung des Geschäftsführerdienstverhältnisses zwischen den Parteien seitens der Erstbeklagten unwirksam, sodass dieses Dienstverhältnis im maßgeblichen Zeitraum März /April 2020 fortbestand.

Die Kündigung erfolgte zwar formal ordnungsgemäß durch die U. Holding GmbH, die dabei auch grundsätzlich wirksam vertreten wurde.

Die Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstverhältnisses obliegt bei der GmbH der Gesellschafterversammlung. Dies ergibt sich nach allgemeiner Ansicht als Annexkompetenz aus der Kompetenz der Gesellschafterversammlung für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Damit oblag hier die Kündigung der U. Holding GmbH als Alleingesellschafterin der Beklagten zu 1.

Wenn die Gesellschafterversammlung nur aus einer Person (hier: der U. Holding GmbH) besteht, bedarf es für die Kündigung keines förmlichen Gesellschafterbeschlusses oder gar dessen Beifügung zum Kündigungsschreiben. Der Alleingesellschafter kann vielmehr durch seine Vertretungsberechtigten jederzeit formlos Beschluss fassen und diesen durch das Kündigungsschreiben dokumentieren.

Im konkreten Fall waren nach Auffassung des OLG der Geschäftsführer Z. und der nunmehrige Prokurist M. am 06.08.2019 zusammen befugt, namens der U. Holding GmbH (als Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin auszusprechen.

Aus Sicht des OLG ist die Kündigung allerdings dennoch unwirksam, weil die Klägerin dieses einseitige Rechtsgeschäft nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen hat.

Die Klägerin war danach zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, da dem Kündigungsschreiben nicht die Prokuraerteilung für den Zeugen M. in vollständiger Form (im Original) beigefügt war.

Eine ordnungsgemäße Vollmachtsvorlage kann nur angenommen werden, wenn das vorgelegte Exemplar der Vollmacht erkennen lässt, wer sie erteilt hat. Daran fehlt es, wenn die Urkunde so unvollständig vorgelegt wird, dass die Aussteller der Vollmacht nicht erkennbar sind, wenn also hier konkret - wie hier von der Klägerin behauptet - die Prokuraerteilung ohne die Seite 2 mit den Unterschriften der Herren Z. und Ni. der Kündigung beigefügt war.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine ordnungsgemäße Vollmachtsvorlage trägt der Vollmachtgeber (hier also die Beklagte), während Darlegung und gegebenenfalls Beweis der unverzüglichen Zurückweisung dem Erklärungsempfänger (hier also der Klägerin) obliegen.

Der Beklagten ist nach Ansicht des OLG hier nicht gelungen, eine ordnungsgemäße Vollmachtsvorlage zu beweisen, was bedeutet hätte, die Behauptung der Klägerin zu widerlegen, dass der gegenständlichen Kündigung nur die erste Seite der Prokuraerteilung ohne die Unterschriften auf der zweiten Seite beilag.

Die Zurückweisung der Kündigung erfolgte hier auch "unverzüglich" im Sinne von § 174 BGB.

Daher steht der Klägerin für den maßgebliche Zeitraum die vereinbarte monatliche Vergütung als Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 BGB zu. Sie hat der Erstbeklagten auch ihre Dienste angeboten.

Darüber hinaus steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.390,58 Euro für die entgangene Nutzung des Dienstwagens zu.

Das LG hat der Klägerin außerdem zu Recht in der Hauptsache einen Betrag von 106.870,- Euro als Schadensersatz für die entgangene variable Vergütung für das Kalenderjahr 2019 zuerkannt.

Praktische Bedeutung

Das OLG München verdeutlicht in diesem Urteil die Voraussetzungen eines Anspruchs eines Geschäftsführers auf Dienst- bzw. Annahmeverzugsvergütung im Falle seiner Kündigung und geht hierbei auch auf die Vorlage einer Vollmacht in diesem Zusammenhang ein.

Das OLG weist hierbei darauf hin, dass die Vollmacht die Befugnis des Erklärenden zur Vornahme des Rechtsgeschäfts eindeutig ergeben muss. Das bedeutet bei einer noch nicht ins Handelsregister eingetragenen Prokura, dass der Empfänger der Erklärung des Prokuristen aufgrund der Vollmachtsurkunde beurteilen können muss, ob die Prokura wirksam erteilt wurde. Daran fehlt es nach Worten des OLG, wenn sich aus der vorgelegten Vollmachtsurkunde nicht ergibt, wer namens des Inhabers des Handelsgeschäfts die Prokura erteilt hat. Denn in einem solchen Fall kann die Vertretungsberechtigung für die Prokuraerteilung vom Erklärungsempfänger nicht beurteilt werden.

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