Arbeitsunfähig und Überweisung
Recht & Verwaltung23 April, 2024

BAG: Erfolglose Klage auf Urlaubsabgeltung bei Überschneidung von Krankheit und Kurzarbeit

Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online

Ausgefallene Arbeitstage sind bei der Berechnung des Urlaubsumfangs nicht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen, wenn der Arbeitnehmer in einem Zeitraum, für den wirksam Kurzarbeit »null« eingeführt worden ist, erkrankt.

Sachverhalt: Geltendmachung von Urlaubsabgeltung bei Kurzarbeit und Erkrankung

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung aus dem Jahr 2020 und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Urlaubsberechnung bei zeitlicher Überschneidung von Krankheit und Kurzarbeit „null“.

Der Kläger war vom 01.05.2018 bis zum 31.01.2021 bei der Beklagten als Mitarbeiter in der Betriebsschlosserei mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.500,00 Euro beschäftigt. Sein Jahresurlaub betrug 29 Arbeitstage in einer Fünftagewoche

Ausweislich einer am 19.03.2020 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war der Kläger in der Zeit vom 20.03. bis zum 27.03.2020 arbeitsunfähig krank.

Aus Anlass eines durch die Corona-Pandemie bedingten Arbeitsausfalls trafen die Parteien am 23.03.2020 eine Vereinbarung über Kurzarbeit als Ergänzung zum bestehenden Arbeitsvertrag.

Die Beklagte führte mit Wirkung vom 01.04.2020 in ihrem Betrieb Kurzarbeit ein.

Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger nach Maßgabe einer Folgebescheinigung vom 26. März 2020 weiterhin zunächst bis zum 12.04.2020 und danach – attestiert durch weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen – durchgehend bis zum 31.12.2020 arbeitsunfähig krank.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Abgeltung von 15 Arbeitstagen gesetzlichen Mindesturlaubs für den Zeitraum 01.04. bis 31.12.2020 verlangt.

Urlaubsansprüche in ungeminderter Höhe

Er hat die Auffassung vertreten, für diesen Zeitraum gesetzliche Urlaubsansprüche in ungeminderter Höhe erworben zu haben.

Ungeachtet der im Betrieb praktizierten Kurzarbeit seien die Zeiten seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bei der Berechnung des Urlaubs wie solche
mit tatsächlicher Arbeitsleistung zu behandeln.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Begründung: Kein Anspruch auf weitere Urlaubsabgeltung

Mit dem vorliegenden Urteil vom 05.12.2023 - 9 AZR 364/22 - hat das BAG zur Urlaubsberechnung bei zeitlicher Überschneidung von Krankheit und Kurzarbeit
Stellung genommen.

Das BAG hat entschieden, dass dem klagenden ehemaligen Arbeitnehmer kein Anspruch auf Abgeltung weiterer 15 Arbeitstage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2020 zusteht.

Kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage sind Zeiten mit Arbeitspflicht nicht gleichzustellen

Nach Auffassung des BAG war der Umfang des Urlaubsanspruchs unter Berücksichtigung der kurzarbeitsbedingten Aufhebung der Arbeitspflicht an ganzen Arbeitstagen zu berechnen. Dies ergibt sich aus §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG. Aus der Regelung in § 3 Abs. 1 BUrlG  folgt nicht, dass kurzzeitarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage bei der Berechnung des Urlaubsumfangs Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen sind. Wenn der Arbeitnehmer in einem Zeitraum erkrankt, für den wirksam Kurzarbeit eingeführt worden ist, ändert sich an der durch die Kurzarbeit geänderten Verteilung der Arbeitszeit nichts. Die arbeitsvertragliche Grundlage für die Berechnung der Urlaubsdauer bleibt durch die Erkrankung unberührt. Der Urlaubsanspruch eines während der Kurzarbeit arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers muss nicht nach Maßgabe der außerhalb der Kurzarbeit gültigen Arbeitszeit berechnet werden.

 

Grundlage sind die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Urlaubsdauer anhand der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeitszeiträume zu berechnen.

Bei einer kraft Einzel- oder Kollektivvertrags eingeführten Kurzarbeit »null« bestimmt folglich diese die maßgebliche Verteilung der Arbeitszeit, auf deren Grundlage der Urlaubsanspruch zu berechnen ist.

Dies gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit bereits vor Einführung der Kurzarbeit vorlag. Ein erkrankter Arbeitnehmer ist nicht per se von den arbeitsrechtlichen Folgen der Kurzarbeit ausgenommen.

Im konkreten Fall standen dem Kläger daher zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weiteren 15 Arbeitstage Erholungsurlaub für das Kalenderjahr 2020 zu.

Die Parteien haben eine wirksame Vereinbarung über Kurzarbeit »null« getroffen. Während der Kurzarbeit betrug die wöchentliche Arbeitszeit 0 Wochenstunden.

Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld setzt gemäß § 95 S. 1 Nr. 1 SGB III voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt.

Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit erkrankt. Besonderheiten gelten nur, wenn der Arbeitnehmer wie hier vor dem Beginn der Kurzarbeit arbeitsunfähig erkrankt war.

Der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindesturlaub für das Jahr 2020 betrug daher fünf Arbeitstage (20 Arbeitstage Jahresurlaub x 65 Tage mit Arbeitspflicht von Januar bis März 2020 ÷ 260 Tage mit Arbeitspflicht im Jahr). Diesen Anspruch hat die Beklagte durch die Gewährung von Urlaub erfüllt.

Praktische Bedeutung des Urteils vom 05.12.2023 – 9 AZR 364/22

Das BAG verdeutlicht in diesem Urteil den Umfang einer Urlaubsberechnung bei einer zeitlichen Überschneidung von Krankheit und Kurzarbeit „null“.

Das Gericht weist auch darauf hin, dass der unionsrechtlich gewährleistete Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht dadurch eingeschränkt werden kann, dass der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht wegen einer Erkrankung im Bezugszeitraum nicht nachkommen konnte  (EuGH, Urt. v. 09.12.2021 - C-217/20).

Diese Rechtsprechung beabsichtigt nach Auffassung des BAG, Arbeitnehmer, die wegen einer Krankschreibung während des Bezugszeitraums der Arbeit ferngeblieben sind, mit solchen gleichzustellen, die während dieses Zeitraums tatsächlich gearbeitet haben.

Keine Privilegierung erkrankter Arbeitnehmer

Eine Privilegierung erkrankter Arbeitnehmer gegenüber arbeitsfähigen Arbeitnehmern ist damit nach Auffassung des BAG jedoch nicht bezweckt.

Diese träte allerdings ein, wenn arbeitsunfähige Arbeitnehmer bei der Berechnung ihres Urlaubsanspruchs so behandelt würden, als hätten sie keine Kurzarbeitsvereinbarung getroffen.

Wenn man dem arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch auf der Grundlage seiner „regulären“ Arbeitszeit einräumte, hätte dies zur Konsequenz, dass er allein aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit bessergestellt wäre, als wenn er in dem betreffenden Zeitraum arbeitsfähig gewesen wäre.

Bildnachweis: Kay Boysen/stock.adobe.com
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