Aus der Redaktion von Wolters Kluwer Online
Recht & Verwaltung26 Oktober, 2022
BGH klärt allgemeine Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen über Flugbuchungen
Eine Vereinbarung ist gemäß § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen, wenn sie einen Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, dass er zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel verwendet, wenn für ihn keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.
Ein Unternehmer, der Flugbuchungen im Internet anbietet, fordert ein zusätzliches Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels, wenn bei den von ihm vorgegebenen Einstellungen zunächst ein Preis angezeigt wird, der nur für den Fall der Zahlung mit bestimmten, nicht i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB gängigen Kreditkarten erhältlich ist und bei Auswahl anderer Zahlungsmittel eine zusätzliche sog. "Servicepauschale" fällig wird.
Wenn ein Interessent im November 2015 auf dem Internetportal der Beklagten nach einem zu seinen Vorgaben passenden Flug suchte, wurde das Ergebnis der Suche zunächst mit dem bei Zahlung mit der Prepaid-Kreditkarte "Visa E. " geltenden Preis angezeigt. Der Interessent konnte auf dieser Ergebnisseite auch andere Zahlungsmittel wählen. Dies führte - außer bei Wahl des Zahlungsmittels "V. Prepaid MasterCard" - zu einer Erhöhung des Gesamtpreises. Bei einer von der Klägerin durchgeführten Testbuchung erhöhte sich der Gesamtpreis bei Auswahl des Zahlungsmittels "Visa Kreditkarte" von 41,49 Euro auf 59,81 Euro. Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich bei dem Aufschlag um eine Servicepauschale.
Mit Anwaltsschreiben vom 20.11.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Angabe des zu zahlenden Endpreises, gegen die Verpflichtung nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB zum Anbieten einer gängigen und zumutbaren unentgeltlichen Zahlungsmöglichkeit und gegen das Verbot nach § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB der Vereinbarung eines Zahlungsmittelentgelts, das über die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehenden Kosten hinausgeht, erfolglos ab.
Das Landgericht Hamburg hat die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zur Unterlassung in Bezug auf alle drei genannten Gegenstände und zudem zur Zahlung von 2.636,90 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen für die Abmahnkosten der Klägerin verurteilt.
Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung mit Blick auf den ersten und dritten Gegenstand zurückgenommen. Soweit das Landgericht der Beklagten wegen des zweiten Gegenstands (Klageantrag I.2) unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt hat, im Wettbewerb handelnd im Hinblick auf das Auffinden und Buchen von Flugreiseangeboten auf der Internetseite www. .de Flüge zur Buchung anzubieten, ohne dass dem Kunden mindestens eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit (z. B. Überweisung, Lastschrift oder Visa-Kreditkarte) zur Verfügung gestellt wird, für die er kein Entgelt zahlen muss, hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte im Umfang ihrer Verurteilung durch das Berufungsgericht ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Mit dem vorliegenden Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 205/20 - hat der BGH zur Zulässigkeit einer Servicepauschale bei einer Flugbuchung im Internet Stellung genommen.
Der BGH hat entschieden, dass die Revision Erfolg hat, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung richtet. Nach Auffassung des Senats ist nämlich der Unterlassungsantrag der Klägerin nicht hinreichend bestimmt.
Die aus der Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB in den Klageantrag übernommenen Begriffe "gängig" und "zumutbar" sind nicht hinreichend bestimmt. Diese Begriffe sind auslegungsbedürftig, sodass die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands im Ausgangspunkt nicht den an einen Unterlassungsantrag anzulegenden Bestimmtheitsanforderungen genügt.
Für die Begriffe "gängig" und "zumutbar" gibt es auch keine gefestigte Auslegung, die geeignet wäre, ihre Unbestimmtheit zu überwinden.
Die Klägerin hat sich in ihrem Unterlassungsantrag nicht an der konkreten Verletzungshandlung orientiert, sondern ein umfassendes Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts begehrt. Eine solcher unbestimmter Antragsfassung ist auch nicht deswegen hinzunehmen, weil dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich wäre. Die Klägerin hätte ohne Weiteres einen auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Antrag stellen können.
Dieser Mangel führt hier jedoch nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig, sondern zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beklagte wendet sich allerdings ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten der Klägerin. Der Klägerin steht nach Ansicht des BGH hinsichtlich aller drei Gegenstände der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Die Beklagte hat gegen die Marktverhaltensregelung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstoßen. Danach ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, unwirksam, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.
Die von der Beklagten akzeptierten Zahlungsmöglichkeiten sind nicht unentgeltlich im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB, weil die von ihr erhobene Servicepauschale ein verdecktes Zahlungsmittelentgelt darstellt.
Die Anwendung dieser Vorschrift steht hier auch mit dem Unionsrecht im Einklang.
Der BGH hat sich in diesem Urteil erneut mit der Zulässigkeit einer Servicepauschale bei Flugbuchungen im Internet befasst. Damit führt der I. Zivilsenat die Rechtsprechung des X. Zivilsenats fort, der entschieden hat, dass ein Unternehmer, der Flugbuchungen im Internet anbietet, ein zusätzliches Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels verlangt, wenn bei den von ihm vorgegebenen Einstellungen zunächst ein Preis angezeigt wird, der nur für den Fall der Zahlung mit einer bestimmten, von ihm in Zusammenarbeit mit einem Kreditinstitut herausgegebenen Kreditkarte erhältlich ist, und bei Auswahl eines anderen Zahlungsmittels eine zusätzliche "Servicegebühr" anfällt (BGH, Urteil vom 24.08.2021 - X ZR 23/20).
Ein Unternehmer, der Flugbuchungen im Internet anbietet, fordert ein zusätzliches Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels, wenn bei den von ihm vorgegebenen Einstellungen zunächst ein Preis angezeigt wird, der nur für den Fall der Zahlung mit bestimmten, nicht i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB gängigen Kreditkarten erhältlich ist und bei Auswahl anderer Zahlungsmittel eine zusätzliche sog. "Servicepauschale" fällig wird.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Fluggesellschaft. Die Beklagte betreibt ein Internetportal, auf dem sie unter anderem Buchungen für Flüge der Klägerin vermittelt.Wenn ein Interessent im November 2015 auf dem Internetportal der Beklagten nach einem zu seinen Vorgaben passenden Flug suchte, wurde das Ergebnis der Suche zunächst mit dem bei Zahlung mit der Prepaid-Kreditkarte "Visa E. " geltenden Preis angezeigt. Der Interessent konnte auf dieser Ergebnisseite auch andere Zahlungsmittel wählen. Dies führte - außer bei Wahl des Zahlungsmittels "V. Prepaid MasterCard" - zu einer Erhöhung des Gesamtpreises. Bei einer von der Klägerin durchgeführten Testbuchung erhöhte sich der Gesamtpreis bei Auswahl des Zahlungsmittels "Visa Kreditkarte" von 41,49 Euro auf 59,81 Euro. Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich bei dem Aufschlag um eine Servicepauschale.
Mit Anwaltsschreiben vom 20.11.2015 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Angabe des zu zahlenden Endpreises, gegen die Verpflichtung nach § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB zum Anbieten einer gängigen und zumutbaren unentgeltlichen Zahlungsmöglichkeit und gegen das Verbot nach § 312a Abs. 4 Nr. 2 BGB der Vereinbarung eines Zahlungsmittelentgelts, das über die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehenden Kosten hinausgeht, erfolglos ab.
Das Landgericht Hamburg hat die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zur Unterlassung in Bezug auf alle drei genannten Gegenstände und zudem zur Zahlung von 2.636,90 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen für die Abmahnkosten der Klägerin verurteilt.
Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung mit Blick auf den ersten und dritten Gegenstand zurückgenommen. Soweit das Landgericht der Beklagten wegen des zweiten Gegenstands (Klageantrag I.2) unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel untersagt hat, im Wettbewerb handelnd im Hinblick auf das Auffinden und Buchen von Flugreiseangeboten auf der Internetseite www. .de Flüge zur Buchung anzubieten, ohne dass dem Kunden mindestens eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit (z. B. Überweisung, Lastschrift oder Visa-Kreditkarte) zur Verfügung gestellt wird, für die er kein Entgelt zahlen muss, hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte im Umfang ihrer Verurteilung durch das Berufungsgericht ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Begründung
Mit dem vorliegenden Urteil vom 28.07.2022 - I ZR 205/20 - hat der BGH zur Zulässigkeit einer Servicepauschale bei einer Flugbuchung im Internet Stellung genommen. Der BGH hat entschieden, dass die Revision Erfolg hat, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung richtet. Nach Auffassung des Senats ist nämlich der Unterlassungsantrag der Klägerin nicht hinreichend bestimmt.
Die aus der Vorschrift des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB in den Klageantrag übernommenen Begriffe "gängig" und "zumutbar" sind nicht hinreichend bestimmt. Diese Begriffe sind auslegungsbedürftig, sodass die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands im Ausgangspunkt nicht den an einen Unterlassungsantrag anzulegenden Bestimmtheitsanforderungen genügt.
Für die Begriffe "gängig" und "zumutbar" gibt es auch keine gefestigte Auslegung, die geeignet wäre, ihre Unbestimmtheit zu überwinden.
Die Klägerin hat sich in ihrem Unterlassungsantrag nicht an der konkreten Verletzungshandlung orientiert, sondern ein umfassendes Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts begehrt. Eine solcher unbestimmter Antragsfassung ist auch nicht deswegen hinzunehmen, weil dies zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes erforderlich wäre. Die Klägerin hätte ohne Weiteres einen auf die konkrete Verletzungsform bezogenen Antrag stellen können.
Dieser Mangel führt hier jedoch nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig, sondern zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beklagte wendet sich allerdings ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten der Klägerin. Der Klägerin steht nach Ansicht des BGH hinsichtlich aller drei Gegenstände der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu.
Die Beklagte hat gegen die Marktverhaltensregelung des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstoßen. Danach ist eine Vereinbarung, durch die ein Verbraucher verpflichtet wird, ein Entgelt dafür zu zahlen, dass er für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, unwirksam, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht.
Die von der Beklagten akzeptierten Zahlungsmöglichkeiten sind nicht unentgeltlich im Sinne des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB, weil die von ihr erhobene Servicepauschale ein verdecktes Zahlungsmittelentgelt darstellt.
Die Anwendung dieser Vorschrift steht hier auch mit dem Unionsrecht im Einklang.
Praktische Bedeutung
Der BGH hat sich in diesem Urteil erneut mit der Zulässigkeit einer Servicepauschale bei Flugbuchungen im Internet befasst. Damit führt der I. Zivilsenat die Rechtsprechung des X. Zivilsenats fort, der entschieden hat, dass ein Unternehmer, der Flugbuchungen im Internet anbietet, ein zusätzliches Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels verlangt, wenn bei den von ihm vorgegebenen Einstellungen zunächst ein Preis angezeigt wird, der nur für den Fall der Zahlung mit einer bestimmten, von ihm in Zusammenarbeit mit einem Kreditinstitut herausgegebenen Kreditkarte erhältlich ist, und bei Auswahl eines anderen Zahlungsmittels eine zusätzliche "Servicegebühr" anfällt (BGH, Urteil vom 24.08.2021 - X ZR 23/20). Wolters Kluwer Online
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